Interview:"Vermeiden Sie Unterwerfungsstrategien"

Arbeiten in unsicheren Zeiten: Wie man seinen Job behält ohne auszubrennen.

Richard Martin ist Professor für Personal- und Organisationsmanagement an der Fachhochschule Ingolstadt und Autor des soeben im Beltz-Verlag erschienenen Ratgebers "Survivalstrategien für Beruf und Alltag". Jutta Göricke fragte nach.

Richard Martin

"Viele Menschen reagieren nur noch und agieren nicht mehr": Richard Martin.

(Foto: Foto: privat)

SZ: Brauchen Arbeitnehmer tatsächlich Überlebensstrategien für den Beruf?

Martin: Ja, denn viele sind überfordert durch den massiven Veränderungsdruck, der sie im Zuge von betrieblichen Reorganisationen erreicht. Meistens reagieren sie zu langsam und erkennen Frühindikatoren anstehender Veränderungen nicht.

SZ: Als da wären?

Martin: Wechsel an der Führungsspitze, Umstellungen in der Produktpalette, Outsourcing von Betriebsteilen. Oft realisiert ein Arbeitnehmer solche Veränderungen erst, wenn er die Entlassungspapiere in der Hand hält.

SZ: Wechsel in der Chefetage hat es immer gegeben. Was ist denn daran neu?

Martin: Das Tempo und die Dimension. Angesichts des viel schärferen Wettbewerbs, in dem auch mittelständische Unternehmen längst von der Globalisierung eingeholt sind und in Konkurrenz zu indischen oder chinesischen Firmen stehen, kommt es laufend zu Neuausrichtungen in der Organisation. Firmen schließen sich zusammen. Stellen fallen weg, was zu einer ungeheuren Arbeitsverdichtung führt. Was früher von fünf Leuten erledigt wurde, müssen heute drei Kollegen bewältigen, bei gleich hohen Qualitätsanforderungen.

SZ: Mit welchen Konsequenzen?

Martin: Sprechen Sie nur mal mit Ärzten, denen Arbeitnehmer mit Burn-Out-Syndrom die Praxen einrennen. Viele Menschen reagieren nur noch und agieren nicht mehr. In ihrer Angst um den Arbeitsplatz werden sie hektisch, übersehen das Wesentliche und machen Fehler. Die Konkurrenz hat stark zugenommen. Dadurch häufen sich Konflikte, was wiederum dem Betriebsklima nicht zuträglich ist. Viele Führungskräfte beklagen, dass der Ton rauer geworden sei. Das geht bis zum Mobbing.

SZ: Und wie kann man sich in dieser beruflichen Kampfzone panzern?

Martin: Da gibt es glücklicherweise hilfreiche Strategien. Vor allem sollte man sich zum Akteur der Situation machen. Dazu gehört eine kritische Selbstdiagnose. Welche Talente habe ich? Welche Schwächen gilt es zu kompensieren? Wie steht es um meine Machtfülle?

SZ: Ein Arbeitnehmer mit Macht?

Martin: Ja. Mal abgesehen von der Machtquelle, die sich aus einer entsprechenden Position speist, hat jeder die Möglichkeit, sich über Expertise zu profilieren. Oder über seine Ausstrahlung und besondere Persönlichkeit. Eine wichtige Rolle spielen Netzwerke und Kooperationen, die im Ernstfall auch für eine Flucht nach vorne eingesetzt werden können. Nämlich dann, wenn man einen neuen Job sucht - wobei man auch da aktiv und nicht reaktiv vorgehen sollte.

SZ: Jobs sind nicht eben üppig gesät. Was kann man innerbetrieblich tun?

Martin: Vermeiden sollte man Unterwerfungsstrategien. Sie sind kontraproduktiv und fordern den Gegenüber geradezu auf, sich noch stärker durchzusetzen. Deshalb sollte man unbedingt am eigenen Konfliktmanagement arbeiten. Da Konflikte unvermeidbar sind, sollte man konstruktive Lösungen finden, die sich in Win-Win-Situationen im Umgang miteinander ummünzen lassen.

SZ: Viele Menschen geben sich selbst die Schuld am beruflichen Misserfolg - und nicht den schwierigen Bedingungen.

Martin: Man muss lernen, zwischen dem Einfluss der Rahmenbedingungen und den Faktoren, die man selber ändern kann, zu unterscheiden. Nur dann kann man sich auf eigene Stärken besinnen und der Veränderungsangst begegnen.

SZ: Wenn man dann noch zu Hause auf Verständnis trifft, wird alles gut?

Martin: Ein intaktes Privatleben ist natürlich hilfreich. Aber auch da gilt: Selbst ist der Arbeitnehmer. Ein gutes Energiemanagement mit viel Sport, Spiel und Entspannung beugt dem Ausbrennen vor.

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