Karriere in der Finanzbranche:Asien ruft

Von Singapur bis Shanghai suchen Geldhäuser händeringend nach Führungskräften. Wer dort arbeiten will, muss sich jedoch mit ein paar kulturellen Besonderheiten arrangieren.

Marcel Grzanna

Mit Stäbchen essen, Visitenkarten beidhändig übergeben und sich in unerträglich vollen U-Bahnen drängeln: Wer im Finanzsektor Karriere machen will, der sollte sich überlegen, ob er sich mit diesen Kleinigkeiten arrangieren will. Denn vielleicht winkt ihm oder ihr in Asien die Chance des Lebens. Die Finanzbranche expandiert von Peking bis nach Singapur, weil die Region boomt. Während die Industrienationen die Angst vor steigender Arbeitslosigkeit plagt, herrscht in den asiatischen Schwellenländern Zuversicht.

Personal schiebt Fahrgäste in Tokioter U-Bahn

Überfüllte U-Bahnen sind nur eine Sache, an die sich Arbeitnehmer in Asien gewöhnen müssen.

(Foto: dpa)

Besonders China wird mit seinem starken Wachstum in den kommenden Jahren an Bedeutung für den Sektor gewinnen. So will der Finanzdienstleister Pricewaterhouse Cooper die Zahl seiner Angestellten in der Volksrepublik bis 2015 auf 20.000 verdoppeln. Die Citigroup hat angekündigt, in den kommenden drei Jahren ihre Präsenz in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt auf mehr als 100 Filialen zu verdreifachen und insgesamt 12.000 Arbeitsplätze im Land anzubieten.

"So rasant wie die Branche in China zulegt, bieten sich hier für junge Talente gute Gelegenheiten, in ihrem Beruf schneller vorwärts zu kommen als im Westen", sagt Rhonda Gutenberg von Mercer Consulting in Shanghai. Die Citigroup will in Peking laut einem Bericht der staatlichen Volkszeitung einen Büroturm von 500 Metern Höhe bauen. Es wäre das höchste Gebäude in der Hauptstadt. Kürzlich ersteigerte die Bank das nötige Grundstück für 6,3 Millionen Yuan, rund 700.000 Euro.

Auch in Hongkong, Taiwan und Macau will die US-Bank wachsen. Kürzlich meldete auch die Royal Bank of Canada, dass sie in Hongkong 100 neue Arbeitsplätze ausschreibt. Der Boom zeichnet sich seit Jahren ab, und Hongkong erweist sich als Vorläufer der Welle. Seit 2003 ist dort die Zahl an Angestellten in der Finanzbranche um rund 30 Prozent auf knapp 200.000 geklettert. "Qualifizierte Angestellte werden händeringend auf allen Ebenen gesucht, besonders auch für die Führungspositionen", sagt Gutenberg. Ausländer seien dabei weiterhin sehr gefragt. Zwar bemühen sich die Firmen um lokale Arbeitskräfte, doch deren Fähigkeiten würden zu häufig die hohen Ansprüche noch nicht erfüllen, weswegen vor allem die hochrangigen Posten gerne mit Bewerbern aus dem Westen besetzt werden.

Selbstbewusste Bewerber

Auch Tim Hird von Robert Half Consultancy in Singapur erwartet eine Knappheit an geeigneten Kandidaten in der gesamten Region. Für die Firmen wird es entsprechend schwieriger, gute Leute zu halten. "Unter diesen Voraussetzungen werden die Unternehmen sich 2011 darauf konzentrieren, sich sorgfältig um ihre Talente zu kümmern und ihnen Perspektiven zu bieten", so Hird. Für junge Arbeitnehmer aus dem Westen scheint jetzt also der richtige Zeitpunkt für einen Umzug nach Asien zu sein.

Der Finanzsektor bekommt den Arbeitskräftemangel und das daraus resultierende gewachsene Selbstbewusstsein der Bewerber bereits zu spüren. Im jüngsten Hudson-Report, der sich vierteljährlich mit der Situation auf dem asiatischen Arbeitsmarkt befasst, haben 66 Prozent der Befragten aus der Branche geschönte Gehaltsangaben ihrer Jobkandidaten im Laufe der Bewerbungsverfahren festgestellt. "Die Bewerber tendieren zur Übertreibung bei Angaben zu ihrem bisherigen Gehaltsniveau, um ihre Verhandlungsposition zu stärken", heißt es in dem Papier. Wie groß die Jobmöglichkeiten tatsächlich sind, zeigt eine andere Zahl. Die Fluktuationsrate bei Angestellten im Finanzsektor beträgt laut Hudson ebenfalls 66 Prozent und liege damit deutlich über dem Durchschnitt der anderen untersuchten Branchen.

Die Expansion des Finanzsektors ist eine Folge der robusten Wachstumszahlen in der Region. Die kaufkräftige Mittelschicht wird größer, die Einkommen steigen. Die Nachfrage nach Investment-Produkten nimmt besonders in der Volksrepublik China zu, weil der überhitzte Immobilienmarkt inzwischen mehr und mehr Leute abschreckt. Zudem verspricht die Zukunft der Landeswährung Renminbi goldene Zeiten, denn eine starke Aufwertung des Yuan binnen der kommenden Jahre gilt als sehr wahrscheinlich. Wer jetzt klug anlegt, kann in zehn Jahren große Gewinne einsammeln, hoffen die Investoren.

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