Interview:Beziehungsarbeit

Interview: Ingrid Müller-Münch.

Ingrid Müller-Münch.

(Foto: Privat)

Warum Paare es lieber verschweigen, wenn die Frau die Hauptverdienerin in der Familie ist.

Interview von Juliane von Wedemeyer

Bei etwa jedem zehnten deutschen Paar verdient inzwischen die Frau das Geld - ganz oder zum großen Teil. Für ihr Buch "Sprengsatz unterm Küchentisch" (Klett-Cotta Verlag, 2013) hat die Autorin Ingrid Müller-Münch mit Therapeuten und Gender-Forschern gesprochen. Vor allem aber hat sie Paare gefragt, was diese Rollenverteilung für ihre Beziehungen bedeutet.

SZ: Der Buchtitel "Sprengsatz unterm Küchentisch" klingt nach Ehekrieg. Wie viele der von Ihnen interviewten Paare sind noch zusammen?

Ingrid Müller-Münch: Alle.

Obwohl sie ihre Situation als extrem belastend empfanden?

Bei einigen hat sich genau dies in der Zwischenzeit geändert: Die Männer haben neue Jobs gefunden.

Es sollte kein Problem sein, wenn Frauen mehr verdienen als ihre Männer . . .

Ist es aber. Ich glaube, die Jüngeren kommen damit besser klar. Die alten Rollenklischees befinden sich im Umbruch. Das müssen sie ja auch. Schließlich haben Frauen heute, statistisch betrachtet, die höheren Bildungsabschlüsse. Die Paare, mit denen ich gesprochen habe, waren allerdings mindestens 30 Jahre alt. Für sie ist das tatsächlich sehr problematisch.

Inwiefern?

Dieses Thema ist auch heute noch schambesetzt. Sobald die Frau Hauptverdienerin ist, tun Paare viel dafür, dass die Umgebung das nicht merkt. Ich habe nur ein Paar gefunden, dessen Namen ich nicht durch ein Pseudonym ersetzen musste. Alle anderen wollten anonym bleiben.

Einen wirklichen Grund gibt es für diese Scham nicht.

Höchstens das gewachsene Rollenbild des Mannes als Ernährer. Verliert er diese Position, verliert er auch sein Ansehen. Dabei hat sich so vieles geändert. Vor allem auf dem Arbeitsmarkt, wo Frauen immer stärker vorpreschen. Sie wollen ja eigentlich unabhängig sein, müssen dies auch angesichts der hohen Scheidungsrate. Trotzdem sieht das gängige Lebensmodell nach wie vor so aus, dass er volle Kanne arbeitet und sie in Teilzeit, um genügend Zeit für Haushalt und Kinder zu haben. Die von mir porträtierten Paare leben dieses Modell umgekehrt, die meisten allerdings unfreiwillig, weil er arbeitslos geworden ist. Da spielt das empfundene Scheitern natürlich auch eine Rolle. Ein Mann fällt in dieser Situation erst einmal ins gesellschaftliche Nichts. Die Rolle als Hausmann ist nicht anerkannt. Männer empfinden es oft als unter ihrer Würde, den Staubsauger in die Hand zu nehmen.

Weil sie glauben, sie verlören dadurch ihre Männlichkeit?

Ja, aber meine Interviews haben gezeigt, dass auch die Frauen an den alten Klischees hängen. Der Mann mit dem Staubtuch in der Hand ist für sie eben kein Sexsymbol. Sie haben da eher George Clooney im Kopf, und von dem gibt es keine Fotos, die ihn mit Mopp zeigen. Dieses Traumbild setzt die Männer unter Druck. Manchmal bis zur Impotenz. Es ist ja auch ein Machtthema. Für viele Männer ist es schwierig, wenn die Frau mehr verdient, weil Geld nun mal Macht bedeutet.

Und wie kann es dann funktionieren?

Mit Großzügigkeit und Gelassenheit. Als Beispiel: Übernimmt der Mann Aufgaben im Haushalt, muss die Frau eben damit leben, dass er sie auf seine Weise erledigt.

Trotzdem bleibt die Frage nach der eigenen Bedeutsamkeit für die Familie, die Partnerin und für die Gesellschaft.

Diese muss man aber nicht vom Einkommen oder beruflichen Erfolg abhängig machen. Dazu braucht man allerdings Selbstvertrauen. Man darf sich nicht darum kümmern, was die Umwelt sagt. Bei einem der Paare funktioniert das sehr gut, obwohl auch er unfreiwillig zu Hause bleiben musste. Sie verdient das Geld, und er schmeißt den Haushalt, plant die zahlreichen Reisen bis ins Detail und radelt tagsüber durch die Stadt, um die Lebensmittelläden nach Sonderangeboten zu durchforsten und jeden Abend ein tolles Essen zu kochen. Mittlerweile sind beide sehr glücklich so.

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