Karriere-Absolventen:Freunde bis ganz oben

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Bernd Pischetsrieder hat dort studiert, Wolfgang Reitzle auch: Absolventen der TU München profitieren von ihrem Netzwerk.

Caspar Busse

Norbert Reithofer hat der Technischen Universität München viel zu verdanken. Der neue BMW-Chef, der die Führung des bayerischen Autobauers Anfang September übernehmen wird, genoss hier nicht nur eine gute Ausbildung - er knüpfte vor allem wichtige Kontakte, die ihm bis heute bei seiner Karriere helfen. 1978 begann der Oberbayer aus Penzberg hier das Studium der Fertigungstechnik und der Betriebswirtschaft. Danach heuerte er als Assistent an und promovierte. Sein damaliger Doktorvater ist heute Aufsichtsratschef bei BMW: Und so machte Joachim Milberg Reithofer am Donnerstag in der Aufsichtsratssitzung zum neuen Chef des Autokonzerns.

Campus für die Manager von morgen? Die TU und ihre Studierenden profitieren von ihren erfolgreichen Absolventen. (Foto: Foto: oh)

Man kennt sich und man schätzt sich. Kaum eine andere deutsche Hochschule hat so viele erfolgreiche Manager hervorgebracht - vor allem Ingenieure. In München studierten die amtierenden Vorstandsvorsitzenden von vier großen Dax-Unternehmen: Neben Reithofer Bernd Pischetsrieder (Volkswagen), Wolfgang Ziebart (Infineon) und Wolfgang Reitzle (Linde). Auch GM-Europa-Chef Carl-Peter Forster studierte hier Luft- und Raumfahrttechnik. Milberg selbst war lange Professor für Maschinenbau, bevor er bei BMW erst zum Konzernchef aufstieg und dann Chefaufseher wurde. "Die Hochschule registriert das nicht ohne Stolz", sagt Dieter Heinrichsen, Sprecher von Universitätspräsident Wolfgang Herrmann. Noch wichtiger: Fast alle halten der Universität weiter die Treue: Reitzle etwa hat noch heute hier eine Honorarprofessur, Pischetsrieder ist Mitglied im Hochschulrat.

Die meisten der Karriere-Absolventen begannen ihre Laufbahn nach der Universität bei BMW. Doch der Autokonzern kann es sich offenbar leisten, viele der besten Leute ziehen zu lassen. Pischetsrieder und Reitzle mussten im Februar 1999 angesichts des Debakels mit dem britischen Autohersteller Rover gehen. Pischetsrieder stieg bei Volkswagen auf, Reitzle machte Karriere bei Linde. Beide gelten als gute Techniker. Nur ein Jahr später gab es erneut prominente Abgänge: Ziebart wechselte erst zum Autozulieferer Conti und dann zum Chipkonzern Infineon. Forster ging zu GM.

Der Erfolg der Absolventen basiert nach der Ansicht von Experten vor allem auf den engen Kontakten zur Industrie. Berührungsängste gibt es nicht. Was andere Universitäten scheuen, wird hier praktiziert - eine enge Kooperation zwischen Unternehmen und Hochschullehre. Vor allem BMW ist dabei federführend, aber auch andere Großunternehmen wie Siemens oder die HypoVereinsbank. Trotz Internet und globaler Vernetzung zählt offenbar auch die räumliche Nähe. Denn meistens sind es bayerische Konzerne, die sich engagieren.

Studenten absolvieren Praktika, BMW-Manager berichten als Lehrbeauftragte aus der wahren Unternehmenswelt. "BMW weiß genau, was sie hier für Leute bekommen", heißt es. "Die Kontakte sind vielfältig", ist aus der Universität zu hören. Immer wieder gibt es die Kritik, dass unter zu starker Industrienähe die Grundlagenforschung leidet. Doch die Universität hat auch international einen guten Ruf und bereits einige Nobelpreisträger hervorgebracht.

Große Kontaktbörse

Dreh- und Angelpunkt ist der Bund der Freunde der Technischen Universität München, der bereits 1922 gegründet wurde. Heute unterstützen 120 Firmen und 2000 Einzelmitglieder die Arbeit tatkräftig mit Geld und guten Kontakten. Als Adresse gibt der Bund der Freunde gleich BMW an, ein Vorstandskollege von Reithofer, Burkhard Göschel, ist Vorsitzender des Vereins.

Einmal im Jahr findet eine Mitgliederversammlung statt - zugleich eine große Kontaktbörse. Hier wird beispielsweise auch die beste Promotion ausgezeichnet. "Das ist fast schon ein gesellschaftliches Ereignis", berichten Teilnehmer. Die TU unterstützt die Arbeit, etwa mit einer eigenen Alumni-Informationszeitschrift.

1868 als Polytechnische Schule von König Ludwig II. gegründet, erhielt die Universität erst 1970 ihren heutigen Namen. Heute lernen hier ungefähr 19 700 Studenten, jeder Vierte kommt aus dem Ausland. Doch noch immer steht sie im Schatten der bekannteren und größeren Ludwig-Maximilians-Universität in München. "Die TU München ist Protagonist einer modernen Hochschule", lobt jedoch Henning Schulte-Noelle, langjähriger Chef der Allianz, weil die Universität auch Fremdmittel zur Finanzierung einwirbt. Das Ziel: Die Universität will sich selbst wie ein Unternehmen organisieren.

© SZ vom 22.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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