Hochschulen:Studiengänge mit geringer Haltbarkeit

Sparmaßnahmen und überhastete Pläne gefährden Abschlüsse.

Von Charlotte Schmitz

Die Studenten der Molekularen Medizin in Jena staunten nicht schlecht, als sie auf ihrem neuen Semesterausweis als "Biochemiker" tituliert wurden. Klammheimlich wurde ihr im Winter erst eingerichteter Studiengang wieder abgeschafft. An anderen Hochschulen gefährden Sparmaßnahmen Studiengänge. Erstsemester können sich nicht mehr darauf verlassen, dass ihr Fach an der Hochschule ihrer Wahl eine Zukunft hat.

"Ich fühle mich veralbert", sagt Jana Jeschke und spricht von einer "großen Enttäuschung". Die 26-Jährige wurde für den im Wintersemester neu eingerichteten Studiengang "Molekulare Medizin" der Universität Jena angenommen - gemeinsam mit 19 Kommilitonen, die aus einer Vielzahl von Bewerbern ausgesucht worden waren. Jeschke hatte für das Studium eine unbefristete Stelle als MTA am Uniklinikum Jena gekündigt.

Jetzt steht sie ohne Arbeit und ohne Studienplatz da: Der Studiengang "Molekulare Medizin" existiert zum Sommersemester nicht mehr, die Studierenden dieses Faches wurden der Biochemie zugeschlagen. "Ich wollte aber nicht Biochemie studieren sondern Molekulare Medizin, weil ich durch meinen Arbeitsalltag am Uniklinikum weiß, dass diese Ausbildung in Zukunft gefragt ist", betont Jeschke. Molekulare Medizin beschäftigt sich mit medizinischer Forschung auf Zellebene.

Enttäuscht ist auch Wiebke Müller. Sie hatte sich ebenfalls für Molekulare Medizin eingeschrieben. Auf ihrem Zulassungsbescheid der Uni Jena stand klein gedruckt ein "Vorbehalt" - das Ministerium für Wissenschaft und Forschung des Landes Thüringen müsse dem neuen Studiengang noch zustimmen. Die Studentin dachte sich nichts dabei und machte sich voller Elan ans Studium. Zu Weihnachten kamen Gerüchte auf, dass der Studiengang gefährdet sei, doch auf Nachfragen erhielten die Studenten nur vage Antworten. "Wir haben nie eine schriftliche Benachrichtigung bekommen", bemängelt Wiebke Müller das Vorgehen der Uni. Bei einigen Kommilitonen stünde im Studentenausweis für das Sommersemester immer noch "Molekulare Medizin", bei den meisten aber "Biochemie". Biochemiker müssen sich auch Grundkenntnisse der Botanik aneignen, worauf Wiebke Müller überhaupt keine Lust hat. Sie hofft nun, dass sich die Hochschule und die Ministerien noch einigen werden.

Antrag abgelehnt

Die Hochschule Jena wollte sich mit dem neuen Fach einen weiteren innovativen Studiengang zulegen, doch das Finanzministerium Thüringen machte ihr einen Strich durch die Rechnung. "Zu teuer," lautete die Entscheidung "mit Blick auf die finanzielle Situation des Uniklinikums Jena", so Ministeriumssprecher Lothar Neyer. Das Klinikum ist hoch verschuldet.

Aus Sicht des Finanzministeriums Thüringen, das jedes Projekt mit Kosten genehmigen muss, hatte der Studiengang Molekulare Medizin bereits im September 2003 kaum Chancen: Zu diesem Zeitpunkt, als schon die Bewerbungen angehender Studenten geprüft wurden, lehnte das Finanzministeriums bereits den Antrag der Hochschule ab. Auch ein erneuter Antrag im November 2003 wurde abgelehnt.

Das Thüringische Wissenschaftsministeriums hingegen unterstütze die Uni Jena, glaubt Zellbiologe Reinhard Wetzker, Ansprechpartner für die Studierenden. "Bei der Einrichtung des Studiengangs schien eine Nachfrage des Wissenschaftsministeriums im Finanzministerium reine Formsache", meint er, beurteilt diese Haltung im Rückblick aber als "naive Sicht". Wetzker hofft weiterhin auf eine Einigung. Dass ihm die Studenten weglaufen, befürchtet er nicht, denn Molekulare Medizin kann man nur noch in Freiburg, Erlangen, Göttingen oder Bonn studieren. Allein in Freiburg kommen 570 Bewerber auf 30 Studienplätze - wenig Chancen für die Jenaer, dort einen Neuanfang zu starten.

Sparmaßnahmen haben auch an anderen Hochschulen zur Einstellung von Studiengängen geführt, doch haben die Studierenden ein Recht, ihren Abschluss zu machen. An der TU Braunschweig etwa fällt das "Höhere Lehramt Politikwissenschaft" weg zugunsten eines Master-Studiengangs "Sozialwissenschaften", in dem Soziologie und Politologie zusammen gefasst werden. AStA-Vorstand Immo Junghärtchen befürchtet, dass jüngere Professoren dieses Fachs der TU Braunschweig den Rücken kehren werden, um ihre Karriere andernorts fortzusetzen.

An der Universität Oldenburg wird die Diplom-Psychologie Sparmaßnahmen zum Opfer fallen. Iris Wilde vom AStA kennt Fälle, in denen abgewanderte Professoren eigens zur Abnahme der Abschlussprüfung zurückkehren. Die Studierenden können zwar noch ihr Diplom als Psychologen ablegen, doch das Angebot an Seminaren ist merklich eingeschränkt. "Ein Studium auf Sparflamme macht keinen Spaß", erklärt Wilde.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: