Karriere-Coach im Interview:Druck von oben, Druck von unten

Führungskräfte in mittlerer Position klagen über Stress. Ein Karriere-Coach erklärt, wie sie sich zwischen Chefs und Untergebenen besser einrichten.

C. Demmer

Als Führungskraft im mittleren Management hat man die Aufgabe, die von der Unternehmensleitung vorgegebenen strategischen Ziele in operative Prozesse für die untere Ebene zu übersetzen. Zwischen diesen beiden Polen fühlen sich viele eingeengt: Der Vorgesetzte baut Druck auf, und die Mitarbeiter klagen über hohe Belastung und Ressourcenmangel. Coach Alexander Groth aus Frankfurt erklärt, wie man sich aus dieser Klemme befreit.

Mittleres Management Druck Chef Kollegen, iStock

Das Leiden in der Sandwich-Position: Von oben drängt der Chef, von unten meckern die Kollegen.

(Foto: Foto: iStock)

SZ: Wohin sollte man als Manager auf der mittleren Ebene schauen: nach oben, unten oder seitwärts, zu den Kollegen?

Alexander Groth: Der wichtigste Blick ist wohl immer der nach oben. Die Kunst besteht aber darin, in alle drei Richtungen zu schauen und noch dazu sich selbst als Person zu führen.

SZ: Wie schafft man das, ohne sich zu vierteilen?

Groth: Vor allem braucht man das nötige Know-how. Die meisten Führungskräfte wissen nicht, wie man schwierige Managerkollegen oder den eigenen Chef führt. Zusätzlich braucht es Zeit für Reflexion und eine Strategie.

SZ: Die vorgegebenen Ziele sind nicht selten unrealistisch. Muss man sie trotzdem seinen Mitarbeitern "verkaufen"?

Groth: Unrealistische Ziele demotivieren. Die Führungskraft muss die Vorgaben zwar offiziell kommunizieren, sie kann den Mitarbeitern aber zugleich realistische Zwischenziele setzen.

SZ: Angenommen, oberhalb des Mittelmanagers ballt sich die personifizierte Inkompetenz. Wie stehen die Chancen, den Chef im Schulterschluss mit dem eigenen Team abschießen zu können?

Groth: Die Chance geht gegen null. Vorher schießt er nämlich Sie ab. Der einzige Manager, den ich kenne, der das geschafft hat, war danach nicht mehr besonders beliebt im Unternehmen. Kein Topmanager will einen Königsmörder in seiner Abteilung haben.

SZ: Dann bleibt also nur: Karriere machen und soll schnell wie möglich raus aus der Mitte?

Groth: Der durchschnittliche mittlere Manager ist schon länger als fünf Jahre in dieser Position, manche bereits mehr als 20 Jahre. Viele kommen nicht ins obere Management. Sie müssen also lernen, mit der Sandwich-Position umzugehen.

SZ: Betrachten sich Manager in der Sandwich-Position deshalb so häufig als Opfer der Umstände?

Druck von oben, Druck von unten

Groth: Die Opferrolle ist mit Abstand die schlechteste Rolle, die man einnehmen kann, weil sie lähmt und nach allen Seiten die Wirkung nimmt. Eines ist sicher: Sie werden Ihren Chef nicht ändern. Treffen Sie also eine Entscheidung. Entweder Sie akzeptieren ihn mit all seinen Stärken und Schwächen und konzentrieren sich auf Ihren Job, oder Sie suchen sich einen neuen. Das sollte man sich aber gut überlegen. Es gibt keinen perfekten Mitarbeiter, und es gibt auch keinen perfekten Chef.

SZ: Wissen die obersten Heeresleitungen eigentlich, welche Bürde ihre Bereichs-, Abteilungs- und Teamleiter zu schultern haben?

Groth: Nur zum Teil, aber das ist vielen Topmanagern egal. An sie werden meist noch höhere Anforderungen gestellt. Der Wind in den oberen Etagen ist rau. Hier zählt fast nur noch die Zielorientierung. Eine Studie hat gezeigt, dass die emotionale Intelligenz, also die Fähigkeit sich in andere einzufühlen, bis zum mittleren Management zu- und nach oben wieder abnimmt.

SZ: Woran lässt sich das in der Praxis erkennen?

Groth: Mittlere Manager sind im Vergleich zum Spitzenmanagement deutlich personenorientierter. Sie müssen ihre Teamleiter und Mitarbeiter erst einmal für Neuerungen gewinnen, sonst macht keiner mit. Ein Topmanager setzt diese Bereitschaft bei einem mittleren Manager mit einem sechsstelligen Gehalt einfach voraus. Der Prozess des emotionalen Abholens wird da oft durch eine kalte Anordnung ersetzt. Dass man selbst völlig anders geführt wird als man die eigenen Mitarbeiter führen muss, ist eine Situation, die viele mittlere Manager herausfordert.

SZ: Und was empfehlen Sie den gebeutelten mittleren Managern?

Groth: Dem legendären Reformer Papst Johannes XXIII soll im Traum ein Engel erschienen sein, als dieser sich von den Lasten des neuem Amtes erdrückt fühlte und kaum noch schlafen konnte. Der Engel sagte zu ihm die heilenden Worte: "Giovanni, nimm dich nicht so wichtig..." Das tat er und wurde einer der besten Päpste aller Zeiten.

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