Karriereberatung:Teurer Etikettenschwindel

Wer ein Coaching absolviert, hofft auf individuelle Hilfe und bessere Karrierechancen. Doch einige Berater sind unseriös - und führen ihre Kunden in die Irre.

Zwischen Coaching, Training und Karriereberatung eine Grenze zu ziehen, ist nicht ganz einfach. So mancher Trainer bietet auch "Coachings" an, manche Beratung ist ein Training, und oft werden die Bezeichnungen gleichbedeutend verwendet.

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Coaching oder Karriereberatung? Die Grenzen zwischen den Angeboten sind fließend.

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Das stiftet Verwirrung und macht die Auswahl des passenden Angebotes schwierig. Wer sich nicht informiert, welche Hilfe er tatsächlich braucht und wo es sie gibt, findet nur mit Glück das Richtige. Denn Beratungsangebote zu Jobs gibt es viele. Und die Bezeichnungen sind nicht geschützt: Berater, Coach oder Trainer darf sich jeder nennen.

Autoreifen statt Brötchen

"Der Markt ist nicht sehr transparent", räumt der Karriereberater Martin Wehrle aus Jork in Niedersachsen ein. "Ratsuchende geraten leicht an den Falschen." Mit unschönen Folgen: "Wenn man Brötchen haben will, möchte man schließlich keine Autoreifen geliefert bekommen", sagt Christopher Rauen vom Deutschen Bundesverband Coaching (DBVC) in Osnabrück. Und genau das könne passieren, wenn jemand fälschlicherweise eine Leistung bei einem Trainer einkauft statt bei einem Coach, beziehungsweise umgekehrt.

Die Branche ist kaum überschaubar: Rund 70.000 bis 80.000 Berater gibt es bundesweit, schätzt Rauen. "Rund 35.000 bezeichnen sich als Coaches. Im engeren Sinn gibt es aber nur um die 5000." Coaching boome seit mehreren Jahren, sagt Rauen, "viele Trainer nennen sich nun einfach Coach." Und was eigentlich Verkaufstraining sei, werde zum "Sales-Coaching" aufgemotzt. Das sei jedoch Etikettenschwindel.

Die Unterschiede zwischen den Methoden sind auch Martin Wehrle wichtig, der für sich in Anspruch nimmt, die "erste Ausbildung für Karriereberater im deutschsprachigen Raum" konzipiert zu haben: "Ein Coach wendet sich in erster Linie an Führungskräfte", sagt er.

Hilfe für die Gehaltsverhandlung

"Klassische Coachings werden außerdem von der Firma bezahlt, Karriereberatung bezahlt der Betreffende selbst." Coachings sind in der Regel zeitaufwendiger und komplexer. "Bei der Karriereberatung gibt es oft nur einen einzigen Termin", sagt Wehrle. Die Klienten sind nach seiner Erfahrung häufig Arbeitnehmer oder Bewerber, bei denen etwas schief gelaufen ist. Sie suchen Hilfe für das nächste Vorstellungsgespräch oder die Gehaltsverhandlung.

Die Grenzen sind aber fließend. Bettina Angerer aus Norderstedt in Schleswig Holstein zum Beispiel arbeitet vorwiegend als Trainerin, hat aber auch eine Ausbildung in "systemischem Coaching". "Training beinhaltet bei mir immer auch aktive Übungselemente", sagt sie. Der Trainer erkläre und zeige, wie etwas geht und übt es mit den Seminarteilnehmern. "Training findet üblicherweise in der Gruppe statt."

Auf der nächsten Seite: Welche Rollen der Klient und sein Coach einnehmen - und wo Grenzen überschritten werden.

Teurer Etikettenschwindel

Ideale Ablaufmuster

Beim Coaching trifft sie sich mit dem "Coachee" dagegen zu zweit: "Der Coach redet wenig. Coaching lebt vom Fragen." Es gehe hier nicht darum, Tipps zu geben, sondern dem Betreffenden zu helfen, "von einer Problem- zu einer Zielsituation" zu gelangen.

Christine Öttl aus München arbeitet als Coach, hat aber auch lange Erfahrung als Trainerin: "Training ist immer eher eine Schulung. Die Wissensvermittlung steht dabei im Vordergrund", erklärt sie. Coaching funktioniere dagegen im Dialog, durch den der "Coachee" lernt, seine eigene Situation besser zu verstehen. Auch er weiß hinterher mehr - über sich selbst. Die Zusammenarbeit sei oft sehr persönlich.

Coaching sei Hilfe zur Selbsthilfe, ergänzt Christopher Rauen. Beim Training gehe es um das Lernen von idealen Ablaufmustern. Der Trainer sei dabei der Experte, sein Kunde der Laie - egal ob es um Rhetorik, Verkaufstechniken oder Gedächtnisleistungen geht. Das könne viele Vorteile haben - zum Beispiel, wenn es darum geht, schnell bestimmte Inhalte zu lernen. "Das geht nicht mit Coaching", sagt Rauen. "Die Inhalte liefert der Trainer, beim Coaching übernimmt das der Klient."

Ähnlich sei die Arbeit eines Karriereberaters: "Er sagt mir, was ich tun soll, oder übernimmt eine Aufgabe für mich, so wie ein Steuerberater. Dabei gehe es vor allem um kurzfristige Problemlösungen." Coaching sei dagegen "Beratung auf gleicher Augenhöhe" und dauere häufig länger, nicht selten mehrere Monate. "Es funktioniert nicht schnell, aber nachhaltig."

Rücksicht auf Interessen

Aus Wehrles Sicht können Karriereberater oft unabhängiger als Coaches agieren: "Der Coach bekommt einen Auftrag vom Arbeitgeber. Er muss zwar einerseits dem Mitarbeiter gerecht werden, andererseits aber auch den Zielen des Unternehmens." Der Karriereberater sei dagegen freier: ""Er muss nur Rücksicht auf die Interessen einer Seite nehmen und kann sich ganz auf dessen Interessen konzentrieren."

Es sei ein Missverständnis zu glauben, dass ein Coach, der jemandem an die Seite gestellt wird, dafür da sei, diesen persönlich weiterzubringen oder seine Karriere zu fördern. Er solle ihm vielmehr helfen, sich so zu entwickeln, wie es für die Firma sinnvoll ist.

"Ein Coach kann zum Beispiel auch schlecht empfehlen, das Unternehmen zu verlassen, auch wenn das für den Betreffenden das Beste wäre", sagt Wehrle. Ob ein Training, ein Coaching oder eine Karriereberatung jeweils das Passende ist, kommt daher immer auf den Einzelfall an.

(dpa/Andreas Heimann/bön)

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