Arbeitsrecht:Mysterium Personalakte

Krankheitsgründe sind tabu: Was in die Personalakte gehört

Öffentlich zugänglich dürfen sie auf keinen Fall sein: Personalakten.

(Foto: dpa)

Immer mehr Firmen verwalten die Mitarbeiterakten elektronisch. Aber was gehört hinein? Und wie lange darf man die Daten speichern?

Von Martin Scheele

Es erinnert an die Beziehung eines Kunden zu seinem Bankschließfach. Der Bankmitarbeiter sperrt das Depot auf, entfernt sich diskret, der Kunde prüft, was das Schließfach zu bieten hat. So in etwa ist das heute mit Personalakten von Unternehmen. Nur dass immer mehr Firmen die Datenbestände ihrer Angestellten digital speichern. Statt in einen Keller hinabzusteigen und dort staubige Ordner zu durchwühlen, bekommen Mitarbeiter einen Zugang zu ihrer digitalen Akte für einen begrenzten Zeitraum.

Etwa 85 Prozent der Unternehmen in Deutschland gehen mittlerweile so vor, heißt es in der Studie des HR-Software-Monitors der Zeitschrift Personalmagazin vom vergangenen Oktober. Der Trend ist eindeutig: Lag die Quote 2013 bereits bei 40 Prozent, sollen laut Prognose bis 2020 fast 100 Prozent der Unternehmen komplett umgestellt haben. Doch was ist mit dem Datenschutz der Arbeitnehmer - in Zeiten von Digitalisierung und Big Data?

Arbeitsrechtler sehen die Entwicklung zweischneidig. "Die Dokumente werden durch die Digitalisierung schneller und für mehrere Benutzer ortsunabhängig verfügbar, platz- sowie kostensparend und systematisch übersichtlich verwaltet und sind vor dem Zugriff unberechtigter Personen besser geschützt", sagt Frank-Karl Heuchemer, Arbeitsrechtsanwalt bei White & Case. Der Umgang mit Personalakten werde also effizienter. Zugleich entstünden durch den unmittelbaren und gegebenenfalls weltweiten Zugriff auf die Personalakte und die vielfältigen Verknüpfungsmöglichkeiten Risiken, die noch nicht abzuschätzen seien.

Dabei ist vieles, was die Personalakte angeht, bereits durch Gesetze oder Gerichtsurteile geregelt worden. So ist jeder Angestellte berechtigt, jederzeit und ohne besonderen Anlass, Einsicht in die Personalakte zu nehmen. Es ist auch erlaubt, Notizen und Kopien über den Akteninhalt anzufertigen. Das Einsichtsrecht besteht außerdem nicht nur für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, sondern auch nach der Beendigung. "Grundsätzlich gilt auch am Arbeitsplatz das Recht auf die Privatsphäre und informative Selbstbestimmung. Dennoch darf der Arbeitgeber Daten erheben und speichern", sagt Heuchemer.

Üblicherweise finden sich in der Personalakte Bewerbungsunterlagen, der Arbeitsvertrag, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sowie Urlaubsanträge und Urlaubsbewilligungen. Hinzu kommen Beurteilungen, Zeugnisse, Referenzen, Lohn- und Gehaltsänderungen und - falls gegeben Ermahnungen und Abmahnungen.

Arbeitnehmer haben ein Recht auf Vergessen

Gerade bei Abmahnungen sind naturgemäß die betroffenen Arbeitnehmer interessiert, dass diese schnellstmöglich getilgt werden. Hierbei gilt der Grundsatz, dass diese nicht mehr in die Personalakte gehören, wenn das durch die Abmahnung gerügte Verhalten für das Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht rechtlich bedeutungslos geworden ist. Bei nicht schwerwiegenden Vertragsverletzungen gilt ein Zeitraum von zweieinhalb Jahren.

Auch andere sensible Daten, wie etwa den Gesundheitszustand betreffend, kann die Personalakte enthalten, wie Rechtsanwalt Jan Peter Schiller von der Kanzlei CMS Hasche Sigle sagt. "Die sensiblen Unterlagen sind deshalb vertraulich zu behandeln. Sofern es zum Schutz des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers erforderlich erscheint, sind sie getrennt von der übrigen Personalakte aufzubewahren und vor dem Zugriff unbefugter Dritter zu sichern."

Gerade kleinere und mittlere Unternehmen, die bei der Digitalisierung der Personalakte noch nicht so weit sind wie die Konzerne, sollten noch weitere Regeln beachten. "Die Akte darf nicht allgemein zugänglich sein. Der Kreis der Mitarbeiter, die mit der Bearbeitung von Personalakten befasst ist, muss möglichst klein gehalten werden. Es sollte zudem die Aufbewahrung in verschlossenen Umschlägen oder eigenen, abschließbaren Schränken sichergestellt sein", sagt Schiller.

Besonders sensible Daten wie Angaben zum körperlichen, geistigen und seelischen Zustand seien vor Einblick zu sichern. "Gerade diese müssen besonders gut geschützt aufbewahrt werden, damit sie nicht bei der regelmäßigen Sachbearbeitung der Personalakte ohne konkreten Anlass ins Auge fallen."

Zugleich müssen die Firmen das neue EU-Datenschutzgesetz beachten, dass im Mai kommenden Jahres in Kraft tritt. Die Richtlinie führt eine Beweislastumkehr zulasten des Verarbeiters personenbezogener Daten ein. Unternehmen müssen nun jederzeit den Nachweis erbringen können, dass ihre Datenverarbeitung gemäß der Verordnung erfolgt. Manche Juristen empfehlen, zumindest die wichtigsten arbeitsrechtlichen Dokumente im Original der Papierform aufzubewahren.

Ein weiterer Knackpunkt beim Datenschutz ist die Frage, wie lange Daten gespeichert werden dürfen. Laut Gesetz dürfen Daten so lange vorgehalten werden "wie erforderlich". Wenn also ein Mitarbeiter seinen Arbeitgeber verlässt, müssen alle Daten des Mitarbeiters gelöscht werden, die nicht mehr benötigt werden, beispielsweise für die Steuer oder Sozialversicherung. Wenn die Daten nur noch elektronisch vorliegen, können diese alternativ auch gesperrt werden, damit nicht mehr jeder in der Personalabteilung Zugriff darauf hat. Denn jeder Arbeitnehmer hat ein Recht auf Vergessen der zu seiner Person gespeicherten Daten.

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