Karriere:So überwinden Sie Ihre Schüchternheit

peinliche situation

Schüchternheit kann sich negativ auf die Karriere auswirken.

(Foto: Daniel Vineyard / iStockphoto)

Vom Bewerbungsgespräch über die Projektpräsentation bis zur Gehaltsverhandlung: Im Job gibt es diverse Situationen, die ein großes Selbstbewusstsein erfordern. Aber was tun, wenn man sich nicht zu den Egoshootern, sondern zu den grauen Mäusen unter den Arbeitnehmern zählt? Susanne Hake hat sich in ihrem Ratgeber "Selbstmarketing für Schüchterne" mit der Frage beschäftigt und erklärt, wie Veränderung gelingen kann.

Interview von Matthias Kohlmaier

SZ.de: Frau Hake, Sie schreiben, dass Sie früher selbst schüchtern waren. Wie hat sich das geäußert?

Susanne Hake: Wenn ich über mich selbst sprechen sollte, war ich wahnsinnig verlegen und aufgeregt. Manchmal habe ich mich richtiggehend isoliert gefühlt. Irgendwann habe ich dann bemerkt, dass mich diese Schüchternheit sehr viel Energie kostet; Energie, die ich viel sinnvoller hätte aufwenden können, um nach vorne zu gehen und für das einzustehen, was ich geleistet hatte.

Hat Sie die Schüchternheit am beruflichen Vorankommen gehindert?

Auf jeden Fall. Ich habe nicht nur viele Möglichkeiten verpasst, sondern auch Chancen teilweise gar nicht gesehen, weil ich viel zu klein gedacht habe. Und vielen Impulsen bin ich aus Angst nicht gefolgt.

Welches war bei Ihnen der erste Schritt zur Veränderung?

An einer einzelnen Situation kann ich das gar nicht fest machen. Was ich aber zu diesem Wunsch nach Veränderung sagen kann: Die Not war schlicht groß genug. Ich war an einem Punkt, an dem ich den unangenehmen Weg gehen wollte, an dem ich mich mit meinen Stärken und meinen Schwächen beschäftigen wollte. Jeder, der soweit ist, muss sich darüber bewusst sein, dass das kein Wellnessurlaub wird. Gewohnte Verhaltensweisen zu ändern ist immer erst mal schrecklich unangenehm. Besonders im Job, besonders im vorgerückten Alter.

Was raten Sie Menschen, die diesen unangenehmen Weg gehen wollen?

Tragen Sie ihre Zeugnisse, Ihre Zusatzqualifikationen, auch die aus dem Freizeitbereich zusammen, verschaffen Sie sich einen Überblick darüber, was Sie bereits geleistet haben. Und machen Sie sich Gedanken darüber, in welcher Situation Sie besonders gute Arbeit abliefern konnten. Eigene Leistungen zu erkennen und anzuerkennen ist ein ganz wichtiger Schritt dabei, Schüchternheit abzulegen. Selbstreflexion ist allerdings nur der erste Schritt, wenn man sich weiterentwickeln will.

Und der zweite?

Eine eigene Vision zu entwickeln und sich dann auf dem Weg zu den Zielen auch wissentlich in Situationen zu begeben, von denen ich schon vorher weiß: Das ist mir unangenehm! Wer schüchtern ist, muss anfangen, mit anderen zu sprechen und auch, vor Menschen über sich selbst zu sprechen und dabei eigene Leistungen zu betonen.

In Ihrem Buch empfehlen Sie Menschen, die ihre Schüchternheit überwinden wollen, sich einen Mentor zu suchen. Wie soll das funktionieren?

Grundsätzlich können Sie es natürlich auch alleine schaffen, das hängt von der individuellen Willenskraft ab. Meine Erfahrung ist aber: Mit Partner ist es deutlich einfacher. Das kann ein Kollege oder auch jemand aus dem privaten Umfeld sein. Speziell bevor Sie sich in die besagten unangenehmen Situationen wagen, hilft es sehr, wenn Sie die mit einem Mentor vorher durchgespielt haben. Neues quasi mit jemanden erprobt haben, vor dem Sie sich nicht zu genieren brauchen, wenn nicht gleich jedes Wort und jede Geste sitzen.

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"Quatsch, natürlich sind Sie aufgeregt"

Solche - nicht nur für schüchterne Menschen - unangenehmen Situationen gibt es gerade im Berufsleben zuhauf. Nummer eins: das Vorstellungsgespräch.

Bevor Sie sich überhaupt bewerben, müssen Sie herausfinden, was genau Sie möchten. Wie soll mein künftiger Job aussehen, welche Schlüsselqualifikationen sind dafür notwendig, wie kann ich mich auf diese Herausforderungen vorbereiten? Hier ist von Vorteil, wenn man diese und weitere Fragen mit einem Mentor oder Partner durchsprechen kann, der kritisches Feedback liefert. Wenn Sie sich für eine Richtung entschieden haben, gilt es, Ihre Online-Profile, die sie etwa bei Xing und Linkedin haben, passgenau zu optimieren.

All das ist nun erledigt, und das persönliche Gespräch beim potenziellen neuen Arbeitgeber steht an. Wie kann sich ein schüchterner Mensch dafür wappnen?

Gerade bei nicht so versierten Sprechern hilft es, sich bereits vor dem Vorstellungsgespräch Argumente und Geschichten bereitzulegen. Prüfen Sie, welche Attribute Sie sich im Anschreiben zugeordnet haben oder was die Stellenausschreibung fordert. Wenn Sie sich zum Beispiel für besonders fleißig oder analytisch denkend halten, dann legen Sie sich Situationen aus Ihrem bisherigen Berufsleben zurecht, die das bestätigen und die Sie vor Ihrem neuen Arbeitgeber darlegen können. Hier kann das vorherige Üben mit dem Partner hilfreich sein.

Und was ist am "Tag X" noch zu beachten?

Zeigen Sie körperliche Präsenz. Die Haltung sollte aufrecht sein, der Rücken gerade. Das vermutlich wichtigste bleibt aber: der Augenkontakt. Starren Sie nicht betreten auf die Tischplatte oder irgendwo in den Raum, sondern schauen Sie ihrem Gegenüber in die Augen. Vergegenwärtigen Sie sich dabei immer, dass dieser Mensch ja genauso etwas von Ihnen will, wie Sie von ihm. Und ein letzter Tipp: Falls im Vorstellungsgespräch etwas nicht so toll läuft, seien Sie nicht so streng mit sich, sondern bleiben Sie positiv.

Eine zweite Situation, der sich viele Arbeitnehmer nur höchst ungern stellen: die Projektpräsentation.

Auch hier ist eine aufrechte Körperhaltung essenziell. Zusätzlich sollten Sie natürlich inhaltlich top vorbereitet sein und eventuelle Nachfragen beantworten können. Auch wenn es schwer fällt: Beziehen Sie ihr Publikum mit in die Präsentation ein, setzen Sie auf Dialog statt Monolog. Klären Sie schon vor der Präsentation ab, was die anderen wissen, und was Sie ihnen geben können. Durch die Einsicht, dass Sie über Wissen verfügen, das Sie den Kollegen und vielleicht auch Vorgesetzen vermitteln wollen, lassen sich eine wenig förderliche Fixierung auf sich selbst und die eigene Scheu vor der Situation etwas abmildern.

Was würden Sie Menschen raten, die vor solchen Präsentationen vor Aufregungen kaum einen klaren Gedanken fassen können?

Sagen Sie sich nicht: "Ich habe keine Angst, ich bin ganz ruhig." Das ist Quatsch, denn natürlich sind Sie aufgeregt. Das können Sie sich deshalb auch ruhig sagen: "Ich bin aufgeregt." Aufregung kann im Gegensatz zur Angst durchaus förderlich sein, denn sie hilft uns, hochkonzentriert an die Präsentation heranzugehen.

Eine letzte Situation, die gerade für Schüchterne schwer zu bewältigen ist: die Gehaltsverhandlung.

Im Prinzip ist ein Gehaltsgespräch nichts anderes als eine neues Vorstellungsgespräch - gerade was Vorbereitung, Körperhaltung und Augenkontakt betrifft. Sie sollten sich vorher auf jeden Fall informieren, was Kollegen in vergleichbaren Positionen verdienen und vielleicht auch, was in anderen Firmen gezahlt wird. Sammeln Sie Argumente für Ihr Anliegen, Sie sollten Situationen beschreiben können, in denen Sie etwas Besonderes für das Unternehmen geleistet haben, und spielen Sie das Gespräch möglichst vorher mit ihrem Partner durch. Bei der Verhandlung sollten Sie sich dann keinesfalls nur auf ein Ziel fixieren, sondern auch offen für Lösungen sein, die nicht nur das Geld betreffen: mehr Freizeit, ein Dienstwagen oder eine spannende neue Aufgabe in der Firma können auch ein positives Ergebnis sein.

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