Ideenwettbewerb Generation D:Pendelnd zur Selbständigkeit

Drei Berliner Studenten mussten zu lange auf den Bus warten - und gründeten daraufhin das Unternehmen Citypendler. Eine Erfolgsgeschichte.

Matthias Stoffregen

Es war einer dieser regnerischen Tage im März 2007. Paul Vierkant und Daniel Auener standen wieder einmal an einer Haltestelle und warteten vergeblich auf den Bus. "Die Busfahrer der Berliner Verkehrsgesellschaft streikten für höhere Löhne", erinnert sich Vierkant, "und die BVG hatte viel zu spät einen Notverkehr eingerichtet." Die missliche Lage brachte die damaligen Studenten aber auf eine clevere Idee, die sie schon bald in die Tat umsetzten. Vierkant und Auener beobachteten nämlich, dass in vielen vorbeifahrenden Autos nur eine Person saß. Schnell waren sie sich einig, dass allein zu fahren in den Städten sowohl ökonomisch als auch ökologisch Unsinn ist. "Wenig später starteten wir unser Projekt Citypendler", erzählt Auener, eine Mitfahrzentrale für Kurzstrecken im Internet.

Ideenwettbewerb Generation D: Mit ihrem Unternehmen Citypendler wollen vier ehemalige Berliner Studenten auch die Umwelt schützen.

Mit ihrem Unternehmen Citypendler wollen vier ehemalige Berliner Studenten auch die Umwelt schützen.

(Foto: ag.ap)

Als Verstärkung holten sie Marc Schachtel dazu, der wie Auener Informatik studierte. "Zunächst wussten wir nicht, ob sich das Projekt tatsächlich umsetzen lässt", erinnert sich Vierkant. Deshalb bewarben sie sich Anfang 2008 mit ihrem Konzept bei Generation-D, einem Wettbewerb von Studenten für Studenten. Das Urteil der Jury machte ihnen Mut: Vierkant, Schachtel und Auener landeten mit ihrem Projekt in der Kategorie Klima und Umwelt auf dem ersten Platz.

Schon im Juni 2008 stellten sie die erste Version von www.citypendler.de online. Die Mitfahrzentrale funktioniert bis heute nach demselben, einfachen Prinzip, erklärt Vierkant: Autofahrer tragen ihre Fahrtroute mit möglichen Haltepunkten auf der Internetseite ein. Dazu geben sie Tag, Uhrzeit, Preis und Zahl der vorhandenen Plätze an. Der potentielle Fahrgast kann sich eine passende Route aussuchen und sich per Handy oder Internet mit dem Anbieter in Verbindung setzen. Im Januar 2009 gründeten die drei Männer, die mittlerweile ihr Studium an der Freien Universität Berlin abgeschlossen haben, "Green Internet Solutions GmbH", um für ihre Mitfahrzentrale eine wirtschaftlich solide Grundlage zu schaffen. "Für die Professionalisierung unserer Internetplattform brauchten wir mehr Geld und fachkundiges Personal", erklärt Vierkant.

Sie vereinbarten eine Kooperation mit der Beratungsfirma GreenVenture.Net und übertrugen deren Geschäftsführer Egbert Hünewaldt den alltäglichen Betrieb von Citypendler. Hünewaldt, der auch schon Geschäftsführer von Öko-Test war, investierte "einen Betrag unter 100 000 Euro" in die Mitfahrzentrale. Detaillierte Kennzahlen des Start-ups verweigert Hünewaldt allerdings: "Unser Umsatz liegt zurzeit im fünfstelligen Bereich, Gewinne verbuchen wir noch nicht." Neben soliden Gewinn- und Umsatzzahlen, betont er, stehe die Reduzierung des Verkehrsaufkommens in Ballungszentren wie München und Berlin im Fokus aller Bemühungen. "Schließlich wollen wir mit unserer Firma auch zum Umweltschutz beitragen", fügt der 42-Jährige hinzu.

"Erst im Mai 2010 haben wir eine verbesserte Version von Citypendler online gestellt", sagt Hünewaldt. Künftig könnten Firmen, Schulen und Universitäten ihre eigenen "FahrSparGruppen" für 99 Euro im Monat bei www.citypendler.de einrichten. Elf größere Firmen hätten bereits den Service abonniert, die Zahl privater Nutzer liege im vierstelligen Bereich. "Im Gegensatz zu herkömmlichen Mitfahrzentralen vervielfältigen wir die Mitfahrmöglichkeiten", erläutert der Geschäftsführer: "Bei einer Route können Benutzer bis zu 20 Haltestellen eingeben." Ein weiterer Unterschied zu den klassischen Mitfahrgelegenheiten: Die Routen sind im Schnitt nicht länger als 25 Kilometer. Andere Anbieter wie www.mitfahrzentrale.de oder www.mitfahrgelegenheit.de vermitteln eher Reisende, die lange Strecken zurücklegen wollen. "Deshalb fürchten wir momentan auch keine Konkurrenz", behauptet Hünewaldt.

Besonders erfolgreich laufe eine Kooperation mit den Münchner Universitäten. Seit Mai 2010 boykottieren viele Studenten das ihrer Meinung nach überteuerte Semesterticket der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG). Damit sie aber trotzdem pünktlich ihre Seminare erreichen, haben sie über Citypendler Fahrgemeinschaften organisiert. "Der Studentenprotest hat unsere Mitfahrzentrale in kurzer Zeit in München bekannt gemacht", freut sich Hünewaldt. Mittlerweile habe sich Citypendler zu einer richtigen Web-2.0-Firma gewandelt, sagt Vierkant: "Unsere Konferenzen führen wir regelmäßig über das Internet." Er, Auener und Schachtel sind Gesellschafter der virtuellen Mitfahrzentrale. Alle drei sind nach dem Studium aus Berlin weggezogen, so dass sie Absprachen meist nur telefonisch oder per E-Mail treffen können. "Ich kümmere mich zum Beispiel um die Öffentlichkeitsarbeit", erzählt Vierkant, hauptberuflich arbeite er momentan aber als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität in Konstanz. Daniel Auener ist sogar nach Schweden ausgewandert. Dank Internet und Telefon, meint Auener, könnten sie aber die Erfolgsgeschichte von Citypendler weiterschreiben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: