Hartz-IV-Pläne für Nachhilfeunterricht:"Wust an Bürokratie"

Die Lehrerverbände lehnen von der Leyens Hartz-IV-Pläne für Nachhilfeunterricht ab. Der Verwaltungsaufwand für die Schulen sei viel zu groß.

T. Öchsner

Die von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) geplante Nachhilfe für Kinder aus Hartz-IV-Haushalten halten die Lehrerverbände für in der Praxis nicht umsetzbar. "Der Verwaltungsaufwand ist für die Schulen viel zu groß, so dass die pädagogischen Prüfungen so wie vorgesehen nicht stattfinden können", sagte der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbands, Heinz-Peter Meidinger der Süddeutschen Zeitung. Die stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Marianne Demmer, befürchtet "einen Wust an Bürokratie, Auseinandersetzungen mit Eltern und vor allem mit den Entscheidern in den Jobcentern", die die Leistungen für Kinder von Langzeitarbeitslosen bewilligen sollen.

Hartz-IV-Pläne für Nachhilfeunterricht: Nicht umsetzbar: Lehrerverbände protestierten gegen die von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen geplante Nachhilfe für Kinder aus Hartz-IV-Haushalten.

Nicht umsetzbar: Lehrerverbände protestierten gegen die von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen geplante Nachhilfe für Kinder aus Hartz-IV-Haushalten.

(Foto: AP)

Die Nachhilfe ist Teil des geplanten Bildungspakets, bei dem Schulkinder aus Hartz-IV-Haushalten pro Jahr Leistungen von mindestens 250 Euro abrufen können. Nachhilfestunden soll es nur geben, wenn die Schüler die nächste Klassenstufe noch erreichen können. Kein Geld soll fließen, wenn durch die Nachhilfe der Sprung auf eine höhere Schule geschafft werden soll. Die Lehrer sollen dabei jeweils eine "auf das Schuljahresende bezogene prognostische Einschätzung" über den jeweiligen Nachhilfekandidaten geben. Fällt diese Prognose negativ aus, "besteht kein Anspruch auf Lernförderung", heißt es in dem Gesetzesentwurf des Ministeriums.

Der Chef des Philologenverbands hält dies jedoch für "nicht praktikabel". Um eine qualifizierte Entscheidung über einen Schüler treffen zu können, "müssten wir jeweils eine Lehrerkonferenz einberufen und uns beraten". Das sei nicht machbar, sagte Meidinger. Die Folge werde sein, dass "wir das Verfahren sehr weit im Sinne der Schüler auslegen. Wenn ein Schüler am Ende eines Halbjahres um eine positive Prognose für die Genehmigung von Nachhilfestunden bitte, "gibt es immer die Möglichkeit, dass er das Klassenziel noch schafft". Der Verbandschef wies auch darauf hin, dass in bestimmten Bundesländern für einige Klassenstufen das Durchfallen abgeschafft worden sei. Hier sei erst recht unklar, wie sich die "schwammigen Vorschriften" im Entwurf umsetzen ließen.

GEW-Vizechefin Demmer sagte ebenfalls, dass die Lehrkräfte bei ihren Prognosen "vermutlich zu Großzügigkeit tendieren werden". Dies werde zu Auseinandersetzungen mit den Jobcentern führen. Gebe es doch abschlägige Entscheidungen, "dürfte es zu Konflikten mit den Eltern kommen". Demmer befürchtet Klagen vor Gericht.

Die in dem Gesetzentwurf verlangte "prognostische Einschätzung" nannte sie "menschenverachtend und extrem unpädagogisch". "Moderne Lehrer wollen keine Selektierer sein, die ein Scheitern ihrer Schüler bereits zu Beginn des Schuljahres vorhersehen", sagte die stellvertretende GEW-Chefin. Viel sinnvoller wäre es, den Schulen das notwendige Personal und die Mittel zur Verfügung zu stellen, um individuelle Förderung zu ermöglichen, statt mit Steuergeld Nachhilfe zu finanzieren.

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