Iran: Konflikt um private Hochschule:Abhöranlagen im Hörsaal

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Bislang war die größte private Universität Irans ein intellektueller Freiraum. Jetzt will Präsident Ahmadinedschad die Kontrolle über Dozenten und Studenten erzwingen.

Rudolph Chimelli

Um die Kontrolle von Irans größter privater Universität ist ein Machtkampf zwischen Präsident Mahmud Ahmadinedschad und seinem Widersacher, dem ehemaligen Staatschef Haschemi Rafsandschani, entbrannt. Bisher ist die "Freie Universität" (Daneschgah Asad) mit fast 1,5 Millionen Studenten und Professoren an landesweit 387 Fakultäten und Forschungsstätten noch ein relativer intellektueller Freiraum in der Islamischen Republik, vor allem verglichen mit den staatlichen Hochschulen, die von der Regierung immer strikter an die Kandare genommen werden.

(Foto: dpa)

Ahmadinedschad hatte in der vergangenen Woche versucht, im Eilverfahren ein Gesetz durch das Parlament zu bringen, das ihm erlaubt hätte, das Treuhänder-Kuratorium der Freien Universität mit seinen Vertrauensleuten zu besetzen. Ferner sollte Rafsandschani untersagt werden, das mehrere Milliarden Dollar umfassende Vermögen der Universität in eine religiöse Stiftung umzuwandeln und damit weitgehend unantastbar zu machen. Das Parlament billigte am Sonntag mit großer Mehrheit ein Gegenprojekt, das die Absichten der Regierung umgeht, indem es Universitäten gestattet, sich zu Stiftungen zu erklären. Dies bedeutet für den Augenblick einen Erfolg Rafsanschanis. Doch damit ist der Streit nicht erledigt.

Sofort demonstrierten Parteigänger des Präsidenten, unter ihnen Bassidsch-Milizen, vor dem Parlament und beschimpften die Abgeordneten, die für den neuen Entwurf gestimmt hatten, als "Verräter". Die Rolle des Parlamentspräsidenten Ali Laridschani nannten sie "eine Schande". Der Herausgeber der ultrakonservativen Zeitung Keyhan verlangte die Veröffentlichung der Namen jener Abgeordneten, die für das Gesetz gestimmt hatten. Laridschani wiederum, ein erbitterter Gegner Ahmadinedschads, bezeichnete die Demonstrationen als Ausdruck von Rachsucht.

Der Geistliche Führer Ali Chamenei, der letztlich alles zu entscheiden hat, reagierte bisher ausweichend. Vor Bassidsch-Milizionären und Studenten sprach er sich für "geistige Einheit" aus.

Zuvor hatte das Kuratorium der Universität von der Justiz eine vorläufige Anordnung verlangt, die es dem "Hohen Rat für Kultur-Revolution" untersagte, die Statuten der Daneschgah Asad zu ändern. Der Hohe Rat ist ein Gremium in der Hand Ahmadineschads. Nun muss das Geistliche Verfassungsgericht, wo ebenfalls die Konservativen in der Mehrheit sind, über die Rechtmäßigkeit des vom Parlament beschlossenen Gesetzes entscheiden. Danach könnten Rafsandschanis Leute noch den "Rat für das Staatsinteresse" anrufen, der für die Schlichtung von Streitfällen zwischen den Institutionen der Republik zuständig ist. Da Rafsandschani in diesem Rat den Vorsitz hat, ist er eine seiner Machtpositionen.

Wissenschaftliches Ansehen in Gefahr

Er ist ferner Vorsitzender des Treuhänder-Rates der Universität, die 1982 auf seine Initiative gegründet wurde. Sie hatte sofort große Erfolge, ihr wissenschaftliches Ansehen ist hoch, und sie breitete sich rasch von der Hauptstadt in alle Teile Irans aus. Mehr als hundert wissenschaftliche Zeitschriften werden von der Freien Universität herausgegeben. Sie verfügt über eine digitale Bibliothek, auf die Studenten in 70 ihrer Zweigstellen zurückgreifen können. Politisch galt die Freie Universität immer als Bastion der Gesinnungsfreunde Rafsandschanis. Bei Ahmadinedschad steht sie im Verdacht, sie habe in der Kontroverse um seine Wiederwahl im vergangenen Jahr seine Gegenkandidaten Mir Ali Mussawi und Mehdi Karrubi unterstützt. In der Folgezeit gab es unter den Studenten auf dem Teheraner Universitätsgelände regelmäßig Kundgebungen gegen den umstrittenen Staatschef.

Nicht zuletzt geht es um die Neuwahl des Präsidenten der Universität. Bisher hatte ein Freund Rafsandschanis, Abdallah Dschasbi, dieses Amt inne. Die Konservativen möchten ihn durch den langjährigen Außenminister Ali Akbar Welajati oder durch den früheren Parlamentspräsidenten Gholam-Ali Haddad Ali ersetzen. Keiner von ihnen ist als Freund akademischer Freiheit bekannt.

Weniger Meinungskontrolle

Nicht nur Rafsandschandi hätte von einer Niederlage eine erhebliche Schwächung seines Einflusses im Staat zu befürchten. Noch mehr riskieren Professoren und Studierende. Erstere waren bisher nicht im gleichen Maß der staatlichen Meinungskontrolle ausgesetzt, die an den staatlichen Hochschulen üblich ist: Seit Ahmadinedschad an der Macht ist, sind reihenweise Lehrer entlassen worden, deren ideologische Linientreue in Zweifel gezogen wurde. Falls der Präsident sich durchsetzen kann, wird es auch an der Freien Universität Abhöranlagen und Kontrollen durch Geheimdienst sowie Revolutionsgarden geben.

© SZ vom 29.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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