Job:Wie verschaffe ich mir als Führungskraft Respekt?

Der Chef von Daniela C. untergräbt ständig ihre Führungsrolle. Nun bittet sie den SZ-Jobcoach um Rat.

SZ-Leserin Daniela C. fragt:

Seit zehn Jahren führe ich ein Team von sechs hochgradig spezialisierten Ingenieuren, denen ich viel Verantwortung und Entscheidungsvollmacht übertrage. Das Klima im Team ist kollegial und offen. Bei neuen Aufträgen teilen sich meine Mitarbeiter entsprechend ihrer Fähigkeiten und freien Kapazitäten die Aufgabenpakete untereinander auf. Eingreifen muss ich nur in seltenen, kritischen Situationen. Meine Führungsaufgabe sehe ich in der persönlichen und fachlichen Entwicklung meiner Mitarbeiter mit der Zielstellung, weiterhin Spitzenleistungen zu erbringen.

Seit einem Jahr habe ich einen neuen Vorgesetzten, der meinen Führungsstil nicht gutheißt und sich in meinen Verantwortungsbereich einmischt, indem er einigen meiner Mitarbeiter Aufgaben zuweist und im Detail vorgibt, wie die einzelnen Arbeitsschritte auszusehen haben und anhand welcher Kennzahlen er die individuellen Arbeitsergebnisse überprüfen wird. Meine Mitarbeiter reagieren irritiert und verunsichert, die ersten nehmen sich in ihrem Engagement und ihrer Eigeninitiative zurück. Ich bin wütend, dass mein Chef Grenzen überschreitet. Wie verschaffe ich mir Respekt und verhindere, dass er die Motivation meiner Leute untergräbt?

Georg Kaiser antwortet:

Liebe Frau C., um eine offene Auseinandersetzung kommen Sie nicht herum. Doch die will auf verschiedenen Ebenen gut vorbereitet sein. Ihr stärkstes Argument liegt in den Erfolgen Ihres Teams. Die besten Kennzahlen sind überdurchschnittliche Ergebnisse. Wenn Ihr Team die seit Jahren liefert, sind das Leistungen, mit denen Sie punkten können. Allerdings in einer Sprache und in Argumentationslinien, die Ihren neuen Chef überzeugen. Widerstehen Sie der Versuchung, ihn von Ihrem Führungsstil überzeugen zu wollen. Wer kleinteilig kontrollieren will, betrachtet Vertrauensvorschuss und umfassende Delegation nicht als Chance oder gar Wettbewerbsvorteil, sondern als hochgradige Gefahrenquellen, die es durch klar definierte und durch Kennzahlen zu überprüfende Prozesse in Schach zu halten gilt. Je engagierter Sie emotional in die Auseinandersetzung einsteigen, umso mehr wird er überzeugt sein, selbst eingreifen und steuern zu müssen.

Der SZ-Jobcoach

Georg Kaiser unterstützt Führungskräfte bei Konflikten im Arbeitsalltag und der Entwicklung ihres Personals. Er arbeitet als Wirtschaftsmediator, Managementtrainer, Coach und Gestalttherapeut in Bremen.

Gewinnen Sie also zunächst emotional Abstand. Solange Sie entrüstet und wütend sind, wird ihnen das als mangelnde Souveränität ausgelegt. Nehmen Sie sein Kontrollverhalten nicht persönlich - auch dann nicht, wenn es Sie beeinträchtigt. Er agiert nicht gegen Sie, sondern für die besten Ergebnisse und wie sie nach seinem Dafürhalten erzielt werden. Dabei legt er Wert auf klar geregelte und überprüfbare Vorgehensweisen.

Diese Regeltreue können Sie sich zunutze machen: Definieren Sie mit ihm zusammen die Grenzlinien der Entscheidungsvollmachten. Wo beginnt Ihre und endet seine? Weisen Sie darauf hin, dass eine klare Regelung gerade angesichts der unterschiedlichen Führungsstile erforderlich ist, da Ihre Mitarbeiter auf divergierende Erwartungshaltungen ihrer Vorgesetzten verunsichert reagieren und sich das bereits negativ auf ihre Leistungsbilanz auszuwirken beginnt.

Erarbeiten Sie mit Ihrem Chef eine Vereinbarung über Leistungen, die Ihr Team erbringen wird und übernehmen Sie die Verantwortung, dafür zu sorgen, dass diese Leistungen erbracht werden. Bestehen Sie gleichzeitig darauf, dass es Ihnen und dem Team überlassen wird, auf welchem Weg dieses Ziel erreicht wird. Wenn es ihm schwerfällt, sich darauf einzulassen, lassen Sie das Ganze als einjähriges Modellprojekt laufen, das Sie im Anschluss gemeinsam mit ihm auswerten werden. Sind Sie erfolgreich, verdienen Sie sich den Respekt Ihres Vorgesetzten und veranlassen ihn eventuell, seinen Führungsstil zu reflektieren oder zumindest auch andere Wege als den eigenen zuzulassen.

Sollte sich Ihr neuer Vorgesetzter als sehr unflexibel erweisen und auch nach einiger Zeit der Zusammenarbeit nur seine Sicht der Dinge zulassen, stehen Sie vor den Alternativen, sich seinem Führungsstil anzupassen (in Ihrem Fall eine ganz schlechte Wahl!), sich nach einem neuen Tätigkeitsfeld umzusehen oder auf institutionellen Wegen Ihren Chef zu Veränderungen seiner Haltung und seines Verhaltens zu bewegen. Letzteres verlangt eine gut ausgearbeitete und auf mittelfristige Zielerreichung orientierte Strategie. Und Sie brauchen Verbündete.

Fangen Sie bereits jetzt damit an, im Kollegenkreis entsprechende Netzwerke aufzubauen. Sie können auch erste strategische Schritte planen. Lassen Sie sich mit der Umsetzung allerdings Zeit. Zu früher Widerstand wird als Rebellion ausgelegt. Ich wünsche Ihnen, dass die Unstimmigkeiten bilateral gelöst werden können und auf institutioneller Ebene geführte Machtkämpfe ausbleiben.

Ihre Frage an den SZ-Jobcoach

Haben Sie auch eine Frage zu Berufswahl, Bewerbung, Etikette oder Arbeitsrecht? Dann schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de. Unsere Experten beantworten ausgewählte Fragen. Ihr Brief wird anonymisiert.

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