25 Jahre Deutsche Einheit:Gemischte Gefühle

DDR - Sonderstudium für Frauen 1969

Erklärtes gesellschaftliches Ziel der DDR-Politik war die Gleichberechtigung. Dazu gehörte auch die Förderung von Frauen in als männlich geltenden Berufen.

(Foto: ddrbildarchiv.de/PA)

Mit der Wiedervereinigung begann auch der Umbau des DDR-Hochschulsystems. Was hat sich seitdem im Osten getan? Wissenschaftler ziehen kritisch Bilanz.

Von Joachim Göres

Eine Erfolgsgeschichte ist für die Bundesregierung die Hochschulentwicklung in Ostdeutschland. Sie verweist auf 30 neue Fachhochschulen, neue Universitäten in Erfurt und Frankfurt/Oder, eine Vielzahl von Forschungseinrichtungen. Das Urteil von Hochschullehrern aus Ost und West, die die Anpassung des DDR-Wissenschaftssystems an das bundesdeutsche Vorbild vor 25 Jahren erlebten, fällt deutlich kritischer aus - das wurde unlängst auf einer Tagung der Volkswagenstiftung in Hannover deutlich.

"In Magdeburg ist 1993 die Technische Universität aufgebaut worden, das ging zulasten der Uni Halle. Auch in Thüringen und Brandenburg haben die Landesregierungen für die Gründung neuer Universitäten gesorgt, statt die bestehenden Unis besser zu fördern und die Fachhochschulen stärker auszubauen, wie der Wissenschaftsrat das empfohlen hatte", sagt Jürgen Mittelstraß, ehemaliger Professor für Philosophie an der Uni Konstanz.

Nach der Wende wurden etliche Stellen an Ost-Unis gestrichen. Nun sollen wieder Jobs wegfallen

Der Wissenschaftsrat hatte 1990 im Auftrag der Bundesregierung die Institute der Akademien der Wissenschaften der DDR überprüft, die Ende 1991 aufgelöst und teilweise in Trägerschaft anderer Organisationen neu gegründet wurden. Circa 60 Prozent der Stellen wurden als Folge der Überprüfung gestrichen, die in erster Linie westdeutsche Professoren durchführten. "Dadurch hatten 94 000 Menschen keine Aussicht auf eine langfristige Beschäftigung. Ich habe nie verstanden, dass eines der reichsten Länder der Welt mit seinen neuen Bürgern so umgegangen ist", sagt Cornelius Weiß, nach der Wende der erste frei gewählte Rektor der Uni Leipzig. Die Universitäten sollten die Forscher der Akademien aufnehmen - laut Weiß keine realistische Perspektive: "Wir mussten an unserer Uni 6000 Stellen abbauen, da war kaum Platz für neue Mitarbeiter." Eigene Zukunftspläne konnte man nicht realisieren. "Bei uns und an den anderen Ost-Hochschulen gab es starke Weiterbildungsaktivitäten, die wir gerne weitergeführt hätten, doch das passte nicht ins westdeutsche Hochschulsystem."

Johanna Wanka, Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung, war zu Wendezeiten als Mathematikerin an der Technischen Hochschule Leuna-Merseburg. Sie bedauert, dass mit dem Niedergang zahlreicher Industriebetriebe die dort beschäftigten forschenden Wissenschaftler häufig in Altersteilzeit geschickt wurden. "Dabei sind Potenziale verloren gegangen. Beim Umbau des ostdeutschen Wissenschaftssystems hätte man manches anders machen können, aber wir hatten nicht viel Zeit. Unter dem Strich ist das aber eine Erfolgsgeschichte", sagt Wanka. Nach ihrer Überzeugung hat sich durch die Einheit auch das westdeutsche Hochschulsystem verändert - Fachhochschulen spielten heute eine deutlich größere Rolle als bis 1989.

Wilhelm-Günther Vahrson, Präsident der Fachhochschule Eberswalde, zieht ein differenziertes Fazit. Die Infrastruktur der FH Eberswalde sei heute besser als die mancher westdeutscher Hochschule, die Fachhochschulen würden durch das Recht zur Promotion gestärkt. Bei der Einwerbung von Drittmitteln, die als Indikator für die Leistungsfähigkeit gelten, lägen die Ost-FHs deutlich vor den übrigen Fachhochschulen. Gleichzeitig sei man aber wesentlich stärker als im Westen von öffentlichen Mitteln abhängig - die finanzielle Unterstützung durch die Industrie sei im Osten wesentlich geringer. Vahrson: "Es gibt heute kein Ost-West-Problem mehr, sondern ein Zentrum-Peripherie-Problem - man muss junge Leute in strukturschwache Regionen locken. Dort sind Hochschulen Verödungs-Hindernisse." Ostdeutsche Hochschulen zählen in vielen Regionen zu den wichtigsten Arbeitgebern.

Bleibt die Frage, was die Studierenden im Osten von der Entwicklung der vergangenen 25 Jahre haben. Die Bundesregierung zieht eine Erfolgsbilanz: modernere Ausstattung der Hochschulen als im Westen, bessere Betreuung in nicht überfüllten Lehrveranstaltungen, im Durchschnitt günstigere Mieten. So zieht es zunehmend auch junge Leute aus dem Westen in den Osten. Zudem gibt es in den neuen Bundesländern deutlich mehr Abiturienten und eine Verdreifachung der Anzahl der Studenten im Vergleich zu Wendezeiten. Nach einer Studie des Consulting Unternehmens des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, DIW Econ, gelten ostdeutsche Uni-Absolventen bei Personalverantwortlichen als motivierter und eigenständiger als westdeutsche Berufseinsteiger.

Die zukünftige Entwicklung ist allerdings fraglich. Ostdeutsche Hochschulen sollen in den nächsten Jahren massiv Stellen abbauen - allein in Sachsen zum Beispiel bis zum Jahr 2020 mehr als 1000 Stellen, um so Millionenbeträge einzusparen und auslaufende Förderbeiträge des Bundes und der EU zu kompensieren. Das bedeutet unter anderem die Schließung beziehungsweise Verlagerung von Studiengängen. Trotz des massiven Protests von Studierenden und Lehrenden bahnt sich eine deutliche Verschlechterung der Studienbedingungen an.

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