Gender Pay Gap:Jetzt kann es losgehen mit der Gleichberechtigung

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Zahlreiche Unternehmen in Großbritannien müssen ab sofort jährlich im April gegenüber der Regierung offen legen, wie viel sie männlichen Mitarbeitern im Vergleich zu weiblichen Kolleginnen bezahlen. (Foto: Getty Images)

Die Briten zwingen größere Unternehmen jetzt, Gehalts­unterschiede zwischen Männern und Frauen offenzulegen. An dem Gesetz könnte sich Deutschland ein Beispiel nehmen.

Von Andrea Rexer

Es gibt sie tatsächlich. Es gibt eine Handvoll Unternehmen, die Frauen besser bezahlen als Männer: vornehmlich im Bergbau und bei der Müllabfuhr. Wenn Frauen Lust haben, in diesen Bereichen zu arbeiten, dann könnten sie jenen Zahlen vielleicht sogar etwas Positives abgewinnen, die gerade in Großbritannien für Furore sorgen. Dort endet am Mittwoch eine Frist für Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern: Sie müssen ab sofort jährlich im April gegenüber der Regierung offen legen, wie viel sie männlichen Mitarbeitern im Vergleich zu weiblichen Kolleginnen bezahlen. Betroffen sind rund 9000 Firmen, über 6000 haben die Zahlen bereits im März veröffentlicht.

Auch wenn man schon vorher wusste, dass Männer in der Regel besser bezahlt werden: Die Höhe der dadurch zu Tage getretenen Unterschiede ist schockierend. Die Großbank HSBC etwa zahlt ihren Bankern 59 Prozent mehr als ihren Bankerinnen - bei den angeblich "leistungsabhängigen" Boni-Zahlungen sind es sogar 83 Prozent mehr. Und selbst in staatlichen Betrieben entlohnen fast neun von zehn Arbeitgebern Frauen systematisch schlechter als Männer. Ausgerechnet in den Schulen, wo überwiegend Frauen arbeiten, fällt die Differenz extrem auf.

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Man kann davon ausgehen, dass es in Deutschland nicht viel anders aussieht. Einen Hinweis darauf geben Unternehmen wie Siemens oder die Deutsche Bank, die in London die Zahlen für ihre dortigen Niederlassungen präsentiert haben. Sie kamen auf ähnlich große Differenzen wie die britischen Arbeitgeber. Die Deutsche Bank etwa zahlt im Schnitt ihren männlichen Angestellten 36 Prozent mehr, die Boni lagen sogar 69 Prozent höher.

Natürlich stimmt es, dass die einzelne, blanke Zahl das Thema vereinfacht. Hinter einem Durchschnitt kann sich viel verbergen. Und es ist zweifelsohne so, dass jedes Unternehmen andere Rahmenbedingungen vorfindet.

Das ist aber kein Argument gegen eine solche Veröffentlichung. Im Gegenteil: Die Zahl darf man nicht als Antwort sehen. Sie ist vielmehr Ausgangspunkt für Fragen, die sich Unternehmen und Gesellschaft dringend stellen müssen. Sie ist nicht der Abschluss einer Diskussion, sondern deren Beginn.

Vorweg: Aus den britischen Zahlen lässt sich nicht auf den ersten Blick herauslesen, wie stark Frauen diskriminiert werden. Es wird nicht abgefragt, wie viel eine Frau und ein Mann auf dem gleichen Posten im Durchschnitt verdienen. ( Genau das versucht das deutsche Entgelttransparenzgesetz, was das Ganze so kompliziert macht, dass die Wirksamkeit darunter leidet.) Die Briten beschränken sich darauf, das durchschnittliche Gehalt pro Arbeitsstunde zu vergleichen.

Unternehmen geraten unter Erklärungszwang

Sie lenken dadurch den Blick nicht nur auf die systematische Diskriminierung von Frauen, die für den gleichen Job weniger Geld bekommen, sondern sie lenken damit den Blick vor allem auf ein strukturelles Problem: Frauen erreichen in Unternehmen gar nicht erst die Posten, auf denen man richtig gut verdient.

Und genau das ist der eigentliche Punkt: Es geht nicht nur ums Geld. Es geht um Chancengleichheit.

Das ist auch den Unternehmen klar, teils verweisen sie sogar offensiv auf diese Erklärung. Die Großbank HSBC hat mit der Veröffentlichung der peinlichen Gehaltsunterschiede erklärt, dass die Bank eine Reihe von Maßnahmen ergriffen habe, um schon bis 2020 mehr Frauen in Führungspositionen zu heben. Diese Episode zeigt, welche Wirkung ein solches Gesetz auslösen kann. Eine einzige blanke Zahl kann also dazu führen, dass Unternehmen ihre Personalpolitik verändern.

Wenn die Unternehmen es klug anstellen, dann profitieren davon übrigens auch fähige Männer. Bisher werden Top-Jobs oft nach Sympathie und nicht nach Kompetenz vergeben. Wenn Unternehmen beginnen, ihre Beförderungspolitik zu objektivieren, werden davon die besten Köpfe im Unternehmen profitieren - Männer wie Frauen. Ein Vorbild könnten hier die Tech-Konzerne sein, die in anderen Bereichen gerade heftig kritisiert werden. Sie haben in Großbritannien auffallend gute Zahlen vorgelegt. Was machen sie anders? Viele von ihnen führen die ersten Bewerbungsgespräche geschlechtsneutral durch, indem Kandidaten zunächst einen anonymen Online-Test durchlaufen müssen. Später rücken standardisierte Fragenkataloge anstelle von individuell geführten Einzelgesprächen die Leistung ins Zentrum, wenn es um eine Beförderung geht.

Großbritannien wird seit dem Brexit viel gescholten. Doch jetzt gibt es tatsächlich ein Gesetz, bei dem es Deutschland ein Vorbild sein könnte.

© SZ vom 04.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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