IT-Branche:Die wunderbare Jobvermehrung stockt

Die Zahl der IT-Arbeitsplätze wächst nur noch geringfügig.

Walter Ludsteck

(SZ vom 15.10.2001) "Jetzt könnten wir den Mann bekommen, den wir so lange gesucht haben. Nun brauchen wir ihn aber nicht mehr." Dieser Ausspruch eines Personalchefs erscheint typisch für die derzeitige Lage in der Informationstechnik-Branche, wobei es manchmal auch heißen dürfte, "nun können wir uns das nicht mehr leisten". Denn bei vielen Unternehmen dieses Sektors sind die Geschäfte zurückgegangen und quasi alle sparen.

Arbeitsamt (AP)

Stellensuche auf dem Arbeitsamt

War vor einem Jahr noch unisono zu hören, dass das Wachstum nur durch den Mangel an Arbeitskräften gebremst werde, so hat sich die Situation inzwischen erheblich verändert. Sinkende Umsätze, Verlustwarnungen, Stellenabbau sind an der Tagesordnung, und auch die Firmenpleiten mehren sich. Allerdings ist nicht die ganze Branche davon betroffen. Junge Unternehmen mit Electronic-Business-Aktivitäten sind besonders unter die Räder geraten. Aber auch die Hardware-Hersteller, vor allem PC-Anbieter, bekommen den Abschwung deutlich zu spüren.

Weniger als erwartet

Auf anderen Gebieten sieht es besser aus - wie bei der Integration der E-Business-Anwendungen mit der Datenverarbeitung im Hintergrund, beim Management der Kundenbeziehungen (CRM) oder im Bereich IT-Sicherheit. Insgesamt rechnet der Branchenverband Bitkom für 2001 - wie auch 2002 - im deutschen Computer- und Telekommunikationsmarkt (ITK) immer noch mit einem Wachstum von fast fünf Prozent. Das ist viel im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen, aber es ist nur die Hälfte dessen, was ursprünglich erwartet worden war und noch weniger als die Hälfte der im Jahr 2000 erzielten Steigerungsrate.

Das schlägt sich in der Beschäftigung nieder. Hat die Mitarbeiterzahl in der ITK-Branche voriges Jahr um stolze 75.000 zugenommen, geht Bitkom- Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder für 2001 nur mehr von einer Ausweitung um 16.000 Personen (plus zwei Prozent) aus. Da sich die Geschäftslage seit Jahresanfang stetig verschlechtert hat, dürften sich auch die Aussichten für Stellensuchende Schritt für Schritt verdüstert haben.

Im neuesten Bericht der Bundesanstalt für Arbeit (BA) wird denn auch konstatiert, dass sich im September 2001 die Arbeitslosen-Zugänge aus dem Bereich Datenverarbeitung besonders stark erhöht haben und dass dort zugleich wesentlich weniger freie Stellen gemeldet wurden. Die BA-Statistik für IT-Berufe bestätigt dies: Zugang und Bestand an arbeitslos gemeldeten EDV-Fachleuten waren im September deutlich höher als vor einem Jahr. Dennoch werden weiter Mitarbeiter gesucht, denn die Situation ist differenziert je nach Segment und Unternehmen. So weist die Job-Datenbank von SAP derzeit 500 offene Stellen auf. Der Softwarehersteller hat im ersten Halbjahr konzernweit bereits 2.500 Personen eingestellt.

Kritische Auswahl

Auch Fujitsu Siemens Computers (FSC) sucht nach eigenen Angaben 800 Spezialisten. Allerdings hatte das Unternehmen zuvor die Belegschaft reduziert. Dieser Trend zeigt sich ebenfalls bei anderen Betrieben - der geschäftliche Fokus verlagert sich, es wird umgebaut. Gefragt sind zum Beispiel CRM-Experten, Mitarbeiter für den Vertrieb und produktspezfische Services, Projektmanager oder Systemingenieure. Doch die Suche ist handverlesen, die Auswahl kritischer als in den letzten Jahren.

Generell konstatiert man bei Bitkom im Bereich der hochqualifizierten Tätigkeiten eine unveränderte hohe Nachfrage nach Fachkräften. Am unteren Ende des IT-Arbeitsmarktes - hier wurden durch die Ausbildung in neuen IT- Berufen sowie durch Umschulungen zig tausende neue Mitarbeiter angeworben - stehe inzwischen ausreichend Personal zur Verfügung.

100 Greencard-Anträge pro Woche

Nach wie vor gesucht sind offensichtlich ausländische IT-Spezialisten. Gerade dieser Tage wird die zehntausendste Greencard ausgestellt. Damit ist das erste Kontingent dieser Sonderregelung für die ITK-Branche ausgeschöpft. Doch die zweite Tranche mit weiteren 10.000 Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen wurde dem Vernehmen nach von der Bundesregierung bereits freigegeben.

Derzeit werden laut Bitkom von der Wirtschaft etwa 100 Greencard-Anträge pro Woche gestellt. "Die Branche ist recht zufrieden", pries Bitkom-Präsident Volker Jung erst dieser Tage die Greencard-Regelung. Zugleich räumte er aber ein, dass wegen der gegenwärtigen Marktflaute der Erfolg nicht ganz so groß ist wie erwartet worden war.

Neue Töne

Jung sieht im Übrigen langfristig einen weiterhin großen Personalbedarf in der ITK-Branche - allerdings mit Schwankungen. Die Märkte würden volatiler, das bedeute, dass man flexibel das Personal anpassen müsse. In solchen Schwächephasen, so Bitkom-Geschäftsführer Rohleder ergänzend, "müssen den zeitweise Beschäftigungslosen öffentliche Maßnahmen zur Weiterbildung und Qualifizierung angeboten werden".

Das sind ganz neue Töne. Sie dürften vor allem diejenigen verwundern, die erst die Ausbildung oder das Studium in Richtung Informationstechnik begonnen haben. Denn bis vor kurzem hat die Branche mächtig die Werbetrommel dafür gerührt. Von beschäftigungslosen Zeiten war dabei allerdings nicht die Rede.

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