Interview:"Versuch das mal anders"

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Azubis können nicht alles online lernen, betont Daniel Boese. Insbesondere im Bereich Technik hält er praktisches Lernen in Anwesenheit eines Ausbilders für unverzichtbar - digitale Medien könne man unterstützend einsetzen. (Foto: oh)

Daniel Boese ist Vorstand der Festo Didactic SE und Experte für technische Bildung. Er erklärt, wie ein gutes Zusammenspiel von digitalen Medien und praktischem Lernen aussehen kann.

Interview von Christine Demmer

Lernen muss vor allen Dingen praxisnah sein, findet Daniel Boese, 41, Vorstand der Festo Didactic SE mit Sitz in Denkendorf (Baden-Württemberg). Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben weltweit führend in der technischen Bildung und setzt auf die Verbindung von Präsenzlernen, praktischem Lernen und Selbstlernphasen durch Hard- und Software.

SZ: Wie schnell fass en Online-Medien in der beruflichen Bildung Fuß?

Daniel Boese: Unsere Kunden setzen stark auf traditionelle, analoge Lernsysteme. Aber das Digitale dringt vor. Das ist weltweit sehr unterschiedlich. Deutschland steht vergleichsweise weit hinten.

Sie verkaufen Ihre Lernsysteme in die ganze Welt und bilden selbst Mitarbeiter in Sachen Technik aus. Was hat der Verkäufer vom Lehrer gelernt?

Bildung ist Wissen und Können, und wir richten uns sehr stark am Können aus. Denn in der beruflichen Qualifizierung geht es häufig um praktische Fertigkeiten, zum Beispiel, wie man ein Automatisierungssystem installiert oder wie man eine Anlage bedient. Die richtige Praxis kann man nicht nur mit einem Online-Handbuch oder einem Video lernen.

Sondern auf welche Weise?

Beim Erwerb von theoretischem Wissen spielen Online-Medien eine wichtige Rolle. Aber wenn ein Mechatroniker lernen soll, wie er ein kleines Automatisierungssystem installiert und in Betrieb nimmt, dann funktioniert das nicht ausschließlich mit elektronischen Medien, sondern über praktische Tätigkeit. Digital Kabel zu ziehen ist witzlos. Sinnvoller ist es, wenn Ausbilder und Auszubildende mit Hilfe eines Tablets überprüfen können, ob im realen Lernsystem die Anwendung funktioniert. Zum Zeitpunkt der Ausbildung, zu dem der Lernende den Hintergrund verstehen muss, werden Erklärtexte oder Videos zugespielt, die er bei Bedarf anklicken kann.

In welchem Bereich ist digitales Lernen zudem sinnvoll?

Es gibt viele Denkschulen in der Pädagogik. Eine heißt: Ich muss ausprobieren und alles selber machen. Selber machen, finden wir gut, aber man muss nicht alles testen. Wenn es etwa um Anwendungen in der Hochspannung geht und man etwas falsch macht, hat man das womöglich zum ersten und letzten Mal ausprobiert.

Angesichts des technologischen Wandel s - welche Rolle spielt der Ausbilder?

Der Lehrer ist der Schlüssel, um den Menschen neues Wissen zu erschließen. Letztlich geht es um den Aufbau von Wissen, Verständnis und Kompetenzen. Beim Lernen muss man mit jemandem reden können, der einem sagt: Hör auf. Versuch das mal anders. Man kann viel aus Videos lernen. Aber nicht Skilaufen.

© SZ vom 01.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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