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Job: Herzstück der Selbstoptimierung: die To-Do-Liste

Herzstück der Selbstoptimierung: die To-Do-Liste

(Foto: Illustration Jessy Asmus für SZ.de)

Sie ist das Herzstück der Selbstoptimierung: die To-do-Liste. Ständig gibt es neue Tools - unsere Autorin hat sie ausprobiert.

Von Sarah Schmidt

Letztlich unterscheidet den Menschen vom Affen doch nur die Fähigkeit, den Tag durch Aufgaben zu strukturieren, sich Ziele zu setzen und eine Checkliste mit Häkchen zu versehen:

• Mammut jagen

• Lendenschurz waschen

• beim Chef beschweren, dass die Höhle zu kalt ist

• Rad erfinden

Was wären wir ohne To-do-Liste? Erst diese Textform gibt unserem Schaffen Form und Richtung. Leonardo da Vinci notierte 1489 auf der "Noch zu erforschen"-to-do-Liste: "Schließen der Augenlider, Heben der Augenlider, Senken der Augenlider, Augenschließen, Augenöffnen, was ist Niesen, was ist Gähnen". Von Sänger Johnny Cash ist ein Dokument überliefert, das mit "1. Not smoke, 2. Kiss June, 3. Not kiss anyone else" beginnt und mit "9. Go see Mama, 10. Practice Piano" endet. (Beides nachzulesen im Buch "Lists of Note" von Shaun Usher.)

To-do-Liste - die Theorie

Letztlich geht es bei der To-do-Liste immer um das Gleiche: nichts Wichtiges zu vergessen und die kleinen und großen Herausforderungen des Alltags in eine handliche und händelbare Struktur zu gießen. Das hindert Management-Gurus und Effizienz-Berater aber natürlich nicht daran, das Herzstück der Selbstoptimierung in immer neue, fluffige Verpackungen zu hüllen.

Hier eine kleine Auswahl der Tipps:

  • Der 1-3-5-Regel zufolge besteht eine ideale To-do-Liste aus einer großen Aufgabe, drei mittleren Kalibern und fünf Kleinkram-Tätigkeiten.
  • An sich naheliegend, aber durchaus mit revolutionärem Potenzial: Alle Aufgaben, die in weniger als drei Minuten zu erledigen sind, gehören nicht auf die To-do-Liste, sondern werden direkt erledigt.
  • Manche Experten empfehlen, jeweils nur für einen Tag zu planen - am besten am Vorabend.
  • Es gibt Not-to-do-Listen, Like-to-do-Listen.
  • Man kann mit Farben arbeiten, mit Zeichnungen, Schlagwörtern, Apps oder speziellen Vorlagen.
  • Selbstmanagement-Guru David Allen, der sein Konzept selbstbewusst GTD (Noch besser als Zahlen sind Abkürzungen! In diesem Fall für "Getting Things Done") nennt, will das gesamte Leben in verschiedenen Kontextlisten organisieren, priorisieren und nach Ressourcen sortieren - das ist dann allerdings eher etwas für Personen, die auch Quartalsgespräche mit dem Partner führen und Joghurt im Kühlschrank nach dem Ablaufdatum ordnen.

To-do-Liste - die Praxis

Es gab Zeiten, in denen ich Aufgaben auf kleinen Klebezetteln nach einem ausgeklügelten Farbsystem durch ein DIN-A4-großes Notizbuch wandern ließ. (Notiere: Das als "SSTDM", die Sarah-Schmidt-to-do-Methode, patentieren lassen.) Mittlerweile ist mein To-do-Verhalten verroht. Ich kritzele morgens auf die Rückseite eines nicht mehr benötigten Ausdrucks die Aufgaben, die ich am Vortag nicht mehr geschafft habe. Im weiteren Tagesverlauf wird das Papier um eine Einkaufsliste (sortiert nach Supermarkt, Drogeriemarkt, Sonstiges) ergänzt. Nach Feierabend verzettelt sich die Liste dann in meiner Handtasche - um etwa drei Wochen später ungelesen entsorgt zu werden.

Das Optimierungspotenzial ist also groß.

Die erste Lösung kommt ungefragt per Post. Ein freundliches Hipster-Unternehmen hat mir ein bahnbrechendes neues Tool für Fokus und Zufriedenheit geschickt. Es ist laut Beipackzettel Life-Coach und Kalender in einem und soll die Banalität des Alltags auf Weltverbesserer-Niveau heben. Der hellgraue Einband des Büchleins fühlt sich zart an wie das Fell einer Babymaus, dezent ist der Name der ganzen Nummer eingeprägt: "KLARHEIT". "Potenzial erkennen und entfalten. Energie bündeln und in Fluss bringen." Klingt gut.

Ich soll nicht nur Listen schreiben, sondern "dokumentieren", wie "ich mich entwickle". Eine der Eingangsfragen: "Was möchte ich gern schaffen in diesem Leben?" Drunter macht es Klarheit nicht. Ich überblättere die "Zeichnen Sie Ihre Happyness-Matrix"-Seiten, um zum eigentlichen Kalender-Teil zu kommen - und bin schwer enttäuscht. Ganz profan wird hier eine Tabelle in Ziel/Gewünschtes Ergebnis, Nächster Schritt, Dauer und Prio unterteilt. Dann hätte ich ja auch gleich ein Excel-Dokument aufsetzen können.

Nach dem "Back-to-analog-Reinfall" setze ich auf die digitalen Lösungen. Nach kurzer Recherche entscheide ich mich für die Wunderlist-App - und bin ziemlich angetan. Gut: die schöne Optik, die zweckmäßige, aber nicht überfrachtete Funktionalität (es lassen sich mehrere Listen anlegen und einzelne Aufgaben priorisieren). Richtig gut: Ich kann die App synchronisiert sowohl auf dem Smartphone, als auch auf dem Rechner und im Browser benutzen. Nicht so gut: Was erledigt ist, verschwindet, zumindest aus der Hauptansicht. Dabei habe ich doch so gern vor Augen, was ich alles schon geschafft habe.

Als Nächstes setze ich auf Gamification und teste Habitica: Mein kleiner Avatar sammelt für erledigte Aufgaben Erfahrungspunkte und Gold. Ich kann Level aufsteigen und werde in schönster World-of-Warcraft-Manier mit Ausrüstung und Gegenständen ausgestattet. Nett - aber nicht das Richtige für mich. Mir fehlt die Herausforderung, wenn ich die einzige Instanz bin, die definiert, für welche erledigte Aufgabe ich Punkte bekomme. Gegen wen spiele ich hier? Für was? Und warum?

Als kleines Juwel entpuppt sich hingegen eine unscheinbare kleine App namens Carrot. Schlichtes, cleanes Design, simple Bedienung. Das Besondere ist die eingebaute Instanz, die mit herrlich schwarzem Humor jede Aktion kommentiert. Wenn Karl Klammer aus dem Word-Programm der nervige Klugscheißer-Büronachbar im Pullunder ist, der immer alles besser weiß - Carrot ist die Lieblingskollegin mit der dreckigen Lache und dem Schnaps in der Schublade.

To-do-Liste - das Fazit

Kühne These: To-do-Listen machen uns kein Stück produktiver. Würden wir darauf verzichten, wir wären weder schneller, noch würden wir mehr Dinge vergessen. Würden wir den Aufwand und die Detailverliebtheit, mit denen wir To-do-Listen führen und pflegen, in die tatsächliche Erledigung von Dingen stecken, wir könnten am Mittwochabend das Wochenende einläuten.

Dennoch führen ich und alle Menschen, mit denen ich darüber gesprochen habe, To-do-Listen. Denn nichts beschert so zuverlässig diesen kleinen "Yes-Moment" des Alltags wie das Abhaken eines Listenpunkts. Es ist das beruhigende Gefühl: "Ich habe alles unter Kontrolle, ich bin produktiv, mein Leben hat einen Sinn."

Die To-do-Liste ist das Verbindungsstück zwischen Wunsch und Wirklichkeit, unser Fahrplan in die Zukunft. Hier spiegelt sich die Sisyphushaftigkeit unseres Alltags genauso wie die großen und kleinen Träume.

Schnellcheck
To-Do-Liste

●◌◌◌◌ Schweinehund-Faktor

●●●●◌ Praktikabilität im Büro-Alltag

●●●◌◌ Wirkung auf Produktivität und Wohlbefinden

●●●●● Akzeptanz der Kollegen

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