Gründer in Berlin:Worauf Talente Bock haben

Constanze Buchheim ist immer auf der Suche - nach Intrapreneuren. Junge Leute, die wie Unternehmer handeln, auch wenn sie keine sind. Damit hat sie das Modell des klassischen Headhunters umgekehrt.

Sophie Crocoll

Constanze Buchheim hat viele Talente. Sie spürt sie in Online-Netzwerken wie Xing auf und spricht sie bei Veranstaltungen an, mit "Du". Das ist so üblich in der Szene. Buchheim führt die Geschäfte der Berliner Personalagentur i-potentials, die für Start-ups und Internetunternehmen Stellen besetzt - und dabei das klassische Headhunter-Modell verändert hat: Sie wirbt nicht für einen Auftraggeber einen bestimmten Kandidaten ab. Sondern sucht unter ihren Talenten nach dem Richtigen für einen Job.

Besucher in der Reichstagskuppel in Berlin

In Berlin hat sich eine gut vernetzte Gründerszene etabliert.

(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)

Das funktioniert, weil die Agentur selbst ein Start-up und gut vernetzt ist. Viele junge, noch nicht etablierte Unternehmen haben sich in den Stadtteilen Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain angesiedelt und locken junge Leute an, pro Quartal ziehen 5000 Menschen zwischen 25 und 35 Jahren nach Berlin, davon mehr als die Hälfte aus dem Ausland. "Es gibt eine Unmenge an Jobs", sagt Buchheim. Die 30-Jährige sitzt in einem Konferenzraum, dessen angenehme Nüchternheit die Hipness der Szene draußen lässt: langer Tisch, Beamer, Flipchart. Auf dem Flur ist es ruhig, Arbeitstage beginnen hier nicht all zu früh. Später, sagt Buchheim, brumme es dann wie ein ganzer Bienenschwarm. Sie malt mit einem grünen Filzstift Kreise, um zu erklären, wonach sie und ihre Mitarbeiter suchen: nach Multitalenten.

Seit Jahren klagt die IT-Branche über Fachkräftemangel. In einer Umfrage des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) gaben im September 60 Prozent der befragten Firmen an, dass ihnen Fachkräfte fehlen. "Bei Spezialisten herrscht wirklich ein Krieg um Talente. Aber es gibt in unserer Szene immer weniger Spezialistenkarrieren", sagt Buchheim. Für junge Start-ups findet sie Generalisten, Praktikanten und Absolventen, die sich heute ums Marketing kümmern und morgen die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens überwachen. Firmen, die schon einige Jahre im Geschäft sind, brauchen dagegen Spezialisten für die mittlere Managementebene - und die fanden Start-ups bislang häufig noch schwerer als gestandene Unternehmen, weil sie als unsichere Arbeitgeber galten.

Buchheim sucht, wie sie sagt, nach Intrapreneuren: Sie meint Mitarbeiter, die selbst wie Unternehmer handeln und dabei nicht auf Status und Geld aus sind, sondern auf Einfluss und Anerkennung. Einfluss zu haben und selbstbestimmt zu arbeiten, das hat auch Constanze Buchheim bewogen, i-potentials zu gründen; im Mai 2009, einen Monat, nachdem sie Mutter wurde.

Verantwortung. Immer wieder Verantwortung.

Nach dem BWL-Studium hatte sie zeitweise den Personalbereich eines Internet-Start-ups übernommen und wollte die Verantwortung nicht mehr missen, als sie das Projekt wieder abgab. "Es gibt einen Wandel in der Gesellschaft. Absolventen suchen langsam nicht mehr nach der Sicherheit, bis zur Rente im gleichen Unternehmen zu arbeiten", sagt Buchheim: "Sie wünschen sich Selbstverwirklichung und Start-ups können ihnen das bieten." Das sei die "Arbeitswelt der Zukunft." Dann wird auch sie einfacher ihre Talente finden.

Gründer in Berlin: Constanze Buchheim hat das Modell von Headhuntern umgekehrt: Sie wirbt nicht Kandidaten ab, sondern sucht unter ihren Talenten nach dem Richtigen.

Constanze Buchheim hat das Modell von Headhuntern umgekehrt: Sie wirbt nicht Kandidaten ab, sondern sucht unter ihren Talenten nach dem Richtigen.

(Foto: oh)

Der Erfolg ihrer Agentur scheint das zu bestätigen: Mittlerweile beschäftigt sie 22 Mitarbeiter, bis März sollen es 30 sein. Die Firma i-potentials hat im Juni 2010 erstmals die Gewinnzone erreicht und ist seitdem profitabel, in diesem Jahr werde der Umsatz bei fast einer Million Euro liegen. Buchheim sagt über sich selbst, sie versuche, die Beste zu sein, bei dem, was sie tue. Deshalb soll ihre Firma die Agentur der Branche werden. Sie betreut bislang mehr als 60 Kunden, darunter den Online-Optiker Mister Spex und den Internet-Bestellservice Lieferheld. Vermittelt die Agentur einen Bewerber erstmals erfolgreich an ein Unternehmen, bekommt sie einmalig 30 Prozent des Jahresgehalts - wer öfter mit i-potentials arbeitet, zahlt weniger.

Zudem bietet Buchheim Start-ups Seminare an. "Junge Mitarbeiter werden oft sehr schnell befördert. Dann brauchen sie Hintergrundwissen, um als Manager erfolgreich zu sein", sagt sie. Inzwischen sei es einfacher, gute Leute in Deutschland zu halten - bislang wollten die oft möglichst schnell ins Silicon Valley, wo sich die US-amerikanische Internetbranche tummelt. "Berlin passt vom Charakter der Stadt unglaublich gut zu Start-ups: Sie sind chronisch pleite, machen aber das Beste draus", sagt Buchheim. Damit ist der Hauptstadt gelungen, was andere Standorte nicht schafften: Berlin gilt als hip, kreativ und jung, im Gegensatz zu Hamburg, das viele als Schauplatz von gestern sehen. Revolutionen gebe es dort schon lange nicht mehr. Oder, wie Constanze Buchheim formuliert: "Talente haben Bock auf Berlin."

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