Interview:Werden Ältere im Beruf benachteiligt?

Ab 35 Jahren gilt man auf dem deutschen Arbeitsmarkt schon als "älter". Hanne Schweitzer vom Kölner Verein gegen Altersdiskriminierung weiß, was das bedeutet.

In Deutschland werde man immer jünger zu alt, meint Hanne Schweitzer, Vorsitzende des KölnerVereins gegen Altersdiskriminierung. Jutta Göricke wollte wissen, von welchem Alter an es kritisch wird.

SZ: Ihr Verein verleiht seit vier Jahren die "Goldene Falte" an Menschen, die sich im Kampf gegen Altersdiskriminierung verdient gemacht haben. Haben Sie schon mal daran gedacht, einen Arbeitgeber auszuzeichnen?

Schweitzer: Das würden wir gerne, wirklich. Aber leider sind Arbeitgeber, die das Alter hoch halten, rar gesät.

SZ: Obwohl es sehr schwierig ist, exakte Zahlen zu nennen, ist klar: Ältere Menschen haben auf dem Arbeitsmarkt sehr schlechte Karten. Ab wann ist man denn heute schon "älter"?

Schweitzer: Eigentlich schon ab 35.

SZ: Das rückt den strapazierten Begriff "Lebenslanges Lernen" in ein ganz anderes Licht.

Schweitzer: In der Tat. Lebenslang bedeutet bis höchstens 40 Jahre. Danach ist zumindest das Arbeitsleben beendet. Das lässt sich gut an Stellenanzeigen belegen, die wir regelmäßig analysieren. Bei der letzten Auswertung der Samstagsausgabe einer überregionalen Tageszeitung etwa ist herausgekommen, dass 106 Stellenangebote mit direkten oder indirekten Altersangaben versehen waren. Dabei waren nur fünf ausdrücklich an über 45-Jährige gerichtet, und gar nur eine bezog über 60-Jährige mit ein.

SZ: Wie wird das Alter umschrieben?

Schweitzer: In der Regel suchen Arbeitgeber Leute mit "erster Berufserfahrung", "einigen Jahren Praxis" oder "eine jüngere Persönlichkeit". Berühmt ist die Formulierung: "Gesucht für junges Team". Diese indirekten Altersangaben haben deutlich zugenommen.

SZ: Vielleicht ein Zeichen vorauseilender Sprachregelung: Das Antidiskriminierungsgesetz, das eine entsprechende EU-Richtlinie fordert, wird bald auch in Deutschland kommen, wenngleich mit großer Verzögerung.

Schweitzer: Ja, diese EU-Richtlinie basiert auf angelsächsischem Recht und ist zum Beispiel in Belgien, Großbritannien und Irland längst umgesetzt.

SZ: Wie kann man denn per Gesetz verhindern, dass ältere Mitarbeiter ausgemustert werden oder im Bewerbungsverfahren erst gar nicht zum Zuge kommen?

Schweitzer: In den USA gibt es seit 1967 ein Gesetz zum Schutz vor Altersdiskriminierung im Beruf. Das hat sich dort schon tief ins Bewusstsein eingegraben. Wer etwa mit 76 Jahren noch arbeiten will, darf das, und jeder findet es normal. Im Lebenslauf oder im Bewerbungsgespräch dürfen keine Altersangaben gemacht werden. Auf ein Foto wird auch verzichtet, weil das Gesetz es so will. Selbst die jeweilige Beschäftigungsdauer in einzelnen Firmen ist tabu.

SZ: Seit Jahren warnen Arbeitsmarkt-Experten vor der demografischen Falle. Warum rennt die Wirtschaft trotzdem munter darauf zu?

Schweitzer: Ältere Mitarbeiter kosten einfach zu viel. Deshalb fordern wir, das Senioritätsprinzip der Bezahlung aufzuheben. Es darf nur noch Leistung zählen und nicht mehr, wie lange man seinen Stuhl angewärmt hat.

SZ: Da mögen Ihnen ja die Alten von morgen folgen. Aber halten Sie so eine Forderung jetzt schon für konsensfähig?

Schweitzer: Nein. Das muss natürlich langsam angepasst werden. Wichtig ist: Wer jetzt ins Berufsleben einsteigt, muss wissen, dass es künftig nur noch nach Leistung geht.

SZ: Gerade die Leistungsfähigkeit, die Motivation sowie die Bereitschaft zu räumlicher und zeitlicher Flexibilität sprechen viele Arbeitgeber älteren Mitarbeitern ab - Kosten hin oder her.

Schweitzer: Das mag im Einzelfall ja auch zutreffen. Aber für die meisten gilt das Gegenteil, das kann ich Ihnen versichern. Denn wir dienen hier als so eine Art Klagemauer. Sie glauben gar nicht, was manche ältere Arbeitssuchende in ihrer Verzweiflung bereit sind zu tun. Motivation? Ortswechsel? Kein Problem.

SZ: Jetzt würde ich gerne noch wissen, wie alt Sie sind.

Schweitzer: Das können Sie gerne fragen. Aber Sie kriegen keine Antwort.

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