Karriere im Direktvertrieb:Heimarbeit mit Häppchen

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Flexible Arbeitszeiten, große Selbständigkeit, gute Aufstiegsmöglichkeiten: Jobs im Direktvertrieb haben mittlerweile einen viel besseren Ruf als noch vor ein paar Jahren. Vor allem Frauen schätzen das.

Svaantje Schröder

Die Deutschen sind in Konsumlaune. Das gilt auch für eine besondere Form des Kaufens, das Shoppen im Direktvertrieb. Laut Bundesverband Direktvertrieb Deutschland (BDD) erzielten die 29 Unternehmen, die der Verband vertritt, im vergangenen Jahr einen Umsatz von 1,2 Milliarden Euro. Die Branche hat sogar mit einem leichten Zuwachs die Wirtschaftskrise gemeistert.

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Der Trick: Direktvertrieb verpflichtet. Keine Tupperparty, keine Kochvorführung, kein Schminkabend, an dem nichts verkauft wird. Die Partygäste sind in der Regel Freundinnen der Gastgeberin, also jener Person, die Häppchen und Räumlichkeiten für den direkten Verkauf zur Verfügung stellt. Die Gäste fühlen sich verpflichtet, etwas bei der Beraterin zu kaufen. Denn je höher der Gesamtumsatz der Teilnehmer, desto größer der Gewinn der Gastgeberin. Von dieser Instrumentalisierung des privaten Umfelds profitieren viele Direktvertriebler.

BDD-Geschäftsführer Jochen Clausnitzer ist sich dessen bewusst. Die Branche genieße aber mittlerweile einen viel besseren Ruf als noch vor ein paar Jahren. "Damit sich unsere Mitgliedsunternehmen von unseriösen Anbietern in der Branche abgrenzen, haben sie sich freiwillig zur Einhaltung eines Verhaltenskodexes verpflichtet", sagt Clausnitzer. Dieser besagt unter anderem, dass sich Beraterinnen unaufdringlich verhalten sollen und ihre Kunden nicht mit Vorteilen locken dürfen, die zum Kauf verpflichten.

Zudem beweist der Direktvertrieb Vorzeigecharakter auf einem Feld, in dem nahezu alle wirtschaftsstarken Branchen Nachholbedarf haben: Frauen in Führungspositionen. Im Direktvertrieb sind knapp 80 Prozent der Führungskräfte weiblich, ergab die jüngste Mitgliederbefragung des BDD. Wer Verantwortung für mindestens zehn Mitarbeiter übernimmt, gilt in dieser Erhebung als Führungskraft. "Der Anteil von Frauen in Führungspositionen ist auch deshalb so hoch, weil die Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Direktvertrieb besonders gut gelingt", sagt Clausnitzer.

Auch Silvia Correia profitiert von dem Modell, das der Direktvertrieb bietet. Sie ist hauptberuflich als Krankenschwester tätig. Als sie vor 15 Jahren ihre Heimat Portugal verließ, erhoffte sie sich mehr von ihrem Beruf als kräftezehrende Schichtarbeit und schlechte Bezahlung. "Beides ist mit der Familie kaum zu vereinbaren", sagt die zweifache Mutter.

Correias jüngste Tochter Letizia ist acht Monate alt und lacht ihre Mutter aus dem Kinderwagen an. Silvia Correia sieht müde aus. Der Schichtdienst und die Betreuung zweier Kleinkinder nagen an ihr. Doch wenn die 34-Jährige von ihrem Nebenjob spricht, glänzen ihre Augen, als sei es ein Hobby. "Ich arbeite, wann ich will, wie oft ich will und ohne Vorgesetzten. Diese Unabhängigkeit ist mir sehr wichtig." Sie veranstaltet für den Kosmetikhersteller Avon Make-up- und Hautpflege-Partys. In kleiner Frauenrunde und bei einem Glas Sekt führt sie Haut- und Typberatungen durch.

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Firmen im Direktvertrieb werben mit schnellen Aufstiegsmöglichkeiten. Clausnitzer sieht darin einen der Hauptgründe, warum der Direktvertrieb für Frauen so attraktiv ist. "Es gibt viele Geschichten von Frauen, die mehrere Kinder großgezogen und trotzdem eine tolle Karriere gemacht haben", sagt er. Correia beispielsweise ist seit vier Jahren Beraterin und wurde schon nach sechs Monaten zur Gruppenleiterin befördert.

Sie verdient seither nicht nur besser, sie trägt auch Führungsverantwortung für andere Beraterinnen. Statt der Anfänger-Provision von 25 Prozent bekommt sie nun 40 Prozent des Erlöses der von ihr verkauften Kosmetikartikel. Das kann sich lohnen. Schließlich werden bei einer erfolgreichen Party Produkte im Wert von mehreren hundert Euro an die Frau gebracht. "Oft ist mein Job mit einem lustigen Mädelsabend unter Freundinnen vergleichbar", sagt Correia. Die bestellten Kosmetika bringt sie nach den Partys persönlich bei ihren Kundinnen vorbei. "Ich möchte so meinen Kundenstamm ausbauen, damit ich in Zukunft hauptberuflich als Beraterin arbeiten kann."

Dieses Ziel hat Petra Zwanzig bereits erreicht. Mehr noch, sie gründete vor zwölf Jahren ihr eigenes Unternehmen Dildofee, das Erotikartikel für Frauen direkt vertreibt. "Ich habe damals mit einem Startkapital von tausend Mark Erotikspielzeug für Frauen gekauft und mit ein paar Flaschen Sekt und 20 Frauen eine sogenannte Dildofee-Party veranstaltet." Die Frauen seien begeistert gewesen, im intimen Rahmen einer Privatwohnung über Erotikartikel zu sprechen, sie anzufassen und "ihren sexuellen Horizont zu erweitern", sagt sie.

Heute führt die 43-Jährige einen mittelständischen Betrieb, der im vergangenen Jahr einen Umsatz von zwölf Millionen Euro erwirtschaftete und 2250 Mitarbeiterinnen beschäftigt. Sie ist eine von vielen Frauen, die es im Direktvertrieb nach ganz oben geschafft haben.

© SZ vom 28.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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