Inhalte des Bachelor-Studiums:Ohne Grundlagen geht es nicht

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Wie eine bunte Pralinenschachtel: Kaum jemand weiß noch, was sich hinter den teils spannend klingenden Namen der zahlreichen Bachelor-Studiengänge verbirgt. Manchmal werden bestehende Titel sogar dem Zeitgeist entsprechend umgetauft. Angehende Studenten sollten sich vor Mogelpackungen allerdings hüten.

Eva Keller

Die klassischen Orchideenfächer haben Konkurrenz bekommen: Fitnessökonomie, Rescue Engineering, International Fashion Retail Management - das sind die neuen Exoten. Aber nicht etwa unter den Master-Studiengängen, sondern unter den grundständigen Bachelor-Studiengängen. Jene Ausbildungsstufe also, die nach der Logik der Bologna-Reform für eine breit angelegte Qualifizierung sorgen soll. Spezialisierung, das ist eigentlich Sache des Master-Studiums.

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Doch das hat sich längst geändert. Zwischen mehr als 7000 Bachelor- und 6000 Master-Studiengängen können Studieninteressierte heute wählen. Allein schon an diesen Zahlen lässt sich erkennen: Die Reform hat ein paar Blüten getrieben. Doch oftmals stecken hinter den hoch spezialisiert klingenden Bezeichnungen relativ herkömmliche Ausbildungen.

Denn tatsächlich sind "die wirklich spezialisierten Bachelor-Studiengänge die Ausnahme. Allerdings ist die Kreativität bei der Namensgebung teilweise sehr groß", erklärt Henning Dettleff, der bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände für den Bereich Hochschulpolitik zuständig ist. Es seien, so sagt er, vor allem Fachhochschulen und insbesondere solche in privater Trägerschaft, die hier mit ungewöhnlichen Ausbildungsangeboten auffallen - beziehungsweise auf dem riesigen, beinahe unüberschaubaren Bildungsmarkt auch auffallen müssen.

Verwunderlich ist das nicht: Fachhochschulen haben die Interessen der Studenten und die Bedürfnisse der Arbeitgeber gleichermaßen im Blick, zumal Profilschärfung in Lehre und Forschung mittlerweile für Hochschulen dazugehört. So sind nach Erfahrungen von Beratern Angebote mit dem Zusatz "Management" im Titel anscheinend sehr gefragt. Auch alles, was irgendwie mit Medien oder Umwelt zu tun hat, scheint gerade besonders en vogue zu sein.

Manchmal werden nicht einmal eigene Studiengänge zum Thema kreiert, sondern bestehende schlicht umgetauft, dem Zeitgeist entsprechend. Um beispielsweise den Frauenanteil bei Studenten der Ingenieurwissenschaften zu erhöhen, wurde aus dem Bachelor "Elektrotechnik" kurzum der Bachelor "Energieökologie". Die Folge war, dass plötzlich viele Frauen bei Berufsberatungen Interesse an der Fachrichtung zeigten - bis sie feststellten, dass Höhere Mathematik und Elektrotechnik den Lehrplan bestimmen. Manch einer bemerkt das jedoch erst während des Semesters.

"Oft werden Studiengänge angeboten wie bunt verpackte Pralinen", sagt Susanne Kühn, Berufs- und Studienberaterin für Abiturienten in der Stuttgarter Agentur für Arbeit: "Wenn die Jugendlichen dann zu uns kommen, geht es darum, das glitzernde Papier zu öffnen und zu schauen, ob der Inhalt wirklich schmeckt." Zusätzlich zu den Beratungsangeboten von Arbeitsagenturen und Hochschulen empfiehlt Kühn daher unbedingt, in die Studienpläne und Modulhandbücher einen Blick zu werfen. Diese haben Fachbereiche in der Regel auf den Homepages veröffentlicht.

Auf diese Weise lassen sich Enttäuschung ebenso wie Selbsttäuschung vermeiden. Wer zum Beispiel "Eventmanagement" studieren will und denkt, auf diese Weise weniger aufregende Fächer wie Betriebswirtschaftslehre und Rechnungswesen umschiffen zu können, liegt falsch: "Die Grundlagen müssen schließlich vermittelt werden", stellt Kolja Briedis klar, der beim HIS-Institut für Hochschulforschung in Hannover Bachelor-Studium und -Absolventen beobachtet.

"Wer ,Rescue Engineering' studiert, kommt ohne Ingenieurwissenschaften nicht aus; wer ,Arboristik' studiert, baut auf den Forstwissenschaften auf." Und falls ein Interessent gerne am eigenen Auto schraubt, ist er nicht unbedingt prädestiniert für "Fahrzeug- und Motorentechnik". Bei diesem Studium muss man sich mit Experimentalphysik und Mathematik auseinandersetzen. Ganz so anwendungsorientiert, wie die entsprechenden Namen es suggerieren, sind die Studiengänge also nicht immer - selbst wenn die Fachhochschulen sich Praxisnähe auf die Fahnen schreiben.

Wären Studiengänge aber tatsächlich nur so schmalspurig, wie die einen fürchten und die anderen hoffen - also so auf einen Aspekt festgelegt, dass es an Grundlagen fehlt -, hätten sie kaum eine Genehmigung bekommen. Die mit der Lizenzierung beauftragten Akkreditierungsagenturen mischen sich zwar nicht in die inhaltliche Ausgestaltung eines Studiengangs ein, prüfen aber dessen Qualität und Relevanz. Manchmal genehmigen sie einen Studiengang nur unter Auflagen, weil etwa Lehr- und Lernformen nicht optimal sind oder es an praxisnahen Elementen fehlt. Auch solche Details lassen sich in der Datenbank des Akkreditierungsrates nachlesen.

Ohne Grundlagen geht es nicht, auch wenn das Fachnoch so exotisch klingt. (Foto: dpa)

Berater halten es zudem für sinnvoll, den Lehrplan des angestrebten Faches mit denen verwandter Studiengänge zu vergleichen, etwa Luft- und Raumfahrttechnik mit Maschinenbau. Die Unterschiede sind oft so marginal, dass es für jemanden, der Interesse und zudem gute Noten mitbringt, keinen Grund gibt, sich derart frühzeitig auf ein kleines Gebiet festzulegen.

Mit einer breiteren Fächerung kann man sich alle Optionen offenhalten und eine Spezialisierung erst nach dem Bachelor anpeilen. Zudem sind viele Branchen konjunkturabhängig. So kann etwa die Automobilindustrie nicht unbegrenzt Interior Designer aufnehmen, und die Fitness- und Wellness-Branche braucht manchmal Kunden dringender als Manager.

Unbestritten ist allerdings, dass es auch dringend notwendige, auf bestimmte Branchen zugeschnittene Ausbildungen gibt: Versicherungsmanagement ist nur ein Beispiel, zahlreiche duale Studiengänge liefern weitere. Wenn allerdings mit der konzentrierten Hochschulausbildung die Nähe zum Arbeitgeber wie beim Dualen Studium schon angelegt wird, müssen sich Studenten kaum Sorgen um ihre beruflichen Perspektiven machen. Auch viele Hochschulen bieten eben Studiengänge an, die zwar nicht direkt mit Firmen verknüpft sind wie beim Dualen Studium, aber zur Gegend passen, so etwa Qualifizierungen für die Automobilbranche im Stuttgarter Raum, in dem unter anderem die großen Autokonzerne Daimler und Porsche angesiedelt sind.

Wenn solche Bedingungen nicht gegeben sind, hängt die Frage, ob eine Spezialisierung schon im Bachelor sinnvoll ist, von der Persönlichkeit und den Erfahrungen des Einzelnen ab: Bringt jemand eine besondere Leidenschaft für ein Fach mit, kann man schwer von einer starken Spezialisierung abraten - weder von einem neuen exotisch wirkenden Studiengang noch einem traditionellen aber selten gewählten Fach wie Paläontologie, Mineralogie oder Hydrologie. Wenn jemand bereits berufliche Erfahrungen gesammelt hat und den Bachelor zur Weiterbildung nutzen will - wie "BWL für Spitzensportler" und "Management für Kindertagesstätten", ist die Entscheidung hingegen stimmig. Solche Interessenten brauchen Spezialisierung nicht scheuen.

Ansonsten scheint es der bessere Rat zu sein, mit Grundlagen einzusteigen. "Ein breites Fundament ist besonders wichtig für Leute, die sich noch finden müssen", erklärt Beraterin Susanne Kühn. Ist das geschafft, gibt es immer noch den Master.

© SZ vom 08.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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