Gleichberechtigung im Job:Sechs Hürden, die es Frauen im Beruf schwer machen

Gleichberechtigung im Job: Wer weiß, welche psychologischen Hürden lauern, kann etwas dagegen tun.

Wer weiß, welche psychologischen Hürden lauern, kann etwas dagegen tun.

Wie Kultur, Erziehung und die Schranken in den Köpfen Frauen behindern - und was dagegen hilft.

Von Sarah Schmidt

Die gläserne Decke ist real. Das merkt aber erst, wer dagegenstößt oder beobachtet, wie andere an dieser abprallen. Rein rechtlich haben Frauen und Männer heute zwar die selben Chancen im Berufsleben und jedes Unternehmen, das sich nicht zu dieser Selbstverständlichkeit bekennt, hätte ein ausgewachsenes Problem plus Shitstorm am Hals. Doch jenseits von Grundgesetz und Firmen-Leitlinien wirken noch ganz andere Kräfte auf die Karrierepfade von Männern und Frauen: Es sind die Schranken im eigenen Kopf, die Schranken im Kopf der Chefs, der Kollegen, der Kolleginnen.

"Wie viel Gleichberechtigung brauchen wir noch?" Diese Frage hat unsere Leser in der elften Runde des Projekts Die Recherche am meisten interessiert. Dieser Beitrag ist Teil eines Dossiers, das sie beantworten soll. Alle Texte zur aktuellen Recherche finden Sie hier. Mehr zum Projekt finden Sie hier.

Sie machen es Frauen schwerer, sich im Job zu behaupten. Der Trick diese unsichtbaren Hürden dennoch zu überwinden, ist, sie überhaupt wahrzunehmen - denn wenn man weiß, woran man sich immer wieder das Knie stößt, kann man endlich den großen Schritt drüber weg machen. Diese sechs psychologischen Wirkmechanismen sollten alle Frauen kennen. Und da Frauen und Männer sich gar nicht so grundlegend unterscheiden, ist auch für Herren der eine oder andere Karrieretip dabei.

Hürde 1: Zu wenig Selbstvertrauen

"Ach nein, das kann ich gar nicht" - dieser Ausspruch ist mit ungleich höherer Wahrscheinlichkeit von einer Frau zu hören als von einem Mann. Kaum ein psychologisches Konzept zum Thema Mann-Frau-Unterschiede lässt sich so stabil nachweisen: Männer überschätzen, Frauen unterschätzen ihre Fähigkeiten. Höfliches Understatement wäre an sich ja noch kein so großes Problem, allerdings schlägt sich geringeres Selbstvertrauen auch auf die tatsächliche Leistung nieder. Frauen schneiden schlechter in Wissens- oder Konzentrationstest ab - nicht weil sie tatsächlich weniger wissen oder sich schlechter konzentrieren können, sondern weil sie einzelne Aufgaben auslassen oder abbrechen in dem Glauben, sie würden eh versagen.

Warum ist das ein Karriere-Hindernis? Nichts ist so essenziell für beruflichen Erfolg wie Selbstvertrauen - darüber haben die US-Journalistinnen Claire Shipman und Katty Kay ein ganzes Buch namens "The Confidence Gap" geschrieben (hier der Link zu einem sehr lesenswerten The Atlantic-Artikel der beiden). Schließlich nützt alles Wissen, alle fachliche Kompetenz herzlich wenig, wenn man sich keine Aufgaben zutraut, in denen man diese auch zeigen kann. Frauen bewerben sich erst auf eine höhere Position, wenn sie zu 100 Prozent die Anforderungen erfüllen, Männern reichen 60 - das hat eine Auswertung von internen Bewerberdaten bei Hewlett Packard ergeben.

Was dagegen hilft: Weniger grübeln, einfach machen! Das klingt zwar leichter als es ist, zahlt sich aber doppelt aus. Denn mit jedem neuen Projekt, jeder gemeisterten Aufgabe wächst das Vertrauen ins eigene Können. Erfolg führt zu mehr Erfolg - warum sollten von dieser Regel weiterhin nur die naseweisen Kollegen profitieren, die bei jeder Gelegenheit den Arm recken und: "Hier, hier, hier, das kann ich!" rufen.

Hürde 2: Gleich und gleich gesellt sich gern ...

Menschen mögen Menschen, die ihnen ähnlich sind. Der einfache Grund: Sie haben das Gefühl, dass sie ihr Gegenüber gut einschätzen können. Und gleichzeitig gibt einem ein ähnlich gestricktes Exemplar das beruhigende Gefühl, selbst ebenfalls ganz okay und am rechten Platz zu sein. Dieser Sympathie-Effekt ist gut erforscht und erstreckt sich neben Herkunft, Hautfarbe und Lieblings-Fußballverein auch auf das Geschlecht.

Warum ist das ein Karriere-Hindernis? Weil in Unternehmen weiterhin vor allem Männer in den Entscheider-Chefsesseln sitzen und sich daran auch nur wenig ändert, wenn diese Hürde weiter dazu beiträgt, dass Männer eher Männer einstellen und befördern. "Hach, so war ich auch mal vor 15 Jahren", denkt sich der Chef eben viel leichter bei einem männlichen Bewerber.

Was dagegen hilft: Also eine kleine Operation und ein Vollbart ... Scherz beiseite. Sympathie durch Ähnlichkeit lässt sich zum Glück nicht nur über dieselben primären Geschlechtsmerkmale herstellen. Kommen Sie vielleicht aus derselben Kleinstadt wie der Personaler? Haben Sie das Gleiche studiert wie Ihr Chef? Denken Sie ähnlich über Meeting-Kultur oder die Zubereitung von Grünem Tee? Knüpfen Sie hier an. Und machen Sie deutlich, was für ein Mensch Sie sind, wie Sie ticken - so werden Sie berechenbar für Ihr Gegenüber.

Sonderfall-Problem und zweierlei Maß

Hürde 3: Sonderfall-Problem

Das Zusammenleben von Menschen zu beobachten, kann ausgesprochen spannend sein, wie Club-Urlaub, Familienfeste und Abteilungsmeetings beweisen. Kein Wunder also, dass es einen ganzen Forschungsbereich gibt, der sich damit befasst: die Soziologie. Dank dieser Disziplin weiß man, dass sich Minderheiten immer so lange schwer tun, bis ein bestimmter Schwellenwert erreicht wird. Häufig wird dieser auf etwa 40 Prozent beziffert. Erst ab diesem Anteil werden "die anderen" nicht mehr als Außenseiter und Fremdkörper wahrgenommen, sondern als Teil des Ganzen.

Warum ist das ein Karriere-Hindernis? Weil das auch für Frauen in Führungsetagen gilt. Schon Ende der 70er-Jahre hat die US-Soziologin Rosabeth Moss Kanter die These aufgestellt, dass einzelne Frauen in Führungspositionen allein aufgrund ihres Minderheitendaseins Probleme haben. Sie stehen stärker im Fokus, was zu höherem Leistungsdruck führt. Sie sind weitestgehend isoliert: Die Männer auf gleichem Führungslevel lehnen sie ab, aber auch bei den anderen Frauen im Unternehmen gehören sie nicht mehr dazu. Zudem werden diese Quoten-Chefinnen wegen ihres Exoten-Status besonders stark in Rollen-Klischees gepresst. Es spricht einiges dafür, dass sich daran auch knapp 40 Jahre später nicht allzu viel geändert hat.

Was dagegen hilft: Eine einzelne Frau kann gegen solche Kontextfaktoren sehr wenig tun. Außer dafür zu sorgen, dass möglichst schnell weitere Frauen aufsteigen. Tatsächlich unterstützt die Schwellenwert-Theorie auch die Forderungen nach einer Frauenquote - die nicht zu niedrig angesetzt werden sollte.

Hürde 4: Zweierlei Maß

Diese psychologische Hürde ist besonders hoch und fies. Denn es geht um die unterschiedlichen Standards, an denen Männer und Frauen (oft unbewusst) gemessen werden. Die Gründe sind vielschichtig - grundlegend geprägt ist dieses Phänomen von den Geschlechterrollen. Was macht eine typische Frau aus, was macht einen typischen Mann aus? Diese kulturellen Konzepte sind auch bei Männern und Frauen sehr tief verankert, die eigentlich von sich behaupten würden, für Gleichberechtigung einzustehen. Dieses Schema im Kopf führt jedoch dazu, dass identisches Verhalten bei Männern anders interpretiert wird als bei Frauen. Ergreift ein Mann häufig das Wort und macht klare Ansagen, wird das als kompetent und souverän wahrgenommen, verhält sich eine Frau genauso, wird sie als dominant und vorlaut eingeschätzt. Und zwar sowohl von Männern als auch von anderen Frauen.

Warum ist das ein Karriere-Hindernis? Weil Frauen per se weniger Kompetenz zugetraut wird als Männern. Weil Durchsetzungsfähigkeit Frauen als Zickigkeit ausgelegt wird. Fordert ein Mann ein hohes Gehalt, wirkt das selbstbewusst, fordert eine Frau das gleiche Geld, wirkt das anmaßend.

Was dagegen hilft: Ehrlich gesagt, ist es leichter zu erklären, was nicht hilft: Eins zu eins die Strategien der Männer zu kopieren zum Beispiel. "Dann forder richtig viel Geld!" oder "Zur Not musst du eben mal richtig laut werden!" kann für Frauen voll nach hinten losgehen. Sich immer nur erwartungskonform zurückzunehmen, hilft allerdings auch nicht weiter - so werden schließlich festgefahrene Gender-Klischees immer weiter untermauert. Was aber jeder und jede tun kann, ist, bewusst die eigenen Geschlechterrollen im Kopf zu hinterfragen. "Die Kollegin hat Abteilung Z mal so richtig die Meinung gegeigt? Toll - die kann sich durchsetzen!"

Besser nichts riskieren und Schulhof-Lektionen

Hürde 5: No risk, no fun

Frauen gehen lieber auf Nummer sicher. Das lässt sich zu einem Stück weit biologisch erklären: Das Männer-Hormon Testosteron führt nicht nur zu dicken Muckis, Bartwuchs und Sex-Hunger, sondern sorgt auch dafür, dass man risikofreudiger und wettbewerbsorientierter wird. Und da mehr von dem Zeug durch Männer-Venen schwappt, sind Y-Chromosomen-Träger tendenziell eher bereit, etwas zu wagen. Egal, ob bei der Säbelzahntiger-Jagd oder beim Projekt-Pitch.

Warum ist das ein Karriere-Hindernis? Die heutige Arbeitswelt ist auf Wettbewerb und Risiko ausgelegt. Start-ups, Leistungsbonus, globale Konkurrenz - die Business-Welt honoriert jene, die alles auf eine Karte setzen und alles tun, um die Mitbewerber zu übertrumpfen.

Was dagegen hilft: Die (vermeintliche) Schwäche ist auch eine Stärke. Frauen haben zwar einen niedrigeren Testosteron-Spiegel, aber pah, Östrogen ist das Hormon der Zukunft. Der weibliche Botenstoff erhöht die Bindungsfähigkeit und sorgt für soziale Verträglichkeit - und Empathie und Sozialkompetenz werden immer wichtiger im Job. Zudem liegen Risikofreude und ausgewachsener Bockmist relativ dicht beieinander, wie sich an so ziemlich jeder Finanzkrise und jedem Wirtschaftsskandal zeigt.

Hürde 6: Das Leben ist kein Klassenzimmer

Die armen Jungs! Längst ziehen die Mädchen in der Schule an ihnen vorbei, schreiben die besseren Noten, raufen und lärmen weniger ... Mitleid ist an dieser Stelle jedoch fehl am Platz - tatsächlich nehmen Jungen und Mädchen aus entwicklungspsychologischer Sicht einfach sehr unterschiedliche Lektionen mit aus ihrer Schulzeit. Überspitzt formuliert lernen die Mädchen, dass es ein Fleißsternchen für Französisch-Vokabeln gibt und die Lehrerin sie lieb hat, wenn sie immer brav sind. Die Jungs hingegen nehmen mit, dass sie sich gegen den blöden Erik aus der Parallelklasse durchsetzen können und die Welt nicht untergeht, wenn man mal eine 5 schreibt oder vor die Tür muss. Was sind wohl Kompetenzen, die einem im Berufsleben weiterhelfen?

Warum ist das ein Karrierehindernis? Bingo! Fleißig und brav sein und eine 1 in Französisch qualifizieren vor allem dafür: in der Konferenz das Protokoll zu schreiben und Powerpoint-Folien für den Standort in Paris zu übersetzen. Karriere macht währenddessen der Kollege, der zwar keine Ahnung vom Accent circonflexe hat, dafür aber keine Angst davor, auch mal zu streiten oder sich eine Abfuhr vom Chef einzuholen.

Was dagegen hilft: Möglichst schnell erkennen, dass im Beruf andere Regeln gelten als damals in der 10b. Dass es zwar häufig praktisch ist, auch ein bisschen Hintergrundwissen zu haben, im entscheidenden Moment aber mehr zählt, dem blöden Erik Paroli zu bieten. Der Tochter erklären, dass es okay ist, mal richtig Mist zu bauen. Und sie beim Judo anmelden.

"Wie viel Gleichberechtigung brauchen wir noch?" Diese Frage hat unsere Leser in der achten Runde unseres Projekts Die Recherche am meisten interessiert. Das folgende Dossier soll sie beantworten.

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