Googelnde Personaler:"Saufgelage ignorieren"

Peinliche Fotos und Informationen im Web bringen Bewerbungen zum Scheitern. sueddeutsche.de sprach mit dem Datenschutzbeauftragten Peter Schaar über ein Google-Verbot für Personaler und den Schutz vor Verleumdungen im Internet.

Julia Bönisch

sueddeutsche.de In der vergangenen Woche kursierte in verschiedenen Medien die Idee eines Google-Verbots für Personaler. Sie sollen so daran gehindert werden, zu viele oder kompromittierende Informationen über Bewerber einzuholen. Was halten Sie davon?

Googelnde Personaler: Der Datenschutzbeauftrage Peter Schaar: "Vielleicht können wir dem Internet Vergessen beibringen."

Der Datenschutzbeauftrage Peter Schaar: "Vielleicht können wir dem Internet Vergessen beibringen."

(Foto: Foto: ap)

Peter Schaar: Natürlich stellt sich die Frage, inwieweit eine Art Nutzungsbegrenzung notwendig ist: Im Internet sind Informationen, die dort einmal eingestellt wurden, auf Dauer verfügbar, auch wenn sie im Hinblick auf ihren Wahrheitsgehalt oft höchst zweifelhaft sind. In gewissem Umfang bestehen derartige Nutzungsgrenzen sogar schon. Nach § 28 Bundesdatenschutzgesetz darf ein Arbeitgeber nämlich im Bewerbungsverfahren nur solche Informationen verwenden, die er zur Vertragsanbahnung benötigt. Dazu gehören sicherlich keine Angaben über Kindheit und Jungenderlebnisse eines Bewerbers.

sueddeutsche.de Ist denn dieser § 28 ausreichend? Besteht ein Schutz für Bewerber, oder muss doch ein Google-Verbot her?

Schaar: Das Problem besteht darin, dass das Bundesdatenschutzgesetz die Datenverarbeitung auch für "sonstige berechtigte Interessen" erlaubt, allerdings nur wenn keine schutzwürdigen Belange des Betroffenen entgegenstehen. Man muss also abwägen. Dazu gibt es inzwischen Urteile der Arbeitsgerichte, die genau diesen Test machen: Sind die Daten wirklich erforderlich und wie weit greifen sie gegebenenfalls zu tief in die Persönlichkeitsrechte eines Betroffenen ein? Die Gerichte haben hier sehr enge Grenzen gezogen.

sueddeutsche.de Bisher sind die Daten im Netz doch frei zugänglich.

Schaar: Richtig. Man muss eben auch zugestehen, dass die Daten aus öffentlichen Quellen stammen. Die Recherche dort kann man eigentlich niemandem versagen. Trotzdem darf ein Arbeitgeber keine Informationen, die er über Google oder andere Suchmaschinen gefunden hat, für Personalentscheidungen verwerten. Doch das zentrale Problem ist, dass Betroffene vor Gericht selten werden beweisen können, dass der Arbeitgeber das Internet genutzt hat. Ich bin auch nicht dafür, die Arbeitgeber zu kontrollieren, ob sie bei Suchmaschinen irgend einen Namen eingeben.

sueddeutsche.de Wenn so etwas praktisch nicht funktioniert, wie stellen Sie sich die Kontrolle dann vor?

Schaar: Zum einen müssen die Arbeitgeber gegebenenfalls begründen, warum und auf Grund welcher Informationen sie einen Bewerber ablehnen. Geht ein solcher Fall vor Gericht, wird ein Arbeitgeber, der sich auf lange zurückliegende Suchmaschineninformationen beruft, vor dem Arbeitsgericht wohl keinen Erfolg haben. Wir brauchen außerdem ethische Kriterien darüber, wie mit Informationen umgegangen wird, die aus dem Internet stammen, deren Wahrheitsgehalt nicht nachprüfbar ist oder die nicht aktuell sind.

sueddeutsche.de Wie sollen diese ethischen Kriterien aussehen?

"Saufgelage ignorieren"

Schaar: Es geht um Selbstbeschränkung: Die Recherchen müssen sich auf Informationen im Hinblick auf die Eignung eines ganz konkreten Arbeitsplatzes begrenzen. Wenn über 30 Prozent derjenigen zwischen 18 und 25 Jahren kompromittierende Fotos zum Beispiel von Saufgelagen ins Internet stellen, wäre es doch fatal, dies zum Gegenstand von Auswahlverfahren zu machen. Außerdem haben die Betroffenen diese möglicherweise gar nicht selbst veröffentlicht, sondern Dritte haben die Bilder eingestellt.

sueddeutsche.de Aber auch bei einer Selbstverpflichtung stellt sich doch die Frage, wie sie durchgesetzt werden soll.

Schaar: Ja, doch ich finde so etwas grundsätzlich sinnvoller als ein formelles Verbot, das kaum durchsetzbar ist. Eine andere interessante Idee sehe ich darin, bestimmte, insbesondere personenbezogene Informationen im Internet, mit einem technischen Verfallsdatum zu versehen. Vielleicht können wir dem Internet damit das Vergessen beibringen.

sueddeutsche.de Daten sollten also nach einer gewissen Zeit nicht mehr zugänglich sein?

Schaar: Technisch wäre das machbar. Persönliche Informationen werden nach einer gewissen Zeit als veraltet gekennzeichnet. Es sei denn, der Betroffene wünscht das ausdrücklich nicht. Ob solch ein automatisiertes Verfahren auch in der Wirklichkeit funktioniert, müsste noch geprüft werden. Schließlich ist das Internet darauf angelegt, gerade nicht zu vergessen.

sueddeutsche.de Was ist in ihren Augen das größere Problem: die Selbstdarstellung junger Menschen im Netz oder Verleumdungen und Beleidigungen anderer?

Schaar: Schon allein wegen ihrer Quantität halte ich übertriebene Selbstdarstellungen für das größere Problem. Außerdem wissen Kinder und Jugendliche häufig nicht, welche Folgen ihr Verhalten haben kann. Aber von der Qualität des Schadens, der angerichtet werden kann, ist die üble Nachrede gefährlicher. Denn die Informationen, die andere über mich ins Netz stellen, kann ich ja weder löschen noch korrigieren. Im Schutz der Anonymität kann jeder irgendwelche Behauptungen verbreiten. Dagegen kann man schwer vorgehen in einem internationalen Netz, auch nicht durch gesetzliche Regelungen.

sueddeutsche.de Was raten Sie Menschen, die Opfer solcher Attacken werden?

Schaar: Die Opfer müssen sich an den Provider wenden, der diese Information auf einer Website anbietet. In Deutschland gibt es ein Recht zu Gegendarstellungen und die Verpflichtung, unwahre Behauptungen zu widerrufen. Um so etwas in Zukunft zu verhindern, müssen wir an diejenigen appellieren, die diese Technologie entwickeln und einsetzen.

Peter Schaar, Jahrgang 1954, ist seit Dezember 2003 Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit.

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