Iglu: Diskussion um Grundschule:Sind vier Jahre zu kurz?

Grundschulen schneiden in Bildungsstudien regelmäßig besser ab als die weiterführenden Schulen. Deshalb fordern Eltern und Lehrer, die Kinder nicht mehr so früh aufzuteilen. Doch das ist höchst umstritten.

B. Taffertshofer

Für Grundschulpädagogen gibt es schon lange keine Zweifel mehr: Die Grundschule ist die beste Schule in Deutschland. Die Ergebnisse der neuen Iglu-Studie seien nur ein weiterer Beleg dafür, sagt Horst Bartnitzky, Vorsitzender des Grundschulverbandes. Deshalb will ihm auch nicht einleuchten, warum man die erfolgreiche Arbeit schon nach vier Jahren beendet. Bartnitzky ist nicht der einzige, der die Kinder gerne noch eine Weile länger in den Grundschulen behalten würde, bevor sie auf Gymnasien, Real- und Hauptschulen sortiert werden. Doch ob eine längere, gemeinsame Schulzeit tatsächlich hilfreich wäre, die guten Leistungen der Grundschüler zu bewahren, ist unter Bildungspolitikern höchst umstritten.

Iglu: Diskussion um Grundschule: Grundschüler: Nur in Deutschland und Österreich werden Kinder bereits im Alter von neun oder zehn Jahren auf verschiedene Schularten aufgeteilt.

Grundschüler: Nur in Deutschland und Österreich werden Kinder bereits im Alter von neun oder zehn Jahren auf verschiedene Schularten aufgeteilt.

(Foto: Foto: ap)

Nur in Deutschland und Österreich werden Kinder bereits im Alter von neun oder zehn Jahren auf verschiedene Schularten aufgeteilt. Viele Grundschulpädagogen und Eltern klagen, vier Grundschuljahre seien zu kurz. Bereits in der dritten Klasse laste ein enormer Druck auf den Kindern, den Wechsel auf ein Gymnasium zu schaffen. Unterstützung erhalten sie von den Bildungsforschern der OECD. Sie ermahnen Deutschland regelmäßig, den Zeitpunkt zur Trennung der Schüler zu verschieben, um die Bildungschancen von Kindern aus armen Familien zu verbessern.

Schulwechsel soll leichter fallen

Doch bislang will nur die schwarz-grünen Koalition in Hamburg die Grundschulzeit auf sechs Jahre verlängern. In Bayern stieß die FDP an diesem Dienstag noch auf den harten Widerstand des Koalitionspartners, als sie - ebenso wie Grüne und SPD - eine ähnliche Reform wie im Norden forderte. Die CSU will stattdessen in der fünften Jahrgangsstufe sogenannte Gelenkklassen einführen, in denen den Kindern künftig ein Schulwechsel leichter fallen soll. Wie sie allerdings auf drei verschiedenen Schularten auf gleichem Niveau unterrichtet werden sollen, ist noch offen.

Gegner der sechsjährigen Grundschule berufen sich gerne auf eine Studie des Bildungsforschers Rainer Lehmann. Er hat die Leistungen Berliner Grundschüler und Gymnasiasten verglichen. Dort sind, wie in Brandenburg, zwar sechs Jahre Grundschule von jeher die Regel, doch im Ausnahmefall können Schüler schon nach der vierten Klasse ans Gymnasium wechseln. Lehmanns Studie ergab, dass die Schüler an Gymnasien deutlich mehr lernen als an Grundschulen. Doch viele Kollegen aus der Wissenschaft kritisieren diesen Vergleich. Denn Lehmann hat nicht ein System, in dem alle Schüler nach vier Jahren aufgeteilt werden, mit einem System verglichen, in dem dies später geschieht. Er bezieht sich nur auf einen erlesenen, leistungsstarken Kreis, der innerhalb des sechsjährigen Systems vorzeitig aufs Gymnasium drängt.

Empfehlungen sind fehleranfällig

Eine eindeutige Entscheidung für oder gegen sechs Jahre Grundschule ist zumindest wissenschaftlich momentan nicht möglich. Auch die Ergebnisse zu den Schullaufbahn-Empfehlungen in der Iglu-Studie, die auf Wunsch der Kultusminister erst im Frühjahr 2009 veröffentlicht werden sollen, werden keine Antwort liefern. Aus vorliegenden Daten ergibt sich aber: Empfehlungen zum Übertritt nach der vierten Klasse sind sehr fehleranfällig. Egal, ob Lehrer oder Eltern entscheiden. Leidtragende sind besonders jene Schüler, deren Eltern sich in der Schule eher selten zu Wort melden. Die Fähigkeiten von Migranten- und Arbeiterkindern werden oft unterschätzt, selbst dann, wenn sie genauso gute Noten wie ihre Mitschüler haben. Eine solche Diskriminierung ist aber auch nach sechs Jahren Grundschule nicht ausgeschlossen, denn Gelenkstellen im Bildungssystem erweisen sich oft als Verstärker von Ungleichheiten.

Bildungsforscher Ulrich Trautwein vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin plädiert deshalb für standardisierte Beurteilungen und Leistungstests vor dem Übertritt sowie eine intensive Beratung der Eltern. Im Schweizer Kanton Freiburg machen die Schulen damit gute Erfahrungen.

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