Geschlechterdebatte in der Schweiz:Mutterseele allein

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Jasmin Staiblin leitet in der Schweiz den Konzern ABB - und hat es gewagt, ein Kind zu bekommen und Mutterschaftsurlaub zu nehmen. Jetzt diskutiert das Land: Dürfen Managerinnen sowas?

T. Kirchner

Es gibt, wie in Deutschland, auch in der Schweiz nicht viele Frauen, die eines der 100 größten Unternehmen des Landes führen. Genauer: Es gibt drei. Eine von ihnen ist Jasmin Staiblin. Die 39 Jahre alte gebürtige Deutsche steht an der Spitze der Schweizer Sektion des Technologiekonzerns ABB und hat es gewagt, mitten im Berufsleben ein Kind zu bekommen und dafür vier Monate Mutterschaftsurlaub zu nehmen. Damit hat sie den Stoff für eine befremdliche Debatte geliefert, die die Schweiz im Sommer beschäftigt hat und nun auch nach Deutschland schwappt.

Die Managerin Jasmin Staiblin: Sie hat es gewagt, mitten im Berufsleben ein Kind zu bekommen und dafür vier Monate Mutterschaftsurlaub zu nehmen. (Foto: Foto: oH)

Ausgelöst hat sie Roger Köppel, Chefredakteur des Magazins Weltwoche. Er stellte, wie das so seine Art ist, provozierende Fragen: Darf denn eine Chefin einfach schwanger werden, mitten in einer großen Wirtschaftskrise? "Ist es vernünftig, wenn sich eine für Tausende Arbeitsplätze verantwortliche Managerin vorübergehend verabschiedet, während sich das geschäftliche Umfeld dramatisch verschlechtert?" Und: "Würden Sie Ihre Armee einem General anvertrauen, der sich im Krieg aus familiären Gründen beurlauben lässt?".

Lustreise nach Venedig

Ein Mann in vergleichbarer Stellung könne jedenfalls nicht einfach zwei Monate nach Venedig reisen, um seine Beziehung zu retten. Was also sei höher zu gewichten, fragte die Weltwoche: das Recht der Frau auf "Selbstverwirklichung" - oder die Verantwortung gegenüber der Firma?

Man könnte die Fragen für absurd halten. Schließlich stellen sie alle Bemühungen, Kinder und Karriere miteinander zu verbinden, auf den Kopf und befördern uralte Rollenklischees. Die eigentliche Frage ist offensichtlich eine andere: Warum schaffen es nicht mehr Frauen nach ganz oben, obwohl das der Wirtschaft gut täte?

Viele Medien wie die Neue Zürcher Zeitung oder der Tages-Anzeiger ignorierten Köppels Attacke denn auch, doch der in der Schweiz eher linke Boulevard heulte politisch korrekt auf. Der Blick ließ emanzipierte Persönlichkeiten diskutieren. Das erwartbare Fazit: Beruftstätige Frauen mit Familie haben es schwer.

Auf der nächsten Seite: Wie die deutsche Emma konterte - und wie die umstrittene Managerin auf die Debatte reagiert.

Wettbewerbsvorteil bei Kindern

Konsequent polemisch konterte die deutsche Emma: Köppel leide an einem Identitätsproblem und frage sich wohl des Nachts: "Wenn die Frauen keine echten Frauen mehr sind, sind wir dann noch echte Männer?" Der Verband deutscher Unternehmerinnen spricht von einer "schlimmen Diskussion", die nicht Schule machen dürfe. "Es wird ja auch mal jemand krank. Das muss ein Unternehmen eben organisieren", sagt Geschäftsführerin Carlotta Köster-Brons.

Köppel lässt sich natürlich nicht irritieren. Der 44-Jährige hat die Weltwoche in eine rechte Nische bugsiert. Mit Thesen, die immer gegen die vermeintliche Dominanz sozialistischer Gutmenschen und gegen den "linksliberalen Mainstream" in den Medien gerichtet sind, erfreut er eine Klientel, die der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei nahesteht. In einem zweiten Kommentar warf er Staiblin vor, dass sie schon nach vier Monaten zurückkehre in den Job, statt sich um ihr Kind zu kümmern. Frauen hätten doch einen Wettbewerbsvorteil bei der Pflege der Kinder.

Die Managerin selbst zeigt die einzig richtige Reaktion: Sie schweigt. Auch ABB bleibt gelassen: "Wir fördern die Verbindung von Führungsverantwortung und Elternschaft ausdrücklich." Vertreten wird sie bis November von einem Vorgesetzten. Ganz einfach.

© SZ vom 8.9.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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