Hilfe für bedürftige Kinder:Von der Leyen will Bildungspaket vereinfachen

"Wir sind aus den Kinderkrankheiten raus": Der Bildungspakt läuft seit einem halben Jahr - inzwischen erreiche man fast jedes zweite bedürftige Kind, sagt Sozialministerin von der Leyen. Sozialverbände und Lehrer üben nach wie vor Kritik. Sie sprechen von "Schaumschlägerei" und "Konstruktionsfehlern".

Stefan Braun und Tanjev Schultz

Ein halbes Jahr nach Einführung des Bildungspaketes für Kinder aus bedürftigen Familien haben Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Vertreter von Ländern und Kommunen eine positive Zwischenbilanz gezogen. Von der Leyen sagte in Berlin, das Programm komme "allmählich an", man sei nun "gewissermaßen aus den Kinderkrankheiten raus".

Kostenloses Mittagessen im sozialen Brennpunkt

Bildungspaket ohne Bildung: Vor allem das Essensangebot wird genutzt - die Lernförderung nur wenig (im Bild eine Kinder-Tafel in Wetzlar).

(Foto: ddp)

Manche Wohlfahrtsverbände sehen das nach wie vor anders und übten auch jetzt wieder Kritik am bisherigen Programm. Mit dem Geld aus dem Paket sollen Bedürftige beim Mittagessen in der Schule, bei Vereinsmitgliedschaften oder etwa Kosten für Nachhilfe unterstützt werden.

Die Ministerin lud am Mittwoch zum dritten Mal zu einem runden Tisch ein. Das Gremium beschloss dabei, dass bedürftige Familien künftig leichter Zuschüsse beantragen können. So soll es möglich sein, "beim Besuch des Jobcenters einen Globalantrag anzukreuzen", sagte von der Leyen.

Sei der Antrag einmal gestellt, reiche die Meldung etwa eines Sportvereins an das Jobcenter, dass das Kind dort angemeldet sei. Dann könne das Geld bereits ohne weitere Umstände an den Verein fließen.

Etwa 2,5 Millionen Kinder von Hartz-IV-Empfängern, Geringverdienern und Wohngeldempfängern haben Anspruch auf Sach- und Dienstleistungen aus dem Paket. Anfangs verlief das Programm sehr schleppend, bis Mitte September waren nur für 36 Prozent der berechtigten Kinder Anträge gestellt worden. Mittlerweile liegt der Wert nach Angaben der Städte und Landkreise bei 44 Prozent.

Arbeiterwohlfahrt beklagt "Kleinkrämerei"

Laut der Ministerin wird vor allem das Essensangebot inzwischen gut angenommen. Die Lernförderung dagegen nutzen bislang nach Angaben des Städte- und Gemeindebundes nur drei Prozent der anspruchsberechtigten Familien.

Von der Leyen begründete die unterschiedlichen Zahlen damit, dass es in den Schulen zwar immer häufiger Küchen oder Dienstleister fürs Mittagessen gebe. Bei der Lernförderung dagegen müssten entsprechende Strukturen erst aufgebaut werden.

Der Bundesverband der Nachhilfeschulen zeigte sich enttäuscht vom Bildungspaket. "Wir hatten gedacht, dass wir mehr Zulauf bekämen", sagte eine Sprecherin. Jobcenter, Eltern und Schulen würden zu wenig Hand in Hand arbeiten, die Lehrer seien für das Paket nur schwer zu begeistern.

Pädagogen beklagen sich darüber, dass das Geld nicht direkt in die Schulen und das dortige Personal fließt, sondern in externe Nachhilfeangebote. Die sei ein "Konstruktionsfehler", sagt zum Beispiel Udo Beckmann, Chef des Bildungsverbands VBE, in dem viele Grund- und Hauptschullehrer organisiert sind.

Die Grünen forderten am Mittwoch weitere Korrekturen. Das Programm müsse mehr Kinder erreichen, es fehlten Sozialarbeiter, die individuell auf die Kinder eingehen könnten. Die Arbeiterwohlfahrt forderte, den bürokratischen Aufwand weiter zu senken. Aus "juristischer Kleinkrämerei" werde zu vielen Kindern die Nachhilfe verwehrt. Der Paritätische Wohlfahrtsverband nannte das Programm "Schaumschlägerei".

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) hat angekündigt, die Sprach- und Integrationsförderung für Kinder unter drei Jahren auszudehnen. In Ergänzung zum Bildungspaket für Schulkinder sollen damit die Kleinsten in Problembezirken besser auf Schule und Ausbildung vorbereitet werden.

Dafür stellt Schröders Ministerium bis 2014 400 Millionen Euro zur Verfügung. Damit soll bundesweit in bis zu 4000 Kindertagesstätten je eine Halbtagsstelle für besonders qualifiziertes Fachpersonal finanziert werden.

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