Gründungszuschuss:Regierung kürzt Starthilfe für Selbständige

Weil die Arbeitslosenzahlen rückläufig sind, verringert die Regierung Höhe und Dauer des Gründungszuschusses. Zudem entscheidet nun der jeweilige Sachbearbeiter der Arbeitsagentur, ob er das Geld überhaupt zahlt. Für viele Arbeitslose, die sich selbständig machen wollen, bedeutet das ein hohes Risiko.

Isa Hoffinger

Neun Monate hat Gina Kurschat gebraucht, um ihr Nagelstudio einzurichten. Sie hat Räume gemietet, Mobiliar und Geräte gekauft. Sie hat sich den Namen "Style & Care" ausgedacht, ein Logo in zartem Grün entwerfen und Werbeflyer drucken lassen. Eigentlich ist die 26 Jahre alte Münchnerin ausgebildete Bürokauffrau. Sechs Jahre war sie fest angestellt und verdiente nicht schlecht. Doch als ihr im November 2010 gekündigt wurde, beschloss sie, ihr Hobby zum Beruf zu machen und den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen.

(Service-Bild) Der Finanz-Turbo fuer die Existenzgruendung

Für viele Arbeitslose, die sich selbständig machen wollen, bedeutet die Kürzung des Gründungszuschusses ein hohes Risiko.

(Foto: ddp)

Das kostet Zeit und Geld. Die Miete für das Studio kostet 700 Euro im Monat. Alle anderen Ausgaben beliefen sich auf 15.000 Euro. Hätte Kurschat nicht von ihrem ehemaligen Arbeitgeber eine Abfindung bekommen, wäre sie jetzt keine Unternehmerin, sondern vermutlich immer noch arbeitslos. Denn sie wartet bis heute auf den Gründungszuschuss.

Gleich nach der Kündigung hatte sie mit ihrer Sachbearbeiterin bei der Arbeitsagentur über ihr Vorhaben gesprochen. Die hatte ihr geraten, zunächst Seminare für angehende Existenzgründer zu besuchen. Das dauerte ein paar Monate. Einen Antrag auf den Gründungszuschuss stellte Kurschat im Juni 2011, nachdem sie ein Gewerbe angemeldet hatte. Doch die Bewilligung der Fördermittel verzögert sich: Es fehlten Unterlagen, was sie nicht wusste. Nun muss sie fürchten, ganz auf den Ausgaben für ihr neues Geschäft sitzenzubleiben.

Noch bis November haben Arbeitslose einen Anspruch auf Gründungszuschuss. Diese Starthilfe, die bis 2006 Überbrückungsgeld hieß, hat schon vielen Menschen, die wenig Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt gehabt hätten, den Weg in die Selbständigkeit ermöglicht. Der Zuschuss gilt nach Meinung von Experten, etwa vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg, als eines der erfolgreichsten Instrumente zur Wiedereingliederung ins Berufsleben.

Trotzdem hielt Arbeitsministerin Ursula von der Leyen das Startkapital für Gründer nicht mehr in vollem Umfang für gerechtfertigt. Vor einer Woche hat der Bundestag die bis zuletzt umstrittene Reform der arbeitsmarktpolitischen Förderinstrumente verabschiedet und den Zuschuss gekürzt - allein mit den Stimmen von Union und FDP.

Wer bisher aus der Arbeitslosigkeit heraus gründen wollte, konnte neun Monate lang mit einer monatlichen Unterstützung in Höhe des Arbeitslosengeldanspruchs und mit einer Sozialversicherungspauschale von 300 Euro rechnen. Bewährte sich die Gründung, wurde er für weitere sechs Monate mit jeweils 300 Euro gefördert.

Nun wurden sowohl die Förderdauer als auch die Förderhöhe gemindert. Außerdem wird es den Sachbearbeitern der Arbeitsagentur überlassen werden, ob der Zuschuss gewährt wird. Bisher reichten ein Gutachten von einer fachkundigen Stelle, die bescheinigte, dass der Gründer in seiner Branche ausreichend qualifiziert ist, und ein stichhaltiger Businessplan. Nun wird der Gründungszuschuss, mit dem sich im vergangenen Jahr fast 150 000 Arbeitslose selbständig machten, von einer Pflicht- in eine Ermessensleistung umgewandelt.

Die Zukunft des Bildungscoachings ist unklar

Das schreckt viele Menschen ab, die sich Zeit lassen wollen, um sich gut vorzubereiten", sagt Nicole Führing. Sie war früher bei einem Hersteller für Zahnimplantate im Außendienst tätig und machte sich Ende 2008 mit dem mobilen Büroservice "Draußendienst" selbständig. Seither berät sie auch Gründer, unter anderem im Auftrag der Kfw-Bankengruppe. Auch dieses Gründungscoaching, das etwa 1000 Euro kostet, wird zu großen Teilen öffentlich gefördert. Wie das in Zukunft aussehen wird, ist unklar.

"Dass die Förderungsdauer reduziert werden soll, ist sehr ungünstig", sagt Führing, "vor allem Gründer mit teuren und langwierigen Vorhaben, etwa in der Gastronomie, setzt das stark unter Druck. Sie müssen nun in nur sechs Monaten ein geeignetes Restaurant suchen, Personal finden und Kredite beantragen. Auf diese Weise stolpern viele Menschen zu schnell in die Gründung hinein. Das könnte dazu führen, dass sie eher wieder scheitern."

Nach einer IAB-Studie ist die Förderung ein effektives Instrument zur Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt. Während zum Gründungszuschuss noch keine genauen Zahlen vorliegen, haben sich mehrere Studien mit dem früheren Überbrückungsgeld befasst. Die Forscher ziehen überwiegend eine positive Bilanz, besonders auf längere Sicht: Knapp fünf Jahre nach der Gründung sind immer noch 55 bis 70 Prozent der Geförderten in Vollzeit oder Teilzeit selbständig tätig. Weitere 20 Prozent gehen wieder einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach, was auch daran liegt, dass während der Selbständigkeit neue Kontakte zu potentiellen Arbeitgebern entstehen.

Warum nun gerade der Gründungszuschuss so stark beschnitten werden soll, ist nicht nur den Gründerverbänden unklar. Auch Fachleute bei der Bundesagentur und im Wirtschaftsministerium, das erst 2010 mit der "Initiative Gründerland" eine Offensive startete, um mehr Menschen zu motivieren, Unternehmer zu werden, halten nichts vom Sparkurs.

Die 35 Jahre alte Jennifer Rumbach aus Aachen ist nicht sicher, ob sie sich ohne den Zuschuss eine Selbständigkeit zugetraut hätte. Nach einem abgebrochenen Germanistikstudium absolvierte sie eine Lehre bei einem Fotografen, ließ sich dann aber bei einem kleinen Verlag als "Mädchen für alles" anstellen, weil ihr die Auftragslage als Berufsanfängerin zu unsicher erschien und sie nach diversen unbezahlten Praktika "auch endlich mal Geld verdienen" musste.

Der Job im Verlag war ein Kompromiss, das hat mich auf Dauer belastet", sagt Rumbach. Seit dem vergangenen Jahr arbeitet sie nun erfolgreich als Fotografin und Künstlerin. "Gerade in den ersten Monaten nach der Gründung hatte ich noch nicht viele Kunden", sagt sie. "Ohne den Gründungszuschuss hätte ich das nur mit Hilfe von Ersparnissen durchgestanden." Da sie keine Kredite aufnehmen wollte und finanziell kein Polster hatte, hätte sie sich einen anderen Job zum Broterwerb suchen und die Fotojobs erst einmal eine Weile nebenbei machen müssen. "Das wäre schon möglich gewesen", sagt Rumbach, "aber dann hätte es Jahre gedauert, bis ich von meinem erlernten Beruf hätte leben können."

Im vergangenen Juli hat die Bundesagentur für Arbeit 11 047 Menschen mit Gründerzuschuss oder Einstiegsgeld unterstützt, im August waren es 11 897. Die Zahlen legen nahe, dass viele Gründungswillige ihre Entscheidung vorziehen, um sich noch rechtzeitig den Zuschuss in der bisherigen Höhe zu sichern.

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