Gewalt an Schulen:Private Sicherheitsleute in Neukölln im Einsatz

Die Berliner Rütli-Schule machte mit ausufernder Gewalt Schlagzeilen. Jetzt startet in dem Schulbezirk ein umstrittenes Projekt: Wachschützer sollen für die Sicherheit von Lehrern und Schülern sorgen.

Waffen tragen sie keine. Aber eine blaue Uniform, und in der beziehen die Männer von diesem Montag an vor Schultüren in Berlin Stellung. Uniformierte Sicherheitsleute, die Schüler kontrollieren, kannte man bisher nur aus amerikanischen Spielfilmen.

Nun wird der Anblick im Berliner Problembezirk Neukölln Wirklichkeit. Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) ist der Meinung, dass sich an der schlagzeilenträchtigen Rütli-Schule und zwölf anderen Bildungsanstalten nur noch so die Sicherheit garantieren lässt.

Das Projekt ist eine Premiere in Deutschland. 20 Sicherheitsleute der Bielefelder Wachschutzfirma Germania werden dabei im Einsatz sein: 19 Männer und eine Frau, die für den Umgang mit Schülern eigens geschult wurden, etwa mit "Deeskalationstraining" und "Rollenspielen". In erster Linie sollen die Wachschützer dafür sorgen, dass keine Jugendlichen von anderen Schulen oder Erwachsene unerlaubt das Schulgelände betreten. Am Freitag hatten sich die Wachleute bei Lehrern und Klassensprechern vorgestellt. "Es war absolut entspannt", sagt Germania-Projektleiter Klaus Hübner. "Wir sind gut vorbereitet."

In den vergangenen Jahren gab es in Berlin mehrfach Probleme, weil Gruppen arabisch- oder türkischstämmiger Jugendlicher Streitereien mit den Fäusten auf dem Schulhof klärten. Oder weil ein Vater ins Schulgebäude stürmte, um Schwierigkeiten seiner Kinder mit dem Lehrer persönlich zu "klären". Im Stadtteil Kreuzberg wurde eine Lehrerin bei einem Streit zwischen Schülern krankenhausreif geprügelt. Nun steht an den zehn Standorten der 13 Schulen je ein Zweier-Team mit Wachleuten, darunter auch Männer, die türkisch oder arabisch sprechen. Hübner: "Es kann sinnvoll sein, dass wir Mitarbeiter haben, die sich in bestimmte Mentalitäten reinversetzen können."

Integration gescheitert

Das Projekt läuft vorerst bis zu den Sommerferien 2008 und kostet laut Bezirksamt rund 200.000 Euro. Nicht zufällig trifft es denjenigen Berliner Bezirk, dessen Image in den vergangenen Jahren durch die hilflosen und verzweifelten Lehrer der Rütli-Schule oder Detlev Bucks Spielfilm "Knallhart" gelitten hatte. Gewalttätige Jugendgangs, offener Drogenhandel und Schlägereien gibt es aber auch im Nachbarbezirk Kreuzberg und ein paar Kilometer weiter im Wedding.

Aber nur Neukölln hat einen SPD-Bezirksbürgermeister, der mit seinen Aktionen die Öffentlichkeit sucht. Die Integration von Einwanderergruppen sei in der Großstadt weitgehend gescheitert, erklärt Buschkowsky. Über den neuen Wachschutz für die Schulen zerstritt er sich gründlich mit dem Berliner Senat. Die rot-rote Landesregierung geht solche Probleme lieber weniger auffällig an und bevorzugt eine engere Zusammenarbeit zwischen Schulen und Polizei.

Buschkowsky reicht das nicht. Er verweist auf die Statistik, wonach es an den 76 Neuköllner Schulen in den vergangenen zwei Jahren zu 53 schwerwiegenden Gewalttaten kam. Die Wachschutz-Firma erwartet, dass allein ihre Präsenz für Ruhe im Kiez sorgt.

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