Interview:Qualität statt Quantität

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Bei Fächern mit wenigen Studenten zu sparen, hält Walter Rosenthal für verkehrt. Denn das Wesen der Universität bestehe in der Vielfalt des Wissens. (Foto: oh)

Forschung jenseits des Mainstreams kann sowohl die Kleinen als auch die Großen Fächer bereichern. Eine eigene Exzellenzinitiative könnte für einen lebendigeren Wettbewerb im Bereich der Kleinen Fächer sorgen.

Interview von Miriam Hoffmeyer

Die Kleinen Fächer haben im Wettbewerb um Forschungsmittel einen schweren Stand. Professor Walter Rosenthal, Präsident der Universität Jena, fordert deshalb eine eigenständige Exzellenzinitiative der Kleinen Fächer, die den interdisziplinären Wettbewerb belebt.

SZ: Gemessen an der Zahl der Studierenden sind "Orchideenfächer" viel teurer als Große Fächer. Müssen sie sich dafür rechtfertigen?

Walter Rosenthal: Tatsächlich ist der Druck auf die Kleinen Fächer gestiegen, seit die Zahl der Studierenden insgesamt stark gewachsen ist. Die Gelder aus dem Hochschulpakt werden entsprechend der Zahl der Studienanfänger vergeben. Zugleich wird der Betreuungsschlüssel in den stark nachgefragten Fächern immer schlechter, beispielsweise in den Sozialwissenschaften. Natürlich kommt dann die Frage auf, ob man nicht bei Fächern mit wenigen Studenten sparen sollte. Aber das Wesen der Universität besteht in der Vielfalt des Wissens, und die Kleinen Fächer machen einen wesentlichen Teil dieser Vielfalt aus.

Welche Kleinen Fächer gibt es an Ihrer Universität?

Die Universität Jena hat aktuell 30 Kleine Fächer. Mit Rumänistik und Kaukasiologie haben wir zwei Studiengänge, die es sonst nirgendwo in Deutschland gibt. Den besonderen Wert dieser Fächer nimmt die Öffentlichkeit nur selten wahr. Die Krisen in der Ukraine und in Syrien zeigen aber, wie schnell das Spezialwissen bestimmter Disziplinen gesellschaftlich wichtig werden kann.

Haben Kleine Fächer im Wettbewerb um Forschungsmittel die gleichen Chancen wie Große Fächer?

Sie sind gleichberechtigt, wenn es um die Förderung einzelner Wissenschaftler geht. Große Förderprogramme wie die Exzellenzinitiative sind allerdings eher auf die Großen Fächer zugeschnitten. Bei den Rankings von Hochschulen spielen diese Förderprogramme eine zentrale Rolle, die Einzelförderung findet dagegen nur geringe Beachtung. Große regionale Verbundprojekte können in den Kleinen Fächern gar nicht erst entstehen, weil für solche Vorhaben nicht genug exzellente Wissenschaftler an einem Ort zusammenkommen. Von den ersten beiden Runden der Exzellenzinitiative haben die Kleinen Fächer kaum profitiert.

Auf welche Weise ließe sich diese Situation ändern ?

Ich plädiere nachdrücklich für eine eigenständige Exzellenzinitiative der Kleinen Fächer. Sie brauchen einen Wettbewerb, der Netzwerke und Zusammenschlüsse der besten Köpfe belohnt, auch interdisziplinär, und zwar auf nationaler Ebene. Der Anspruch an die wissenschaftliche Qualität muss ebenso hoch sein wie in den Großen Fächern. Um die Qualität zu beurteilen, wären allerdings andere Kriterien nötig als die allgemein üblichen. Denn die Zahl der Publikationen, die Höhe der Drittmittel oder Anwendungsaspekte können bei der Beurteilung von Forschungsleistungen der Kleinen Fächer nur bedingt herangezogen werden.

Sehen sie andere Optionen als die genannten Kriterien?

Man sollte die inhaltliche Qualität, Originalität und Solidität der Anträge von internationalen Gutachtern bewerten lassen. Solche Bewertungen sind zwar angreifbar, weil sie scheinbar weniger objektiv ausfallen. Aber in einer Zeit, in der Quantifizierung und Erbsenzählen im Mittelpunkt stehen, halte ich es für sehr sinnvoll, inhaltlichen Bewertungen wieder mehr Freiraum zu geben. Wir schauen leider viel zu wenig auf die Inhalte, sondern achten mehr darauf, wo etwas publiziert wurde. Das hat zur Folge, dass es Forschung abseits des Mainstreams schwer hat - auch in den Großen Fächern. Eine Rückbesinnung auf Inhalte käme allen Disziplinen zugute.

© SZ vom 09.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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