Islamisten-Suche an der Uni München:Rektor bedauert Aufruf

In einer Rundmail wurde an der LMU München aufgefordert, mögliche Islamisten zu melden. Sie war auf Initiative des Verfassungsschutzes verfasst worden. Laut dem Rektor der Uni ein Fehler.

Marius Meyer

Der Rektor der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) Bernd Huber sagte, dass die Mail ein "Fehler war. Aber Fehler passieren." In dem Schreiben forderte ein Hauptabteilungsleiter dazu auf, mögliche Islamisten bei der Uni-Verwaltung zu melden.

LMU München Islamisten Aufruf

An der LMU München wurde aufgerufen, mögliche Islamisten zu melden. Der Aufruf ging auf die Initiative des Verfassungsschutzes zurück.

(Foto: Foto: ddp)

Mail "streckenweise missverständlich formuliert"

Huber bedauerte, die Mail sei "streckenweise missverständlich formuliert". Huber betonte, die LMU sei eine "liberale, weltoffene Großstadtuniversität". 7000 der 45.000 Studenten kämen aus dem Ausland, diese jungen Leute machten das Leben an der Universität "bunter und vielfältiger". Die LMU sei "ganz strikt gegen eine Atmosphäre der Bespitzelung, der Beschnüffelung oder des wechselseitigen Aushorchens eingestellt".

In dem Schreiben, das an die Institute der Hochschule verschickt wurde, heißt es, dass auf Hinweise auf Studenten, Mitarbeiter oder andere Personen an der Uni geachtet werden sollte, "die sich durch besondere Verhaltensweisen, wie zum Beispiel einen Bruch im Lebenswandel, Gewaltbereitschaft, radikal-verbale Äußerungen oder Beschäftigung mit einschlägiger Literatur auffällig in Richtung islamischer Fundamentalismus verändern." Diese Hinweise sollen an den Verfasser der Mail geschickt werden.

Zusammenarbeit zwischen Uni und Verfassungsschutz

Die Email war ein Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen dem Verfassungsschutz und den bayerischen Hochschulen. Ein Sprecher des Landesamtes für Verfassungsschutzes bestätigte dies gegenüber sueddeutsche.de und erklärte, dass das Ziel sei, die Uniangehörigen für islamistische Tendenzen zu sensibilisieren.

Auslöser waren demnach die gescheiterten Kofferbombenanschläge im Juli. Einer der mutmaßlichen Attentäter war Student der Mechatronik in Kiel. Erst im Zuge der Ermittlungen nach dem versuchten Anschlag wurde bekannt, dass er seinem Umfeld durch islamistische Äußerungen aufgefallen war.

Die LMU dürfte nicht die einzige Hochschule sein, die nach Islamisten sucht. Bei einem Treffen vor etwa vier Wochen mit dem Verfassungsschutz sind die Kanzler aller bayerischen Universitäten gebeten worden, Ansprechpartner zu benennen, die Meldungen sammeln, bewerten und gegebenenfalls an die Sicherheitsbehörden weiterleiten.

Der Hauptabteilungsleiter, der die nun bekannt gewordene Mail verfasst hat, ist nach Angaben des Uni-Kanzlers Thomas May dieser Ansprechpartner an der LMU.

May zufolge soll aber auch in Zukunft nicht jeder Uni-Angehörige in der Bibliothek beobachten, was der Nachbar ausleiht: "Entscheidend ist, dass kein Bespitzelungssystem entsteht. Aber wir können auch nicht so tun, als passiere gar nichts. Die Freiräume der Hochschule zu sichern und gleichzeitig diese Freiräume vor denen zu schützen, die sie zerstören wollen, ist eine Gratwanderung."

"Vollkommen überzogen"

Nach Ansicht einiger Adressaten ist diese Gratwanderung aber missglückt. So sagte ein Student, der das Schreiben bekommen hatte, dass es geeignet sei, Menschen gegeneinander anzustacheln. Ein anderer bezeichnete es als "rassistische Panikmache, die, wenn das so weitergeht, zu inquisitorischen Zuständen führen kann."

Die Vorsitzende der Grünen, Claudia Roth, kritisierte die E-Mail als "vollkommen überzogen". "Ein solcher Aufruf erzeugt ein Klima der Hexenjagd, das uns im Kampf gegen internationalen Terrorismus nicht weiterbringt", sagte sie der Financial Times Deutschland.

Der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) sagte dagegen, an den Universitäten solle "auf Studenten und Mitarbeiter geachtet werden, die sich durch besondere Verhaltensweisen wie einen Bruch im Lebenswandel, Gewaltbereitschaft, radikal-verbale Äußerungen oder Beschäftigung mit einschlägiger Literatur auffällig in Richtung islamistischer Fundamentalismus verändern". Es gehe nicht darum, irgend jemanden unter Generalverdacht zu stellen.

FDP-Innenexperte Max Stadler kritisierte, Bayerns Universitäten seien ein Ort der Forschung und Lehre, nicht der gegenseitigen Bespitzelung. "Solche Aktionen schaffen jedoch ein Klima des Misstrauens." Er forderte Beckstein auf, "diese Maßnahme unverzüglich zurückzuziehen".

Der Sprecher des Verfassungsschutzes sagte, dass 5500 Personen in Bayern dem islamistischen Spektrum zugerechnet werdenund man vermuten müsse, deas es auch an den Universitäten Islamisten gibt.

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