Kampf um den Studienplatz:Magna cum Chaos

Fast jede Hochschule lässt sich für Abiturienten mittlerweile eigene Aufnahmebedingungen einfallen. Die ZVS wird sich mit den Unis nicht einig - ein Anmelde-Chaos droht.

B. Taffertshofer

Wenn Abiturienten sich um einen Studienplatz bewerben, erleben sie heute oft ein Chaos. Fast jede Hochschule lässt sich mittlerweile eigene Aufnahmebedingungen einfallen: Mal zählt der Abi-Schnitt, mal nur die Noten in einzelnen Kernfächern, mal gibt es Aufnahmetests. Um sicherzugehen, dass sie am Ende nicht ohne Studienplatz dastehen, bewerben sich die meisten Studienanfänger an bis zu zehn Hochschulen gleichzeitig - was allerdings zu neuem Durcheinander in den Zulassungsbüros der einzelnen Hochschulen führt. Nicht selten bleiben Studienplätze frei oder können erst lange nach Semesterbeginn nachbesetzt werden, weil die Hochschulen nicht wissen, wo die Mehrfachbewerber letztlich ihr Studium beginnen.

Kampf um den Studienplatz: Überfüllter Hörsaal: Oft bleiben Studienplätze frei, weil die Unis nicht wissen, wo Mehrfachbewerber ihr Studium beginnen.

Überfüllter Hörsaal: Oft bleiben Studienplätze frei, weil die Unis nicht wissen, wo Mehrfachbewerber ihr Studium beginnen.

(Foto: Foto: dpa)

Eigentlich sollte bald alles besser werden, doch Studienbewerber und Hochschulen werden wohl auch im kommenden Wintersemester wieder vor einem Anmelde-Chaos stehen. Die Zentrale Vergabestelle für Studienplätze (ZVS) in Dortmund sollte es bis zum Herbst als neue "Servicestelle" beenden. Die Länder und die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) hatten im vergangenen Sommer nach jahrelangem Streit beschlossen, die ZVS solle künftig alle Bewerbungen für Fächer mit örtlicher Zulassungsbeschränkung sammeln. Nun kommt es aber zu einer weiteren Verzögerung.

Keine gemeinsame Datenbank

Derzeit vergibt die ZVS bundesweit nur noch Plätze für die Fächer Biologie, Medizin, Pharmazie, Psychologie, Tier- und Zahnmedizin. Für andere Fächer müssen sich die Bewerber an einzelnen Universitäten bewerben. Bei mehr als der Hälfte aller Studiengänge gibt es dabei Zulassungsbeschränkungen, wobei für viele Studiengänge nicht nur die Abiturnote zählt, sondern die Verfahren variieren stark. Die Hochschulen dürfen mittlerweile weitgehend selbständig Kriterien für die Zulassung aufstellen. Das soll auch so bleiben, doch die neue zentrale Servicestelle soll sich um den Abgleich der freien Plätze kümmern und eine Vorauswahl unter den Studienbewerbern treffen, um die Hochschulen von Mehrarbeit zu entlasten.

Schnell aber war klar, dass mit einer stabilen Datenbank, die einen Zugriff aller deutschen Hochschulen verkraftet, auf keinen Fall schnell zu rechnen ist. Die ZVS bot daher schon im vergangenen Wintersemester eine Übergangslösung an. Für eine Reihe von Fachhochschulen und Universitäten hat sie seitdem Bewerbungen entgegengenommen und die Studienplatzvergabe abgeglichen. Die geplante gemeinsame Datenbank fehlt aber bis heute.

"Dass es soweit gekommen ist, liegt weder an der HRK und an den Hochschulen noch an der Kultusministerkonferenz, sondern an der ZVS, die das von ihr selbst vorgelegte Übergangsverfahren nicht fristgerecht umsetzen konnte", rechtfertigte sich die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, Margret Wintermantel, an diesem Mittwoch in Berlin. Die ZVS wies die Schuld allerdings von sich. Die technischen Probleme bei der Weiterentwicklung des Service-Systems sei durch ständige Nachforderungen der Rektorenkonferenz entstanden.

Auf der nächsten Seite: Wie das modifizierte Modell der ZVS aussieht und warum die Hochschulen mit dem dezentralen Auswahlverfahren überfordert sind.

Magna cum Chaos

Verhaltene Reaktionen

Immerhin versprechen nun alle Beteiligten, dass die Verzögerung nicht zulasten der Studenten gehen soll. Die ZVS hat ein modifiziertes Modell vorgelegt. Sie plant eine Zusammenarbeit mit studienwahl.de, damit die Abiturienten künftig nicht mehr nur Bewerbungskriterien zentral abfragen können, sondern auch Informationen über alle Studienmöglichkeiten erhalten. "Das neue Beratungs- und Bewerbungsportal ist offen für alle Studienangebote", betonte der Sprecher der ZVS, Bernhard Scheer.

Die Reaktion der Hochschulrektorenkonferenz auf das Portal fiel dennoch verhalten aus. Sie empfiehlt den Hochschulen lediglich, "zu prüfen", ob sie das ",leicht modifizierte Verfahren nutzen können". Außerdem sollten die Hochschulen früher mit dem Nachrückverfahren und mit der Vermittlung der frei gebliebenen Studienplätze beginnen.

Viele Studienplätze bleiben unbesetzt

Die Vorsitzende des Bildungsausschusses im Bundestag, Ulla Burchardt (SPD), fordert stattdessen bundesweit einheitliche Zulassungsstandards. Dafür sprachen sich auch Grüne und Linke aus. Es sei nicht länger hinnehmbar, dass Jahr für Jahr Zehntausende Studienplätze in Mangelfächern unbesetzt blieben, weil sich die 16 Länder und die Rektoren nicht über ein "für alle Hochschulen verbindliches Nachrückverfahren verständigen können"', sagte die SPD-Politikerin. Sie verwies darauf, dass der Bund auch nach der Föderalismusreform von 2006 weiter für die Hochschulzulassung und für die Abschlüsse verantwortlich sei: "Von dieser Regelungskompetenz muss der Bund jetzt Gebrauch machen."

Die Hochschulen seien mit dem dezentralen Auswahlverfahren "offensichtlich überfordert", sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Ulrich Thöne. Es dürfe nicht jeder einzelnen Hochschule selbst überlassen bleiben, ob sie sich am zentralen Auswahlverfahren beteilige oder nicht. Angesichts des erwarteten Ansturms junger Menschen auf viel zu wenige Studienplätze sei das unverantwortlich. Schätzungen gehen davon aus, dass zehn bis 15 Prozent der Studienplätze mit örtlichen Zulassungsbeschränkungen am Ende unbesetzt bleiben.

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