Gehaltsverhandlung im Bewerbungsgespräch:"Bitte unter Angabe Ihrer Gehaltsvorstellungen"

Was bin ich wert? Die Frage nach den eigenen Gehaltsvorstellungen im Gespräch mit dem künftigen Chef verunsichert Bewerber - zu Unrecht. Wie sie die richtige Antwort finden und wann sie das Thema Geld auf keinen Fall ansprechen sollten.

Stephan Große

Marcel Wimmer (Name geändert) ist im Stress. Noch vorm Wochenende will der Politologe eine Bewerbung vollenden und per E-Mail versenden. Schließlich endet die Bewerbungsfrist für den Job als Politikberater bei einem großen Verband in wenigen Tagen. Doch jetzt ist er ins Stocken geraten. Schuld daran ist ein kleine Zeile am Ende der Stellenausschreibung: "Bitte bewerben Sie sich unter Angabe Ihrer Gehaltsvorstellung." Es ist das erste Mal, dass er sich mit dieser Frage beschäftigen muss. "Ich habe mir zwar einen Bewerbungs-Ratgeber gekauft, aber der hilft mir jetzt auch nicht viel weiter", sagt Wimmer.

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Wer weiß, was er wert ist, imponiert Arbeitgebern.

(Foto: dpa)

Bewerber landen immer wieder in derselben Zwickmühle: Fordert man zu wenig Gehalt vom neuen Arbeitgeber, verkauft man sich unter Wert. Ist die Gehaltsforderung zu hoch, ist die Absage schon so gut wie unterwegs. Selbst bei Bewerbungs-Experten gehen die Meinungen zur gefürchteten Gehaltsfrage weit auseinander.

Fest steht nur eines: "Wird nach den Gehaltsvorstellungen gefragt, darf man diese Frage auf keinen Fall ignorieren", sagt Jürgen Bühler, Sprecher und Personalberater bei Alma Mater. Die Stuttgarter Beratungsfirma hat sich auf Jobvermittlung und Coaching des akademischen Nachwuchses spezialisiert und veröffentlicht regelmäßig einen Gehaltsreport. Diese Statistik ist eine von vielen Möglichkeiten, an denen sich Berufseinsteiger wie Wimmer orientieren können.

Bei der Suche nach einer Antwort auf die Gehaltsfrage ist vor allem das Internet Gold wert. "Dort findet man regionale Aufschlüsselungen, die Zahlen sind aktuell, und auch Tarifverträge sind abrufbar", sagt Christian Püttjer, Autor zahlreicher Bewerbungs-Ratgeber. Bei den Gehaltstabellen von großen Unternehmensberatungen sei aber Vorsicht angebracht. "Für die sind solche Statistiken ein Marketing-Instrument, und die Angaben sind in der Regel zu hoch angesetzt", sagt Püttjer. Bessere Quellen sind Unternehmen, die gerade nach Bewerbern suchen, oder deren Konkurrenz. Oft stellen die Firmen Jobprofile ins Internet, bei denen einzelne Mitarbeiter exemplarisch für einen Geschäftsbereich vorgestellt werden. Meist steht dort auch ein Hinweis zum Gehalt.

Konkrete Zahlen zu nennen, ist ein Muss. "Gibt man eine Gehaltsspanne an, kann man davon ausgehen, dass die Verhandlungen am unteren Ende beginnen", sagt Püttjer. Die Angabe sollte keine zentrale Position im Bewerbungsanschreiben einnehmen, sondern kurz und knapp am Ende genannt werden.

Zu hoch darf die Gehaltsforderung auf keinen Fall sein. Denn Personalmanager der Unternehmen stellen die Frage nach dem Geld, um zu überprüfen, ob der Kandidat in das Gehaltsprofil des Unternehmens passt. "Auf dieser Basis unterbreiten wir einen Gehaltsvorschlag für die zu besetzende Stelle", sagt Gabriele Fluck, Leiterin des Personalmanagements bei Galeria-Kaufhof. Sind die Forderungen des Bewerbers zu hoch, spart sich das Unternehmen gleich die Reisekosten des Kandidaten zum Auswahlgespräch.

"Bitte unter Angabe Ihrer Gehaltsvorstellungen"

"Es gibt Bewerber, die wollen durch eine hohe Gehaltsforderung den starken Verhandlungspartner mimen", sagt Berater Bühler. Das ist aber nur in den seltensten Fällen angebracht. Um das Gehalt zu pokern, sollten sich nur hochqualifizierte Bewerber leisten, deren Zusatzqualifikationen ideal zu der ausgeschriebenen Stelle passen. In der Regel sind das nur Fachleute mit langer Berufserfahrung.

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(Foto: Foto: istockphoto)

Die Personaler können anhand der Gehaltsvorstellungen so einiges über den Kandidaten herausfinden. "Besonders bei Berufseinsteigern sagt der Gehaltswunsch etwas darüber aus, wie intensiv sich der Bewerber für die Stelle interessiert und wie seine Selbsteinschätzung ist", sagt Alexandra Retzlaff, die bei der Personalberatungsfirma HR Factory Bewerber coacht und Headhunting für verschiedene internationale Konzerne betreibt. Wer eine passende Antwort gibt, hat sich offensichtlich Gedanken und Mühe gemacht - und das gefällt dem potentiellen Chef.

Möchte man trotz gründlicher Recherche keinen konkreten Gehaltswunsch äußern, kann man die Frage zur Not elegant umschiffen: "Meine Gehaltsvorstellungen messen sich an meinem momentanen Gehalt", ist eine Formel, mit der man sich nicht festlegt.

Wer sich sein Wunschgehalt zusammenrechnet, sollte an alles denken. Das gilt besonders für diejenigen, die sich aus einer Festanstellung auf eine neue Stelle bewerben. "Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, das 13. Gehalt und alle Zusatzleistungen, die man an seiner alten Arbeitsstelle bekommen hat, sollten berücksichtigt werden", rät Ratgeberautor Püttjer. Ist der neue Arbeitsplatz in einer anderen Region, ist auch das dortige Mietniveau von Bedeutung. Generell ist mit einem Arbeitsplatzwechsel eine Aufbesserung der Einkünfte möglich. "15 bis 20 Prozent mehr Gehalt sind drin, aber kein Muss", sagt Püttjer.

Die Gehaltsfrage selber auf den Tisch zu bringen, ist streng verboten. Das gilt besonders für das Vorstellungsgespräch. Nur in extremen Fällen, wenn selbst bei einem zweiten Gespräch das Gehalt noch nicht zur Sprache gekommen ist, sollte der Job-Kandidat die Initiative ergreifen: "Wenn man erst bei den endgültigen Vertragsverhandlungen über das Gehalt spricht, sind zu viele Leute beteiligt", sagt Püttjer. Dann wird es schwer, noch an der Gehaltsschraube zu drehen.

Wird der Gehaltswunsch im Gespräch strikt abgelehnt, sollte man sich vorher eine Taktik zurechtgelegt haben. "In diesem Fall kann man sich zunächst stur stellen und erneut seine Qualifikationen für den Job aufzählen", rät Püttjer. Sollte der Arbeitgeber erneut reserviert reagieren, ist auch ein zweites Mal Sturheit erlaubt. Dann sollte der Bewerber das Gespräch auf variable Bestandteile des Gehalts lenken, wie zum Beispiel Sonderzahlungen, Dienstwagen oder Übernahme von Telefonkosten. In vielen Fällen ist es einfacher, solche Vereinbarungen zu treffen, als ein höheres monatliches Fixgehalt zu bekommen. "Erst wenn dann erneut eine Absage kommt, sollte man Verständnis zeigen und sich Bedenkzeit erbeten", sagt Püttjer.

Der angehende Politikberater Wimmer hat nach einigem Grübeln eine ganz andere Lösung für sein Problem mit der Gehaltsfrage gefunden. Ein ehemaliger Studienfreund hat bereits eine ähnliche Stelle. Von ihm hat er brauchbare Hintergrundinformationen zum Gehaltsniveau in der Branche bekommen. "Noch habe ich zwar keine Antwort auf meine Bewerbung", sagt er, "aber an der Frage nach meinem Wunschgehalt dürfte die Sache nicht scheitern."

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