125 Jahre Diercke-Atlas:"Schlag zu mit Diercke!"

Seit 125 Jahren schleppen Kinder das Nachschlagewerk in den Geographie-Unterricht. Kaum ein Buch eignet sich besser, um immer wieder darin nachzuschlagen.

T. Lehmkuhl

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Diercke-Cover 1883, Westermann

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Das erste Diercke-Cover aus dem Jahr 1883

"Schlag nach im Duden, schlag zu mit Diercke!" Nicht nur schwächliche Kinder stöhnten einst, wenn sie das altehrwürdige Nachschlagewerk in den Geographie-Unterricht schleppen mussten. Auch robustere Naturen werden sich an den an Erdkunde-Tagen deutlich schwereren Ranzen erinnern. Mancher wird vielleicht sogar ein späteres Rückenleiden damit in Verbindung bringen wollen. Sonst allerdings lässt sich über den berühmten Weltatlas wenig Schlechtes sagen.

Bild: Westermann

Carl Diercke, Familie Dierck Willemer

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Carl Diercke, Direktor des königlichen Lehrerseminars im niedersächsischen Stade

125 Jahre schon steht er im Schuldienst. "Richtig, schön und zweckmäßig", so umriss Carl Diercke, Direktor des königlichen Lehrerseminars im niedersächsischen Stade, seine Vorstellungen eines "Schul-Atlas", nachdem ihm der Verleger George Westermann (1810-1879) das Projekt angetragen hatte. Projektion, Gradnetz und Namensschreibungen sollten korrekt sein, die Farben harmonisch wirken und der Inhalt dem Unterricht angepasst sein. Doch auch wer die Schule einmal hinter sich gelassen und in einem Autodafé womöglich sämtliche Schulbücher verbrannt hat - den Diercke Weltatlas wird er dabei ganz sicher ausgespart haben. Zu nützlich, zu reichhaltig, ja unerschöpflich erscheint er einem - keinesfalls auf den "Lernstoff" beschränkt. Kaum ein Buch eignet sich besser, um immer wieder darin nachzuschlagen. Selbst hundertmal betrachtete Seiten bieten dem Auge noch Neues.

Bild: Familie Diercke Willemer

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Der Diercke aus dem Jahr 1974

Es bräuchte schon ein ganz besonders geartetes Gedächtnis, um ohne diesen Atlas auszukommen. Auch in Zeiten von Google Earth und map24 scheint so ein Buch unerlässlich. Denn wer mit einem Blick die afrikanischen Staaten, die Geologie Deutschlands oder Formen der landwirtschaftlichen Bodennutzung in Südostasien erfassen möchte, dem hilft das Internet nicht so gut weiter. Selbst bei aufwändiger Recherche und einem übergroßen Bildschirm erfasst man schwerlich, was einem der Diercke bei angenehmstem Druckbild binnen Sekunden verrät.

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Der Golf von Neapel in der Ausgabe von 1883

Das ist in der neuen, seit 1988 nun zum ersten Mal völlig überarbeiteten Auflage nicht anders, auch wenn die Änderungen tatsächlich wesentlich sind. Der Vergleich etwa mit einer Auflage von 1993 offenbart, dass der neue Diercke nicht nur an Praktikabilität gewonnen hat, es zeigt sich darin auch ein Wandel der Zeit: Die erste Karte in der Ausgabe von 1993 präsentiert die physische Ansicht Mitteleuropas. Die Entscheidung, Europa an den Anfang zu setzen, mag ganz im Geiste des damaligen Bundeskanzlers getroffen worden sein, und wird sicher auch mit dem Staunen über den rasanten Wechsel politischer Grenzen zusammenhängen, wie er sich vor 15 Jahren gerade vollzogen hatte. Aus heutiger Perspektive aber wirkt es befremdlich, Europa in einem deutschen Schulatlas an den Anfang zu stellen. Da hat man doch inzwischen größeres Selbstvertrauen gewonnen. Folglich beginnt die Ausgabe von 2008 mit einem Überblick über die politischen Grenzen innerhalb der Bundesrepublik.

Bild: Westermann

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Der Golf von Neapel in der Ausgabe von 2008

Man kann das nur begrüßen: Fiel es einem Schüler früher leicht, alle Nachbarstaaten der BRD aufzuzählen, so scheiterte er meist bei dem Versuch, die an Niedersachsen oder Thüringen angrenzenden Bundesländer zu benennen.

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Der Aralsee 1960

Überhaupt haben sich die Prioritäten verschoben. Europa wird hinter der Deutschland-Abteilung nun auf mehreren Überblickskarten präsentiert. Danach folgen die einzelnen europäischen Länder - interessanterweise ist der Osten des Kontinents dabei weit nach vorne gerückt. Die Britischen Inseln dagegen finden sich erst zwanzig Seiten später als in der Ausgabe von 1993.

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Der Aralsee 2007

Indien und China, die vor 15 Jahren noch recht stiefmütterlich behandelt wurden, erfahren nun ebenfalls mehr Aufmerksamkeit. Sie scheinen im Vergleich geradezu zugewuchert von Städten. "Fremdenverkehr" übrigens heißt inzwischen auch im Diercke-Atlas "Tourismus". Und wurden die Münchner "High Tech"-Standorte 1993 noch wie etwas Fremdartiges in Anführungszeichen gesetzt, es ist heute ganz selbstverständlich von Hightech-Standorten die Rede. Auch den neuen Medien hat man sich angenähert. Wer einen Weltatlas erwirbt, erhält damit zugleich Zugang zum sogenannten Diercke-Premium-Bereich im Internet. Dort kann er zum Beispiel eine Software herunterladen, die die Erdoberfläche aus circa 15 Kilometern Höhe dreidimensional darstellt.

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Die Rhone-Gletscher 1874

Die Stärke des Diercke beruht allerdings auf der abstrakten Form von Anschaulichkeit, wie sie das bedruckte Blatt Papier bietet. Auch die Abfolge der Karten spielt dabei eine wichtige Rolle: Blatt für Blatt faltet sich im Diercke die ganze Welt logisch nachvollziehbar auf.

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Die Rhone-Gletscher 2006

Diese Struktur wurde nicht nur dem Geist der Zeit und einer veränderten Weltlage angepasst, sie wurde auch in praktischer Hinsicht verbessert. Das betrifft vor allem die Reihenfolge der Haupt- und Nebenkarten.

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Tokio aus dem Jahr 1883

Aber auch eine neue Navigationsleiste erleichtert nun den Umgang mit dem umfangreichen Werk. Zudem ist die Farbgebung klarer geworden. Auch wenn der Diercke-Atlas dadurch bunter wirkt als früher, liest er sich doch deutlich leichter.

Bild: Westermann

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Tokio heute

Leichter wiegt er trotz gestiegenen Umfangs übrigens auch in der Hand; dem Fortschritt in der Papier-Technologie sei Dank. Zum kräftigen Zuschlagen eignet er sich gleichwohl, Tradition verpflichtet, immer noch.

Bild: Westermann

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