Interview:"Fachkräfte fehlen überall"

Alfred Gaffal Vorstand Bertram Brossardt Hauptgeschaeftsfuehrer Muenchen 04 05 19 15 Alte Messehalle

Bertram Brossardt ist seit 2005 Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Zuvor war er unter anderem Leiter der Abteilung Außenwirtschaft und Standortmarketing im Bayerischen Wirtschaftsministerium.

(Foto: imago/Lindenthaler)

In Bayern herrscht fast Vollbeschäftigung. Vor allem im Gesundheitsbereich und im Baugewerbe werden Arbeitnehmer gesucht. Ein Gespräch mit Bertram Brossardt, Geschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft über den Arbeitsmarkt im Süden.

Interview Von Johanna Pfund

Die Stimmung auf dem Arbeitsmarkt im Süden der Bundesrepublik könnte kaum besser sein: Es herrscht im Grunde Vollbeschäftigung, Betriebe suchen Fachkräfte und Informatiker brauchen sich ohnehin keine Sorgen um einen Job zu machen. Ihre Kenntnisse werden überall benötigt. Und wie sieht die Arbeitgeberseite die Lage? Ein Gespräch mit Bertram Brossardt, dem Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft.

SZ: Was spricht Ihrer Ansicht nach für einen Arbeitsplatz in Bayern?

Bertram Brossardt: Bayern ist ein hochprosperierendes Land und liegt beim Wirtschaftswachstum deutschlandweit an der Spitze. Die Arbeitslosenquote im Freistaat hat im Oktober mit 2,9 Prozent ihren Tiefstwert erreicht und die Nachfrage nach Arbeitskräften ist hoch - gleich in welchen Sektoren. Dazu hat es eine kulturhistorisch bedeutende Landschaft. Kurzum, hier ist gut zu leben und zu arbeiten.

Man hört immer vom Fachkräftemangel. Fehlen tatsächlich Arbeitskräfte, und wenn ja, in welchem Bereich?

Fachkräfte fehlen überall. Natürlich ist die Intensität unterschiedlich und variiert von Region zu Region wie auch von Branche zu Branche. Allein im Jahr 2016 kamen im Freistaat 140 000 neue sozialversicherungspflichtig Beschäftigte dazu, und die Nachfrage nach Arbeitskräften ist weiterhin groß. Mehr als die Hälfte der Unternehmen sieht den Fachkräftemangel als Investitionshemmnis. Gesucht werden Arbeitskräfte vor allem im Mint-Bereich - unabhängig davon, ob eine Ausbildung im dualen System oder an einer Hochschule absolviert wurde. Auch im Gesundheits- und Pflegebereich sowie im Handwerk werden Leute gesucht.

Liegt es nicht daran, dass in diesen Branchen zu wenig Lohn bezahlt wird?

Insgesamt werden in Deutschland mit die höchsten Löhne bezahlt. Die Bezahlstruktur ist auch im Gesundheits- und Pflegebereich besser geworden. Aber die Pflege etwa ist ein stark regulierter Markt, für den Tarife gelten. Generell ist es aber so, dass die Entlohnung für die Arbeit am Menschen bundesweit diskutiert werden muss.

Davon abgesehen - Arbeitnehmer kommen also derzeit fast überall unter?

Ja, es besteht in allen Branchen Bedarf. Selbst Helfer werden in der Industrie gesucht, auch am Bau, in der Bauplanung oder in der Metallbranche.

Schön für die Arbeitnehmer.

Ja, aber nur, solange die Balance gehalten werden kann. Wenn man keine Arbeitskräfte findet, wandert die Arbeit ab. Deshalb haben wir als Verband ein großes Interesse daran, dass sich Arbeitnehmer von der Attraktivität der bayerischen Unternehmen überzeugen lassen.

Wo ist man denn besser aufgehoben, bei einem großen Konzern oder einem kleineren Mittelständler?

Das ist schwer zu beantworten. Letztlich liegt das an der Person selbst, die sich bewirbt. Für manche ist ein kleines oder mittleres Unternehmen mit flacheren Hierarchien besser geeignet, andere bevorzugen die Möglichkeiten, die sich in einem großen Konzern bieten. Das ist eine ganz individuelle Entscheidung. Da würde ich jedem raten, in sich selbst hineinzuhören. Ich coache gelegentlich junge Ingenieure. Nach einer halben Stunde Gespräch können sie die Frage für sich selbst gut beantworten.

Welche Qualifikationen sollten Arbeitnehmer heutzutage mitbringen?

Eine gute Schulbildung, eine Fachqualifikation mit idealerweise guten Noten, hohe soziale Kompetenz und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Die Wertschöpfungsketten sind international, daher wäre es gut, schon während des Studiums Erfahrung und Sprachkenntnisse in anderen Ländern zu sammeln. Aber das allein ist nicht ausschlaggebend: Man sollte sich auf jedem Feld gut bewegen können. Die interkulturelle Kompetenz wird von Jahr zu Jahr wichtiger.

Wo in Bayern und in welcher Branche liegt denn Ihr persönliches Traumziel?

Für mich ist jeder Ort in Bayern ein guter Ort, alle Regionen sind sehr lebenswert. Man kann sich hier überall geborgen fühlen. Meine bevorzugte Branche wäre die Metall- und Elektroindustrie.

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