Karriere und Beziehung:Ich oder du - oder wir?

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Der beste Bewerber ist Single - denn er muss sich nicht zwischen Familie und Job entscheiden. Viele Akademikerpaare stehen irgendwann vor dem Problem, wer zu Gunsten des Partners auf die Karriere verzichtet.

V. Schenz

Der Pförtner ist ganz aus dem Häuschen. Das habe er noch nicht erlebt: "So viele Frauen an einem Tag!" Die Technische Universität München (TUM) hat ins bayerische Wirtschaftsministerium geladen, zu einer Konferenz mit dem sehr englischen Titel "Dual Career im Recruiting". Und tatsächlich: In den Ludwig-Erhard-Saal strömen mehrheitlich Frauen, vor allem promovierte und habilitierte Frauen, wie die Namensschilder verraten. Gefühlte 95 Prozent der Teilnehmer sind weiblich.

Pendler am Flughafen: Doppelkarriereförderung ist immer noch die Ausnahme, so dass Fernbeziehungen zum Alltag gehören. (Foto: Foto: AP)

"Dual Career" - ein Schlagwort, das seit einiger Zeit durch die Hochschulen geistert. Akademiker liieren sich gerne mit Akademikern. In Deutschland sind knapp 30 Prozent - die Zahl steigt kontinuierlich - der Akademiker sogenannte Doppelkarrierepaare: Das heißt, beide sind hochqualifiziert und verfolgen eine eigene berufliche Laufbahn. Und da beginnt auch schon das Problem. Denn dass beide am selben Ort ihren Traumjob finden, ist unwahrscheinlich. Zu individuell ist das berufliche Profil von Spitzenkräften, zu dünn das entsprechende Angebot. Viele Doppelkarrieristen stehen daher vor der Frage: Ich oder du - oder wir? Annehmen oder ausschlagen? Pendeln oder umziehen?

Nicht Köpfe, sondern Menschen

Die Technische Universität hat im vergangenen Jahr ein sogenanntes Dual Career Center eingerichtet. Sinn und Zweck: Spitzenwissenschaftler auch damit zu locken, dass dem Partner bei der Jobsuche - und der Familie beim Einleben - geholfen wird. Die Erfahrung zeige, sagt TUM-Vizepräsident Peter Gritzmann, dass die berufliche Perspektive des Partners ein entscheidendes Kriterium ist, ob ein Wunschkandidat die Stelle antritt. "Wir suchen die besten Köpfe, heißt es immer, aber das Bild ist falsch: Wir suchen nicht Köpfe, sondern Menschen, und diese Menschen besitzen ein soziales Umfeld. Gerade in den Wissenschaften wollen wir doch Leute, die über den Tellerrand hinausschauen."

Burkhard Rost zum Beispiel. Den angesehenen Bioinformatiker habe man kürzlich erfolgreich von der Columbia Universität in New York abwerben können für die Humboldt-Professur an der TUM. Für Rosts Zusage sei ausschlaggebend gewesen, dass auch seine Frau, eine Zellbiologin, an einer TUM-Klinik eine Forschungsstelle bekam.

Je jünger die Akademikergeneration, desto größer das Verständnis für die Bedürfnisse der Familie. Der eigentliche, aber verschwiegene Grund für die Absage eines Bewerbers ist oft ein drohendes berufliches Aus für den Partner - so die einhellige These auf dieser Tagung. Diesen heiklen Punkt versucht die TUM seit einem Jahr anzugehen.

Im sozialen Nirgendwo

Durchaus aus Eigennutz: Wer sich auch für das Familienleben seiner Neuzugänge zuständig fühlt, hat im Zeitalter von internationalisierter Wissenschaft und Exzellenzinititaiven einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Hochschulen. Bei zwölf abgeschlossenen Berufungen war ausschlaggebend, dass auch der Partner auf dem Münchner Arbeitsmarkt einen Job fand, erzählt Kerstin Dübner-Gee, die das Dual Career Office der Hochschule leitet. Insgesamt hat sie im vergangenen Jahr 47 Paare beraten.

Darunter sind Markus und Katja Ploner, verheiratet, vier Kinder zwischen Krabbelgruppe und Gymnasium. Sie Diplom-Pädagogin, er Hirnforscher, seit August 2008 in München, davor erst in Köln, dann in Oxford. Der Dual Career Service an der TUM sei nicht entscheidend für den Wechsel gewesen, aber wichtig, meint Katja Ploner. Noch hat sie keine feste Stelle, aber sie sei froh, "dass man einen Ansprechpartner hat für alles, was einem unter den Nägeln brennt. Das ist ein Pluspunkt für eine Stadt." Wer in ein fremdes Land kommt, steht erst mal in einem sozialen Nirgendwo und vor einem Berg an Fragen. Wie ergattert man einen Kindergartenplatz, wie findet man eine Wohnung, wie funktioniert das Gesundheitswesen? "Natürlich kann man sich das alles im Internet zusammenrecherchieren, aber mit persönlicher Hilfe klappt es viel besser", sagt Ploner.

Auf der nächsten Seite: Warum in Deutschland noch immer das traditionelle Paar dominiert, bei dem die Frau verzichtet, damit sich der Mann seinem Aufstieg widmen kann.

Haus, Schule, Krankenversicherung

"Bewerber müssen in Berufungsverfahren ohne Zögern ihren Wunsch äußern, dass die Hochschule für den Partner nach einer beruflichen Perspektive Ausschau hält", hat jetzt auch Bernhard Kempen, Präsident des Deutschen Hochschulverbands, empfohlen. Die Universitäten sollten Dual Career als Daueraufgabe verstehen, bereits in ihren Ausschreibungen implementieren und Ansprechpartner bereitstellen, sagt Kempen.

Andere Länder sind da längst weiter. An amerikanischen Unis etwa sind sogenannte Relocation Center seit Jahrzehnten ein Gebot: Eine Armada von Mitarbeitern kümmert sich ausschließlich darum, den Neuen bei der Suche nach einem Haus, einer nahegelegenen Schule, einer geeigneten Krankenversicherung zu helfen. "Amerikaner setzen diesen Service als selbstverständlich voraus", sagt Dübner-Gee. Und sie bringen ein anderes Bewusstsein mit: Sie beobachte gerade bei amerikanischen Paaren eine größere Rücksichtnahme auf die Karriere des anderen, sagt die Personalentwicklerin: "Auch in diesem Punkt haben wir einiges nachzuholen." Dübner-Gee ist stolz darauf, dass ihre Universität immer mehr Nachahmer findet: Etwa 25 Dual-Career-Center gebe es inzwischen an deutschen Hochschulen, 40 weitere planten, welche einzuführen.

Personaler fühlen sich nicht zuständig

"Egal, ob an der Uni oder in einer Firma - Doppelkarriereförderung ist in jedem Fall eine Win-Win-Situation", sagt Michel Domsch vom Institut für Personalwesen und internationalem Management der Hamburger Universität der Bundeswehr, der über Doppelkarrieren forscht. "Zufriedene Mitarbeiter sind produktive Mitarbeiter."

Doch in der freien Wirtschaft scheint sich das noch nicht herumgesprochen zu haben: Auch hier spricht man über den drohenden Fachkräftemangel und von einem Wettstreit um die besten Köpfe, doch die Dual-Career-Idee bleibt fremd. "Bei den Firmen ist das kaum ein Thema", meint Domsch, "mir ist auch kein Unternehmen bekannt, das auf Jobmessen damit locken würde."

Zwar unterstreichen gerade die großen Firmen ihren Einsatz für "Diversity" und "Frauenförderung". Aber der liebste Bewerber ist immer noch der Single, für Ehepartner oder Familie sehen sich die wenigsten Personaler zuständig. "Das wird nur wichtig, wenn wir jemanden ins Ausland schicken oder wenn jemand aus dem Ausland zu uns kommt, aber das sind Einzelfälle", heißt es bei einer Großbank. "Um einen neuen Job für den Partner kümmern sich die meisten selber."

Die Frau verzichtet

Bei international ausgerichteten Konzernen ist der Tenor ähnlich: "Das läuft einfach mit, dafür gibt es kein Konzept", sagt Michael Able, Sprecher der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft, "so etwas prüfen wir von Fall zu Fall, wenn Bewerber wirklich danach fragen." Denn schnell kann von Nepotismus die Rede sein, viele Unternehmen sind schon deswegen vorsichtig mit Jobangeboten für Partner.

"Wenn beide bei uns arbeiten wollen, müsste das den üblichen Bewerbungsprozess durchlaufen", sagt Aletta Gräfin von Hardenberg, zuständig für Diversity bei der Deutschen Bank in Frankfurt. "Wir bieten eine breite Palette von Arbeitszeitmodellen und Leistungen, die beiden Partnern eine Karriere ermöglichen sollten." Doch in Deutschland dominiert noch immer das traditionelle Paar, bei dem die Frau verzichtet, damit sich der Mann seinem Aufstieg widmen kann, hat Domsch ermittelt. Und so gehen Frauen weiter auf Konferenzen und diskutieren über Karriereplanung, derweil ihre Männer Karriere machen.

© SZ vom 8.5.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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