Karriere mit grünen Geschäftsideen:Gutes tun und Geld verdienen

Unternehmer und Weltverbesserer: Was sich auszuschließen scheint, hat eine lange Tradition. Doch grüne Geschäftsgründer in der Energiebranche haben nur dann eine Chance, wenn sie Zahlen wichtiger nehmen als Ideologien.

Als Karl Reinhard Kolmsee vor einigen Jahren als Vertriebsleiter eines großen Stromversorgers ein Seminar der London Business School besuchte, erhielt er einen ungewöhnlichen Auftrag. Tagelang hatte sein Professor die reine Lehre des Kapitalismus vertreten, dann verabschiedete er sich mit der Aufforderung: "Und nun machen Sie die Welt bitte zu einem besseren Ort!" Die Welt retten? Als Kapitalist? "Klang pathetisch", findet Kolmsee, "aber es war ein guter Antrieb."

Seit 2008 ist der promovierte Agrarwirt Weltverbesserer und Unternehmer in Personalunion: Erst baute er Biogasanlagen, dann gründete er 2010 Smart Hydro Power, ein Unternehmen, das Wasserkraftwerke für den Hausverbrauch entwickelt, ausgerüstet mit kleinen, leistungsfähigen Turbinen.

Die Idee dazu kam dem 45-Jährigen in Peru: Dort lebten Menschen in unmittelbarer Nähe zum mächtigen Amazonas, hatten aber abends häufig kein elektrisches Licht, weil die Stromversorgung unterbrochen war. Kolmsee wusste: Man kann diesen Menschen nicht nur helfen, man kann mit ihnen auch Geld verdienen. Für Fundis ist das ein Widerspruch. Aber Kolmsee ist Realo. Aber, wie er selbst sagt, ein "Liberaler" im Geist von John Locke oder Adam Smith, in deren Theorien "Marktakzeptanz und Weltenrettertum wunderbar einhergehen".

Diese Haltung macht Karl Reinhard Kolmsee zum Paradebeispiel für einen grünen Gründer. "Die allermeisten sind zunächst einmal Kapitalisten, was sie eindeutig vom Social Business und von Non-Profit-Organisationen unterscheidet", sagt Jan Michael Hess, Initiator des Ecosummit, einem Branchentreff im Greentech-Bereich: "Grüne Gründer glauben daran, dass sich die Herausforderungen unserer Zeit nur durch unternehmerisches Handeln lösen lassen." Der Kapitalismus wird zum Komplizen der Weltverbesserer - nicht zum Feind.

"Die meisten Start-ups im Greentech-Bereich haben eine lange Produktentwicklung und einen großen Kapitalbedarf", sagt Hess. Ohne Investoren geht gar nichts, und die lassen sich auch in der grünen Gründerszene nur von ökonomischen Argumenten überzeugen. Denn wie wankelmütig Politik und vor allem die öffentliche Meinung sein können, zeigen aktuelle Umfragen: Dieselben Deutschen, die vergangenes Jahr noch die Atomkraft am liebsten auf dem Mond sähen, liebäugeln heute wieder mit ihr, jetzt, da sich zeigt, dass alternative Energien doch teurer kommen als gedacht und sich allein die Strompreise drastisch erhöhen werden.

Start-ups sind oft unterfinanziert

Ihren Umsatz zu decken, gelingt längst nicht allen Gründern: Die Strategieberatung Roland Berger hat die Kapitalstruktur von jungen grünen Unternehmen untersucht und festgestellt, dass ein Viertel der Start-ups unterfinanziert sind. Wobei das Kapital laut Studie besonders häufig dann fehle, wenn es darum geht, mit dem bereits entwickelten Produkt am Markt Geld zu verdienen. "Öffentlichen Förderprogrammen gelingt es nur teilweise, hier Abhilfe zu schaffen", sagt Philipp Hoff, Autor der Studie.

Dass Subventionen der Innovationskraft sogar schaden könnten, hat Hoff bei der Analyse der Effekte des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) festgestellt. "Das EEG hat die förderungswürdigen Technologien definiert und so das Marktportfolio auf bestimmte Bereiche beschränkt", erklärt Hoff. In der Folge fällt Greentech-Start-ups mit anderen Ansätzen die Investorensuche schwerer. Ihre Innovationen fallen aus dem Raster, und das stimmt Banken und Investoren in der Regel skeptisch. Echte Pioniere haben es dementsprechend schwer. "Der Anreiz der Start-ups, komplett neue Lösungen zu entwickeln, ist gering", resümiert Hoff.

Ein Geldgeber der Branche ist der High-Tech Gründerfonds mit Sitz in Bonn. Im Portfolio des Investmentunternehmens finden sich aktuell 18 Greentech-Unternehmen, in die bis dato 58 Millionen Euro geflossen sind. "Wir suchen dabei nach Innovationen, die sich realisieren lassen und die hohe Alleinstellungsmerkmale haben", fasst Klaus Lehmann, Investmentmanager beim High- Tech Gründerfonds, die Auswahlkriterien zusammen. "Wichtig ist uns, dass die Gründer über genügend Unternehmergeist verfügen und die Gründung nicht als Fortsetzung eines Forschungsprojekts sehen." Vielversprechend seien derzeit Geschäftsideen, die die Energiewende voranbringen, etwa Technologien, die Strom speichern oder übertragen.

Und neue Ansätze zur Erzeugung erneuerbarer Energie? "Sind chancenreich, solange sie sich ohne Subventionen rechnen", sagt Lehmann. Kein Investor pumpt heute mehr Geld in ein Unternehmen, dessen Geschäftsmodell nur aufgeht, solange die Branche Fördergeld der Steuerzahler genießt. Die innovativen Start-ups der Branche wissen das - und sehen den Abbau der Förderungen im Solarbereich dementsprechend sachlich. "Was wir jetzt beobachten können, ist eine natürliche Konsolidierung, die dem Markt sicherlich guttun wird", bewertet Philipp Seherr-Thoss, Gründer der Firma Milk The Sun, die sich als Online-Marktplatz für Solar-Projekte versteht.

Der nächste Boom kommt bestimmt

Zwar sei der erste Boom erst einmal vorbei. Aber schon bald werde ein zweiter folgen, glaubt der Berliner Gründer: "In ein paar Jahren wird die meiste selbst erzeugte Energie nicht mehr teurer sein als eingekaufter Strom. Dann wird sich der Boom fortsetzen - und zwar ohne direkte Abhängigkeit von der Politik." Schon heute wächst um die großen Themen Solar und Windenergie ein Dienstleistungssektor heran. Es entstehen Handelsportale für Milk The Sun, dazu Unternehmen, die sich auf Versicherung, Wartung oder Vermarktung spezialisieren.

Insofern leisten die grünen Gründer vielfach Pionierarbeit. Jahrzehntelang waren die Strukturen zentralisiert, das Prinzip hierarchisch: Oben saßen wenige große Erzeuger, unten die Verbraucher. Doch dieses alte Modell stellt sich neu auf - keine schlechte Ausgangssituation für grüne Gründer. Wie für Tado: Das Münchner Unternehmen entwickelt Hard- und Software-Lösungen, mit denen Privathaushalte ihren Heizbedarf optimieren können. Das klingt einleuchtend: Spare jeder, wie er kann.

Doch Gründer Christian Dellmann hat gelernt, dass die wahren Herausforderungen nicht technischer Natur sind. Über Generationen ließen sich die Deutschen von großen Konzernen mit Energie versorgen, ohne viel mitdenken zu müssen. Und jetzt kommt Tado mit Home-Energy-Management, einem System, das Eigeninitiative erfordert. "Es ist nicht einfach, bei den Menschen eine Leidenschaft für dieses Thema zu entfachen", beobachtet Dellmann. Das funktioniere nur mit Ausdauer und Kreativität. "Wir müssen die Kunden mit guten Argumenten wie dem Einsparpotenzial überzeugen", sagt er.

Damit das gelingt, setzen viele Greentech-Gründer auf die Kreativität und das Know-how von "nicht-grünen" Quereinsteigern. "Noch immer haben wir in der grünen Branche zu viele Ideologen und zu wenige echte Experten", urteilt Karl Reinhard Kolmsee von Smart Hydro Power. Seine Geschäfte mit den Wasserkraftwerken für jedermann laufen so gut, dass das Unternehmen wächst und Jobs bietet. "Ich würde sofort einen Fachmann aus der Auto- oder Stahlindustrie einstellen", sagt Kolmsee, "aus Branchen, in denen auf Heller und Pfennig gerechnet wird." Der grüne Gründer weiß: Die Welt rettet nur, wer auch zu wirtschaften versteht.

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