Ingenieursmangel:"Blue Card" soll Fachkräfte locken

Willkommen in Deutschland: Eine "Blue Card" soll Spitzenkräften aus Nicht-EU-Staaten künftig die Einwanderung nach Deutschland erleichtern. Händeringend gesucht werden vor allem Arbeitskräfte in naturwissenschaftlich-technischen Berufen - doch selbst die Bundesregierung zweifelt am Erfolg der Neuerung.

Thomas Öchsner

Top-Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten können künftig mit der neuen "Blauen Karte EU" (Blue Card) leichter als bislang nach Deutschland kommen. Dies beschloss am Mittwoch das Bundeskabinett. Den Fachkräftemangel in den sogenannten Mint-Berufen - Mint steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik - dürfte dies jedoch kaum lösen.

BA sieht nur geringen Fachkräftemangel

Die Blue Card soll Fachkräften aus Nicht-EU-Staaten das Arbeiten in Deutschland erleichtern. Doch selbst die Bundesregierung hat wenig Hoffnung, dass dadurch der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften behoben wird.

(Foto: dpa)

Bei der Zuwanderung von Akademikern, die nicht aus einem der 27 Staaten der Europäischen Union stammen, entfällt künftig die sogenannte Vorrangprüfung. Arbeitgeber müssen dann nicht mehr nachweisen, dass sie für die offene Stelle keinen inländischen Bewerber finden.

Außerdem soll es künftig drei Mindesteinkommensgrenzen geben: Fachleute, die einen der 60 Berufe in den Mint-Sparten abdecken, in denen ein besonderer Mangel herrscht, müssen mindestens 33.000 Euro verdienen. Dann erhalten sie die Blaue Karte und damit ein bis zu vier Jahre langes Aufenthaltsrecht. Nach zwei Jahren ist es möglich, sich dauerhaft in Deutschland niederzulassen.

Fachkräfte mit anderen Berufen aus Nicht-EU-Staaten müssen für die Blue Card in der Regel einen Hochschulabschluss und einen Arbeitsvertrag mit einem Einkommen von mindestens 44.000 Euro vorlegen. Ehepartner von Besitzern der Blauen Karte dürfen in Deutschland arbeiten, ohne dass die Bundesagentur für Arbeit zustimmen muss. Wer mehr als 48.000 Euro jährlich verdient, erhält sofort ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht - außer er oder sie bezog innerhalb der ersten drei Jahre Sozialleistungen.

Bislang lag hier die Untergrenze bei 66.000 Euro, aber der Betrag war offensichtlich vielen akademisch ausgebildeten Zuwanderern aus Nicht-EU-Staaten zu hoch: Nach Angaben des Bundesamtes für Migration erhielten im Jahr 2011 bis Ende September gerade einmal 661 Hochqualifizierte eine Niederlassungserlaubnis. Neu eingereist waren davon in diesem Jahr nur 149.

"Willkommenssignal" an ausländische Studenten

Die Bundesregierung macht sich allerdings keine großen Hoffnungen, dass sich durch die niedrigere Einkommensgrenze viel ändert: Im Gesetzesentwurf geht sie nun von etwa 1750 Fällen aus. Hinzukommen könnten jährlich etwa 3500 Fachkräfte mit einer Blauen Karte und einige 1000 ehemalige ausländische Studenten.

Sie dürfen schon jetzt nach Abschluss ihres Studiums ein Jahr lang einen Job suchen, der ihrer Qualifikation entspricht. Dabei bleibt es auch. Künftig dürfen sie aber in dieser Zeit jede Arbeit annehmen, um Geld für ihren Lebensunterhalt zu haben. Derzeit geht dies nur 90 Tage. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) nannte dies ein "wichtiges Willkommenssignal" an ausländische Studenten.

Reaktionen auf die Blue Card

Der Gesetzesentwurf des Bundesinnenministeriums muss noch Bundestag und Bundesrat passieren. Die Blaue Karte dürfte deshalb erst Mitte nächsten Jahres gültig werden. Deutschland ist ohnehin spät dran: Mit den neuen Regelungen wird die Hochqualifizierten-Richtlinie der EU umgesetzt - und die stammt aus dem Jahr 2009.

Um die neuen Regeln hatte die schwarz-gelbe Koalition lange gerungen. Die Wirtschaftsverbände, Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und die FDP drängten darauf, die Bestimmungen zu lockern. Vor allem in der CSU gab es dagegen Bedenken.

In Berlin wurde der Entwurf unterschiedlich bewertet. Bundesbildungsministerin Schavan sagte, er biete ausländischen Top-Arbeitskräfte "eine interessante Perspektive für einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland".

Die Grünen kritisierten dagegen, dass die Regierung zu wenig tue, um die Bundesrepublik für qualifizierte Einwanderer attraktiver werden zu lassen. Das Aufenthaltsrecht davon abhängig zu machen, ob jemand seinen Arbeitsplatz verliert und Sozialleistungen bezieht, "verstößt gegen eine Säule des Zuwanderungsrechts", sagte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Brigitte Pothmer. Dies sei das deutliche Signal an die ausländischen Fachkräfte: "Wir wollen euch nicht."

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben, bewertete die neue "Blue Card" positiv, nannte die zunächst geltende Befristung für den Aufenthalt allerdings "nicht glücklich, aber von der Europäischen Union vorgegeben". Wansleben warnte zugleich vor neuen Beschränkungen. Sie seien "der falsche Weg, um ein deutliches Willkommenssignal zu senden".

Auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) bewertete die geplanten neuen Zuwanderungsregeln grundsätzlich positiv. "Die Erleichterungen müssen jetzt zügig und unbürokratisch umgesetzt werden. Auch die zuständigen Behörden sollten eine echte Willkommenskultur für ausländischen Fachkräfte leben", forderte die BDA.

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