Iglu-Studie:Test-Marathon für Schüler

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Von Jeanne Rubner

München - Jahrzehntelang hatte Deutschland seine Schüler von internationalen Leistungsstudien verschont. Mit der Mathematik- und Naturwissenschaftsstudie Timss begann im Jahr 1996 allerdings einer wahrer Test-Marathon. Bisheriger Höhepunkt dürfte Pisa gewesen sein, dessen Ergebnisse im Dezember 2001 beziehungsweise Juni 2002 für den Bundesländervergleich (Pisa-E) erschienen. Im April 2003 folgte Iglu. Die "Internationale Grundschul-Leseuntersuchung" prüfte insgesamt 147.000 Viertklässler in 35 Staaten weltweit. In Deutschland waren gut zehntausend Kinder an 245 Schulen beteiligt. Für den zweiten Testtag, an dem es um Mathematik, Naturwissenschaften, Rechtschreiben und Aufsatz ging, entschieden sich zwölf Bundesländer. Nur sieben Länder schickten jedoch ausreichend viele Schulklassen ins Rennen, um statistisch aussagekräftige Ergebnisse für den nationalen Vergleich Iglu-E zu liefern.

Die internationalen Iglu-Ergebnisse wurden mit Erleichterung aufgenommen. Während Deutschlands Schüler bei Pisa die blamablen Plätze 21 und 25 (von 32) belegt hatten, schnitten sie bei Iglu mit Platz elf (Lesen), sechs (Naturwissenschaften) und zwölf (Mathematik) vergleichsweise gut ab. Damit lag Deutschland im vorderen Drittel. Spitzenländer beim Lesen waren Schweden, England und die Niederlande. Während bei Pisa zum Beispiel 40 Prozent der getesteten 15-Jährigen gesagt hatten, sie läsen nicht zum Vergnügen, waren es bei Iglu nur zehn Prozent, die ungerne ein Buch in die Hand nehmen. Auch sind die Leistungsunterschiede zwischen starken und schwachen Lesern in der Grundschule längst nicht so ausgeprägt wie in den 9. und 10. Klassen der weiterführenden Schulen.

Die Iglu-Forscher wollten der deutschen Grundschule dennoch nicht nur gute Noten geben. Zur Gruppe der Spitzenleser gehören nur 18 Prozent der deutschen Viertklässler, während es in England fast ein Drittel ist. Und eine Risikogruppe von immerhin zehn Prozent kann zwar Wörter in einem Text lesen, sie aber nicht im Zusammenhang verstehen. Weitere 30 Prozent bräuchten nach Meinung von Iglu-Studienleiter Wilfried Bos von der Universität Hamburg speziellen Förderunterricht. Alarmiert zeigten sich Bos und Kollegen auch darüber, dass ein Fünftel der Grundschüler mit erheblichen Defiziten im Rechnen die Grundschule verlassen. Migrantenkinder würden außerdem nicht ausreichend gefördert. Wer in der Grundschule zur Risikogruppe gehöre, so die Warnung der Iglu-Forscher damals, werden mit großer Wahrscheinlichkeit später den Anschluss nicht mehr schaffen.

© SZ vom 29.1.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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