Karriere mit Behinderung:Behinderung ist keine Verhinderung

Lina Kotschedoff

Lina Kotschedoff hat eine starke Sehbehinderung - am Arbeitsplatz bei den Düsseldorfer Stadtwerken merkt ihr das jedoch kaum jemand an.

(Foto: Volker Wiciok)

Das zeigt die Karriere von Lina Kotschedoff. Sehen muss sie in ihrem Job fast nichts - auch dank neuer Technik.

Von Felicitas Wilke

Wenn Lina Kotschedoff morgens ins Büro kommt, fährt sie zuallererst ihren PC hoch und weckt Jannik. Jannik ist so etwas wie ihr wichtigster Kollege, obwohl er nicht mehr kann als Vorlesen. Die Männerstimme Jannik ist Teil einer Software, ohne die Kotschedoff "hilflos" wäre, wie sie sagt. Die Betriebswirtin hat progressive Zapfen- Stäbchen-Dystrophie, eine erblich bedingte Netzhautstörung, die bewirkt, dass ihre Sehkraft nur bei fünf Prozent liegt. Symbole und Schriften auf dem Bildschirm muss sie acht- bis vierzehnfach vergrößern, damit sie etwas erkennen kann. Deshalb lässt sich die 34-Jährige E-Mails und Dokumente von Jannik vorlesen.

Bei ihrer Arbeit in der Entwicklungsabteilung der Stadtwerke Düsseldorf stört sie das kaum - im Gegenteil: Zu ihrem Job gehört es, sich neue Geschäftsmodelle auszudenken. Das trifft sich gut. Denn die Gabe, innovativ Probleme zu lösen, gibt es zu einer Behinderung dazu. Wer wie Kotschedoff mit einer körperlichen Einschränkung aufwächst, lernt früh, im Alltag zu improvisieren und auch ohne scharfe Sicht von A nach B zu kommen.

Dass sie das kann, hat Kotschedoff oft bewiesen: als sie an einer Regelschule Abitur gemacht hat, lange bevor diese sich der Inklusion stellen mussten, als sie sich später im Haifischbecken einer Elite-Hochschule durchgebissen hat und als sie es wagte, fast blind auf Weltreise zu gehen. Geholfen hat ihr das Motto ihrer Mutter: "Behinderung ist keine Verhinderung."

Viele Arbeitgeber sehen das bisher allerdings anders. Menschen mit Behinderung tun sich - trotz Software wie Jannik - bis heute schwerer als Menschen ohne Handicap, einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden. Den Unternehmen fehle der Mut und das nötige Wissen, um Menschen wie sie einzustellen, sagt Kotschedoff. "Ich glaube, vielen Arbeitgebern ist gar nicht klar, dass sich der Aufwand für sie sehr in Grenzen hält." Und natürlich gibt es noch immer viele Vorurteile. Kotschedoff hat dagegen eine erfolgreiche Strategie entwickelt: Sie ist überraschend ehrlich.

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