Internationale Berufsabschlüsse:Die Gelegenheitssucher

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In Birma waren Maung Maung Kyaw und seine Frau angesehene Anwälte. Nach ihrer Flucht sind sie in Deutschland arbeitslos. Das hat nicht nur mir ihren ausländischen Zeugnissen zu tun.

Varinia Bernau

Den Unterschied zwischen seiner alten und seiner neuen Heimat erklärt Maung Maung Kyaw an seiner Kaffeetasse. Um die unversehrt von einem Ort zum anderen zu bringen, muss es Regeln geben: Man kann die Tasse in Zeitungspapier hüllen, eine Tüte darum wickeln oder sie in einen Karton stellen. Nur: Je mehr Regeln es gibt, je mehr Schichten also um die Tasse gelegt werden, desto komplizierter wird es, sie zu transportieren. Die Deutschen machen es gründlich. Sie setzen auf Tüte, Papier und Karton. In Asien, sagt Maung Maung Kyaw, begnüge man sich mit Zeitungspapier - und vertraue darauf, dass nichts zu Bruch geht.

"Ich wünsche mir nur eines: Dass ich irgendwo die Chance bekomme, mein Wissen einzubringen": Maung Maung Kyaw findet als Anwalt in Deutschland keine Arbeit. (Foto: Foto: AP)

Das komplizierte Regelwerk in Deutschland ist ein Grund dafür, dass Maung Maung Kyaw, der in Birma als Anwalt arbeitete und in Thailand Investoren beriet, nun in seinem Wohnzimmer im siebten Stock eines Plattenbaus am Münchner Stadtrand sitzt und sagt:"Ich wünsche mir nur eines: Dass ich irgendwo die Chance bekomme, mein Wissen einzubringen." Seit drei Jahren sucht er nach Arbeit, im Internet und in den Gelben Seiten, über Stellenanzeigen in der Zeitung und an Messeständen.

Lockerung der Regeln

Vielleicht wird die Suche bald leichter sein, denn das Bundeskabinett hat sich vor kurzem darauf verständigt, die starren Regeln in Deutschland zu lockern: Von 2011 an sollen Zuwanderer einen gesetzlichen Anspruch auf die Anerkennung ihrer Berufsabschlüsse erhalten. In Deutschland leben fast drei Millionen Menschen, die ihren Abschluss im Ausland gemacht haben, aber nicht einmal jeder Fünfte davon übt den erlernten Beruf aus.

Die Maßnahme sei ein Schritt in die richtige Richtung, sagt Maung Maung Kyaw. Aber leichter werde seine Jobsuche nun kaum. Seine Geschichte zeigt, dass viel mehr als das Zeugnis darüber entscheidet, ob jemand Arbeit findet oder nicht.

Gefälschte Anklagen

Maung Maung Kyaw, 58 Jahre alt, stammt aus Birma: Jenem Land, in dem sich das Militär 1988 an die Macht putschte - und sich dort seither mit harter Hand hält: Bei den von buddhistischen Mönchen angeführten Aufständen im Herbst 2007 wurden bis zu 4000 Menschen festgenommen und zu drakonischen Haftstrafen verurteilt. Als im Mai 2008 ein Wirbelsturm über das Land fegte, 138.000 Menschen ums Leben kamen und zwei Millionen obdachlos wurden, sperrte sich die Militärjunta tagelang, ausländische Hilfsgüter und Helfer ins Land zu lassen.

Auch Maung Maung Kyaw und seine Frau Yin Yin Than bekamen die Härte des Militärs zu spüren. "Weil wir das Recht kannten und anzuwenden wussten", wie sie sagen. Sie verteidigten Politiker der National League for Democracy, die 1990 unter Aung San Suu Kyi, die Wahlen gewann, aber nie anerkannt wurde. Es waren keine fairen Prozesse, sondern gefälschte Anklagen. Ein abgekartetes Spiel, bei dem Maung Maung Kyaw und seine Frau nur verlieren konnten. Schließlich nahmen die Behörden ihm seine Zulassung. "Sie haben alles getan, damit ich meinen Beruf aufgebe."

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Maung Maung Kyaw am meisten vermisst.

1991 floh Maung Maung Kyaw gemeinsam mit seiner Frau und seinem Sohn nach Thailand. Freunde hatten ihn an Geschäftsleute vermittelt. Die gaben ihm Schutz und einen Job: Er beriet, zumeist auf Englisch, Investoren aus aller Welt, die ihre Fabriken nach Thailand verlagern wollten. Er erstellte Prospekte, arbeitete Verträge aus und verdiente so gut, dass seine Frau daheim bleiben und sich um den Sohn kümmern konnte. Es ging ihnen gut, nicht nur wirtschaftlich: Maung Maung Kyaw reiste zu Geschäftspartnern nach Australien, Japan, Kanada und Malaysia. Diesen Austausch, der weit über Zahlen und Paragraphen hinausging, vermisse er am meisten, sagt er.

Instabile Lage

Doch die politische Lage war instabil. Im Juni 2006 floh die Familie erneut. Wenige Wochen nur, bevor das Militär auch in Thailand putschte, gelangten sie mit Hilfe professioneller Schleuser nach Deutschland. Hier hat Maung Maung Kyaw einen Deutschkurs absolviert, hier hat er eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsgenehmigung. Er darf also arbeiten, anders als Flüchtlinge, die nur geduldet sind. Aber es ist überall dasselbe: "Sie müssen Ihr Deutsch verbessern", sagen sie ihm. Bei der Jobmesse, bei der Beratungsstelle, beim Amt. Er versteht gut Deutsch, aber er kann es noch nicht gut sprechen. Wenn das Telefon klingelt, antwortet er automatisch auf Englisch. Er möchte die Geduld der anderen nicht strapazieren.

Zahlen sind überall gleich

Vielleicht, denkt Maung Maung Kyaw manchmal, wäre es in England, den USA oder in Kanada leichter. Aber wer vor dem Militär flieht, von einem auf den anderen Tag aufbrechen muss, der kann seine neue Heimat nicht auswählen wie eine Feriendestination. Vielleicht, denkt er auch manchmal, hätte er es als Ingenieur leicht. Zahlen sind überall gleich. "Bei einem Anwalt ist die Sprache wichtig."

Seine Frau, Yin Yin Than, hat sich bereits erkundigt, ob sie nicht auch als Altenpflegerin arbeiten könnte. Sie hat einst ihre kranke Mutter und auch ihre Tante betreut. Wenn sie ihren Deutschkurs beendet hat, möchte sie eine Umschulung machen. Ihr sei die Arbeit als Anwältin bei weitem nicht so wichtig wie ihm. Damals in Birma hat sie die Verhandlungen vorbereitet, Protokolle getippt. Er stand im Gerichtssaal.

Schwarz-weiße Zuversicht

In einer dunklen Plastikmappe bewahren die beiden ihre Diplome auf, die sie bald anerkennen lassen können. Die schwarzweißen Passfotos auf ihrem Anwaltsschein zeigen junge Menschen, die zuversichtlich in die Zukunft schauen. Ein bisschen wie ihr Sohn, 17 Jahre, auf einem Foto an der Wohnzimmerwand: Im Sommer wurde er, obwohl erst drei Jahre in Deutschland, als bester Absolvent seiner Schule ausgezeichnet. Ihm falle das Lernen viel leichter, wissen die Eltern. Eines Tages, sagt Yin Yin Than und lächelt verlegen, könnte er vielleicht als Arzt arbeiten. "Krankheiten müssen überall in der Welt geheilt werden."

© SZ vom 23.12.2009/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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