Job-Anzeigen:"Sagen Sie lieber gleich ab"

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Absagen auf Bewerbungen einzukassieren, frustiert. Absagen schreiben dagegen nicht. Wie eine Berliner Agentur den Spieß umdreht und Arbeitgeber verwirrt.

Von Nicola Holzapfel

"Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass Ihre Stellen-Ausschreibung nicht meinen Ansprüchen gerecht wird. Daher muss ich Ihnen hiermit bedauerlicherweise eine Absage schicken". Was nach verkehrter Welt klingt, ist Alltag in der Berliner "Absageagentur". Hier schreiben Arbeitslose und Beschäftigte, Studenten und Praktikanten Absagen an Unternehmen, die Job-Anzeigen geschaltet haben. Dafür gibt es zwar Formulierungshilfen, jeder ist aber frei zu schreiben, was er möchte. "Wir bieten nur eine Form. Wie unsere Kunden das ausfüllen ist frei. Das ist eine experimentelle Geschichte. Da steckt auch ein gehöriger Aufwand dahinter. Viele schreiben den Text selber. Das macht man nicht so nebenbei. Wer zu uns kommt, will das machen", sagt Thomas Klauck, der zusammen mit Katrin Lehnert die ungewöhnliche Agentur, die diesen Service kostenlos anbietet, ins Leben gerufen hat.

"Verkaufen Sie sich nicht unter Wert - sagen Sie lieber gleich ab", lautet das Motto der Berliner Absageagentur. (Foto: Foto: absageagentur.de)

Die beiden wollen mit ihrem Projekt den gesellschaftlichen Stellenwert von Arbeit hinterfragen. "Warum hat die Erwerbsarbeit einen so hohen Wert und andere Arbeitsformen nicht?", fragt Klauck. "Und warum definieren wir uns alle über die Arbeit, obwohl in Deutschland Millionen von Menschen ohne Job sind? Das Thema nimmt ja auch im Privaten einen großen Raum ein." Klauck kennt viele, die auf Jobsuche sind. "Wenn man immerzu Absagen erhält, kommt irgendwann das Gefühl auf: 'Ich bin selbst schuld daran. Ich müsste jünger sein, hätte ins Ausland gehen sollen oder sollte noch eine zehnte Programmiersprache können.' Aber es gibt einfach nicht genug Stellen."

Lehnert und Klauck sind nicht arbeitslos. Der Kulturwissenschaftler Klauck arbeitet bei der Kunstfabrik am Flutgraben, Katrin Lehnert studiert noch. Für ihre Agentur haben sie Sponsoren gefunden, die Miete und Porto abdecken. "Aber das reicht natürlich nicht. Vor allem, wenn man die eigene Arbeitszeit, die ja unbezahlt ist, berücksichtigen würde", sagt Klauck. Neben dem Büro betreibt die Absage-Agentur auch einen Internet-Auftritt. Der ist ganz im Stil der Webseite der Bundesagentur für Arbeit gehalten. "Dort haben wir auch schon eine Absage hingeschickt. Aber die haben sich noch nicht gemeldet", sagt Klauck.

Bislang haben seine Kunden mehr als 30 Absagen auf den Weg gebracht. Die Briefe gingen beispielsweise an Unternehmen der Chemie und der Telekommunikationsbranche. Auch ein Praktikums-Anbieter aus dem kulturellen Bereich hat sich schon eine Absage kassiert. Sein Fehler: Er hat ein unbezahltes Praktikum angeboten.

Verwirrte Empfänger

Ein Arbeitgeber hat schon auf die unaufgeforderte Absage reagiert. "Die waren verwirrt. Sie haben eine Standard-Absage an Bewerber zurückgeschickt und im nächsten Satz geschrieben, dass sie doch gar kein Angebot gemacht hätten", sagt Klauck. "Es war offensichtlich, dass da jemand angehalten wurde, zu antworten, obwohl er mit der Absage nichts anfangen konnte. Er hat dann einfach verschiedene Standardformulierungen zusammenkopiert."

Auch über die immer gleichen Formulierungen in Stellenanzeigen kann sich der Kulturwissenschaftler amüsieren. "In Anzeigen steht gar nichts mehr über die Arbeitsbedingungen. Stattdessen heißt es 'Wir begrüßen Sie in unserem Team'. Oder: 'Wir haben Spaß an der Arbeit'. Und der Bewerber muss 'innovativ, flexibel und selbstständig' sein. Diese Kriterien sagen doch gar nichs aus. Das schreibt ja inzwischen jeder."

Was seine Kunden schreiben, können Besucher im Büro der Agentur besichtigen. Dort werden nämlich alle Absagen aufgehängt. Schließlich geht es Klauck und Lehnert auch darum, ihr Projekt zu dokumentieren. Wer auch einnmal einem Unternehmen "Nein, danke" sagen will, hat noch bis zum 13. Mai Zeit. Bis dahin ist das Büro geöffnet. Ab dann übernehmen wieder die Arbeitgeber die Rolle des Absagenden.

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