IT-Arbeitsmarkt:Informatiker verzweifelt gesucht

Die Unternehmen der IT-Branche wollen expandieren. Doch qualifizierte Bewerber fehlen. Gleichzeitig bricht die Hälfte der Informatikstudenten das Studium ohne Abschluss ab.

Marius Meyer

Die Unternehmen der Informationstechnologie und Telekommunikationstechnik stellen wieder ein. Laut einer Umfrage des Branchenverbandes Bitkom gehen 63 Prozent der 279 befragten Firmen davon aus, dass sie in diesem Jahr neue Jobs schaffen. Sie suchen vor allem Software-Entwickler, Berater und Projektmanager.

Doch sie haben ein Problem: Es gibt zu wenige qualifizierte Bewerber. 57 Prozent der Unternehmen gaben an, freie Stellen gar nicht oder nur mit erheblichem Verzug besetzen zu können. Bitkom erwartet, dass 2500 Stellen auch langfristig nicht besetzt werden können.

Dabei schließen zur Zeit besonders viele Studenten das Studium ab, das sie im Zuge der Internet-Hysterie vor fünf, sechs oder sieben Jahren begonnen hatten.

"Informatikstudium von theoretischen Ballast befreien"

Doch etwa die Hälfte der Studenten gab unterwegs auf und brach ohne Abschluss das Studium ab. Bitkom-Präsident Willi Berchtold fordert deshalb, die Hochschulen sollten "die Informatikstudiengänge von theoretischen Ballast befreien und den Erfordernissen der Zeit anzupassen."

Davon hält Professor Manfred Broy, der an der TU München lehrt, nichts. Man könne sicherlich gucken, ob man "hier und da" theoretische Inhalte weglassen könne. Ihm habe aber noch kein Unternehmen gesagt, was konkret überflüssig sei.

Die TU München versucht stattdessen, die Abbrecherquote über ein "Eignungsfeststellungsverfahren" zu senken, in dem potenzielle Informatikstudenten nachweisen müssen, dass sie für das Fach geeignet sind und sich keine falschen Vorstellungen machen.

In der ersten Stufe müssen die Bewerber neben dem Abitur-Zeugnis und einem Lebenslauf ein Motivationsschreiben einreichen, anhand dessen ein Professor prüft, ob die Vorstellungen über das Fach Informatik einigermaßen zutreffen.

"Etwa ein Drittel der Abiturienten wird danach direkt angenommen", erklärt Broy. Rund zehn Prozent würden aber schon an dieser ersten Hürde scheitern.

Die zweite Stufe ist ein Gespräch der Lehrenden mit dem Bewerber. Broy betont, dass es sich dabei eher um ein Beratungsgespräch als um eine Prüfung handele. So wird besprochen, ob die schlechte Mathe-Note im Abiturzeugnis ein Hindernis ist und ob der Bewerber Schwächen im Englischen ausbügeln muss.

Er ist mit dem Verfahren zufrieden und empfielt es auch anderen Fächern zur Nachahmung. Außerdem meint er, dass es, wegen seines Beratungscharakter, auch von den Studenten positiv aufgenommen werde.

Broy schätzt, dass wegen des Aufnahmeverfahrens und einer erweiterten Betreuung zehn bis 15 Prozent weniger Studenten ihr Studium abbrechen. Er betont aber, dass der Wert nicht sauber zu belegen sei, da es im Zuge der Umstellung von Diplom auf Bachelor und Magister starke statistische Verzerrungen gebe.

Alleinige Lösung für das Problem der IT-Branche kann der Weg der TU München allerdings nicht sein. Denn die geringere Abbrecherquote wird zu einem großen Teil dadurch erzeugt, dass weniger Studenten zum Studium zugelassen werden. Die absolute Zahl der erfolgreichen Studienabschlüsse steigt höchstens leicht an.

Broy und sein Kollege Professor Florian Matthis glauben, dass die Informatik ein Image-Problem hat. Broy: "Wir haben es bisher nicht geschafft zu vermitteln, was für ein interessantes Berufsfeld die Informatik ist." Es gebe bei Schülern darüber sehr seltsame Vorstellungen. "Es herrscht das Bild vor, dass man nur vor Großrechnern sitzt und mit SAP arbeitet", ergänzt Matthis.

Probleme werden sich noch verschärfen

"Doch Informatik hat heute viel weniger als früher mit Maschinen zu tun und dafür viel mehr mit Menschen." Projekte wie StudiVZ und Xing (OpenBC) zeigten, dass man Sachen machen könne, die "sexy" sind - und dass man dabei viel Geld verdienen kann.

Das Problem der fehlenden qualifizierten Bewerber wird sich in den kommenden Jahren zusätzlich verschärfen. Nach dem Ende des Internetbooms und des Neuen Marktes brach die Zahl der Informatikstudenten um etwa ein Viertel ein.

Als einen Weg, der Misere zumindest teilweise Herr zu werden, sieht Broy die Zuwanderung begabter Studenten aus dem Ausland. Auch Bitkom-Chef Berchtold würde gerne auf Zuwanderung setzen. Ein Viertel der befragten Unternehmen beabsichtigt, ausländische IT-Spezialisten einzustellen.

Doch die bürokratischen Hürden sind hoch. Wer einwandern möchte, muss nachweisen, dass er im ersten Jahr 84.000 Euro verdienen oder als Unternehmer eine Million Euro inverstieren und so mindestens zehn neue Arbeitsplätze schaffen wird. Berchtold: "Das Zuwanderungsgesetz hat sich als ein Gesetz gegen die Zuwanderung erwiesen."

Entsprechend sieht Berchtold die Gefahr, dass Unternehmen ins Ausland abwandern und somit "Know-how aus Deutschland abgezogen wird".

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