IT-Branche:Lächeln - auch in schlechten Zeiten

Für IT-Experten wird die Stellensuche schwieriger.

Judith Raupp

(SZ vom 17.10.2001) Der junge Mann ist verunsichert: "Siemens streicht so viele Stellen. Gibt's noch Jobs?" Was soll sie dazu sagen, die Dame im dunklen Kostüm, die eigentlich Nachwuchskräfte für den Münchener Konzern werben soll? Sie lächelt tapfer und führt den Besucher zum Computer, wo er selbst in der Datenbank nach einer Stelle Ausschau halten kann.

Die Personal-Angestellten von Siemens haben auf der Jobbörse keinen leichten Stand an diesem Morgen - einen Tag, nachdem der Konzern den Abbau von tausenden von Arbeitsplätzen angekündigt hat. Dass ausgerechnet die besonders hart betroffene Sparte Information und Kommunikation prominent auf der Systems vertreten ist, macht die Sache nicht leichter. "Da lachen Sie doch selber", entgegnet ein Siemens-Mitarbeiter genervt auf die Frage, ob der Auftritt im Nachhinein vielleicht etwas unglücklich sei. "Wir müssen auch in schwierigen Zeiten Ansprechpartner für die jungen Leute bleiben", findet Wolfgang Kämmer von der Zentralabteilung Personal und spricht den Bewerbern Mut zu: "Sicher kann sich jetzt nicht mehr jeder in der IT-Branche die Stelle aussuchen. Doch es wird auch wieder bergauf gehen."

Vermutlich hat Kämmer ja Recht. Schließlich wachsen die Umsätze und die Zahl der Beschäftigten in der gesamten High-Tech-Branche auch jetzt noch - nur eben langsamer als bisher. Das bestätigt selbst Wolfgang Müller von der IG Metall.

Tragische Einzelschicksale

Doch der Gewerkschafter erlebt auch hautnah, was es heißt, wenn Experten von "rückläufigen Wachstumszahlen" sprechen. "Dahinter verbergen sich tragische Einzelschicksale", weiß er und erzählt von zwei Indern, die Siemens erst vor kurzem mit Hilfe einer Greencard rekrutiert hat: "Die beiden sind regelrecht verzweifelt, weil man ihnen angedeutet hat, dass sie in der Probezeit eventuell gekündigt werden."

Für die beiden Ausländer hieße das, Deutschland schon nach kurzer Zeit wieder verlassen zu müssen. Es sei denn, sie finden hier zu Lande einen anderen Arbeitgeber. "Wer so mit Fachkräften umspringt, verhält sich sozial schädlich", urteilt Müller. Er erwartet, dass sich die Lage noch zuspitzt. Nach Berechnungen der IG Metall baut die Siemens-Gruppe in diesem und im nächsten Jahr allein in München 6000 Stellen ab.

Zulauf bei der Telekom

Weitaus bessere Stimmung herrscht am Stand der Deutschen Telekom. Einem Großkonzern und ehemaligen Staatsbetrieb laufen die Menschen in schlechteren Zeiten in Scharen zu. Schon am ersten Messetag haben Personalreferent Martin Dröge und seine 19 Mitarbeiter 200 Bewerbungsgespräche geführt. Dröge ist überzeugt, dass "die Aufgabenvielfalt und die Weiterbildungsmöglichkeiten bei uns geschätzt werden". Im Vergleich zum Jahr 2000, als sich die Firmen um jeden Bewerber rissen, seien die Gespräche jetzt sachlicher: "Es geht nicht mehr gleich ums Gehalt, eher um die Qualifikation."

Deutlicher wird Klaus Eberhardt, Geschäftsführer der Softwarefirma Iteratec. "Im letzten Jahr waren selbst schlecht Qualifizierte sehr selbstbewusst. Aber die wollen wir nicht". Iteratec stelle nur spezialisierte Software-Entwickler ein. Wer älter als 40 ist, hat keine Chance.

Der 41-jährige Klaus Meier* lässt sich von der Jugend-Gläubigkeit in der High-Tech-Branche nicht beunruhigen. Der ungekündigte Elektrotechniker aus Bayern sucht aus persönlichen Gründen Arbeit in einem anderen Bundesland. "Ich denke, dass ich auf Grund meiner Berufserfahrung einen Job finde." 15 Bewerbungen hat er bisher abgeschickt und zwei Vorstellungsgespräche geführt. Eine Stelle hätte er sofort antreten können: "Aber ich habe abgesagt, weil es irgendwie nicht gepasst hat".

Fataler Börsengang

Auch der 30-jährige Peter Jansen* ist auf Arbeitssuche. Nach drei Jahren in einer "typischen New-Economy-Firma" hat der Betriebswirtschaftler und Softwarespezialist gekündigt: "Nachdem wir an die Börse gegangen sind, hat sich das Arbeitsklima massiv verschlechtert. Damit konnte ich mich nicht mehr identifizieren."

Jansen ist überzeugt, dass er wieder eine Stelle findet, Eile hat der werdende Familienvater nicht: "Ich habe 70 Stunden pro Woche gearbeitet. Eine Auszeit tut da gut."

*Namen von der Redaktion geändert

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