Hochschul-Merchandising:Prestigeobjekt im Lebenslauf

Auf den Spuren von Harvard und Yale: Deutsche Universitäten versuchen sich als Marken zu verkaufen. Bedruckte T-Shirts und bunte Tassen reichen dafür nicht.

Maria Holzmüller

Deutschlands Studenten protestieren gegen das reformierte Studiensystem, sie besetzen Hörsäle und sie beschimpfen die Hochschulrektoren. Sie identifizieren sich mit ihrem Protest, solidarisieren sich mit Studenten in Österreich ebenso wie mit den Anliegen der deutschen Schülerschaft. Doch eine Identifikation mit der eigenen Universität? In der aktuellen Bildungsdebatte kaum spürbar.

Hochschul-Merchandising: Im Berliner "Humboldtstore" bekommt der Student so ziemlich alles, was mit seiner Uni zu tun hat: auch Golfbälle.

Im Berliner "Humboldtstore" bekommt der Student so ziemlich alles, was mit seiner Uni zu tun hat: auch Golfbälle.

(Foto: Foto: ddp)

Dabei setzen immer mehr Hochschulen auf ihre Anziehungskraft als Marke. Nicht "Ich studiere Geschichte" soll der erste Bezugspunkt sein, sondern "Ich studiere an der LMU München" oder "Ich studiere an der FU Berlin". Die Hochschulen wollen ein eigenständiges Image entwickeln und zu einer prestigeträchtigen Station im Lebenslauf werden - wie sie es in den USA oder Großbritannien längst sind. Mit einem Harvard-Pullover oder Yale-T-Shirt lässt man sich allererorts gerne blicken, ob man nun dort studiert oder nicht. Diese illustren Namen stehen für einen studentischen Lebensstil und eine elitäre Gemeinschaft, der man gerne angehören möchte - und für pure Intellektualität. Aber FU Berlin oder Uni Potsdam?

Damit deutsche Universitäten nicht länger die grauen Bürokratiegebilde bleiben, die jeder Student einfach nur durchlaufen muss, um irgendwann einen akademischen Abschluss in der Tasche zu haben, streben immer mehr Hochschulen eine Image-Stärkung durch eigene Merchandising-Produkte an - und das schon seit Jahren. Es gibt Fahrradsattel von der LMU München, Luftballons mit dem Wappen der Uni Potsdam, T-Shirts mit dem Logo der Uni Augsburg, Tassen der Uni Hamburg und Golfbälle der Uni Heidelberg.

Zahlungswillige Touristen

In Form und Ausführung unterscheiden sich die Uni-Shops, die Produktpalette ist meist ähnlich, was sich ändert, ist das Siegel. Fast alle Unis vertreiben ihre Produkte über einen Online-Shop, die größeren Hochschulen leisten sich eigene Ladengeschäfte. In der Humboldt-Universität Berlin gab es bereits 1994 den ersten "Humboldtstore", in diesen Tagen wird er in größeren Räumen im Foyer des Hauptgebäudes neu eröffnet. Auch die LMU München lockt zahlungswillige Studenten und Touristen in einen neu eröffneten Laden - ganz in den Corporate-Identity-Farben Grün und Grau gehalten.

Auch wenn die Anzahl der Merchandising-Produkte zunimmt, die Nachfrage nach Uni-Produkten blieb in den vergangenen Jahren nahezu gleich. Gleich gering, wie Oliver Augustin, Beauftragter der Universität Hamburg Marketing GmbH für Werbung, Sponsoring und Merchandising sagt. "Die Hochschulbindung ist in Deutschland nicht stark genug, als dass unter Studenten wirklich eine Nachfrage nach Produkten mit dem Logo ihrer Universität besteht", sagt er.

Die Universität Hamburg vertreibt seit vier Jahren Sweatshirts, Tassen, Schlüsselanhänger und mehr - Hauptsache das Wappen der Universität prangt darauf. Zu erstehen gibt es die Produkte vor allem online. "Einen eigenen Laden können wir uns nicht leisten. Unser Umsatz liegt bei etwa 10.000 Euro im Jahr, davon kann man kaum eine studentische Hilfskraft anstellen", sagt Augustin.

Naturwissenschaftler mögen blau

Das Praktische mit dem Nützlichen verbindet deshalb die Universität Potsdam. Dort obliegt das Merchandising-Geschäft einer Übungsfirma, die sich sowohl aus Studenten als auch aus festen Mitarbeitern zusammensetzt. Die Studenten bringen im Rahmen eines Seminars jedes Semester frische Ideen mit, die festen Mitarbeiter und ein betreuender Professor helfen sie umzusetzen. Einen eigenen Laden kann sich der Potsdamer Uni-Shop ebenfalls nicht leisten, die Produkte werden an Verkaufsständen in den einzelnen Fakultäten angeboten. Mit wechselndem Erfolg. "Die Naturwissenschaftler sind sehr zufrieden mit den T-Shirts, sie mögen das dunkle Blau. Die Juristen und Betriebswissenschaftler hingegen mögen das Uni-Logo nicht besonders", berichtet Martin Nelk vom Uni-Shop Potsdam.

Im Hamburger Uni-Shop sind es, wie andernorts auch, vor allem ausländischen Studenten oder Ehemalige, die sich Erinnerungsstücke an ihre Studienzeit kaufen. Bei den Studierenden ist das Interesse gering.

Das möchte der Uni-Shop der Humboldt-Universität Berlin künftig ändern - indem er sich vom T-Shirt-Einerlei abhebt. Im neuen Shop gibt es erstmals eine eigene Uni-Streetwear-Kollektion, entworfen von einer jungen Berliner Designerin. Das Logo der Uni spielt hier nur noch die Nebenrolle. Mit diesem neuen Modell soll das Geschäft wachsen - und irgendwann auch Gewinn bringen. "Derzeit kommen wir noch immer bei plus minus null raus", sagt Julia Göhre, Projektmanagerin der Humboldt-Innovation GmbH.

Zweifel am Erfolg

Damit sich die Produkte besser verkaufen, muss die Identifikation der deutschen Studenten mit ihrer Hochschule wachsen - ob dies durch den Ausbau von Merchandising-Produkten gelingt, bezweifelt Augustin von der Universität Hamburg allerdings. "Zuerst einmal müssen die Universitäten sich selbst als Marke verstehen, ihr eigenes Profil entwickeln und in direkten Wettbewerb zu anderen Universitäten treten. Das ist bislang kaum der Fall", sagt er.

Um sich als Marke mit eigenem Profil zu etablieren, ist mehr nötig, als ein Logo auf T-Shirts und Tassen zu drücken. Ein Schritt in die richtige Richtung scheint die Entwicklung eines einheitlichen Corporate Designs, wie die TU München eines entwickelte. Der immergleiche Schriftzug auf blauem Hintergrund - ursprünglich entworfen für die 125-Jahrfeier der TU 1993 - in den Köpfen der Öffentlichkeit und der Studenten hat sich die Erscheinung der TU München eingeprägt. Studentenproteste gibt es an dieser Uni übrigens nicht.

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