Geschäftsreise:"Ganz hart sind die Wochenenden"

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Mehr als ein Drink allein sollte auf Geschäftsreisen schon drin sein.

(Foto: Simon Dawson/Bloomberg)

Einsame Stunden an der Hotelbar? Vorm Fernseher im Zimmer? Das muss nicht sein. Es gibt bessere Ideen, wie man freie Zeit auf Geschäftsreisen gestalten kann.

Von Gunda Achterhold

Geschäftsreisen sind meist eng getaktet. Schließlich soll die kostbare Zeit möglichst effizient genutzt werden. "Den ganzen Tag ist man auf 180 und muss Leistung bringen", sagt Yvonne de Andrés. "Und abends ist man müde, die Akkus müssen dringend aufgeladen werden." Die Marketing- und Vertriebsexpertin aus Berlin findet es furchtbar, dann alleine im Hotelzimmer zu sitzen.

Egal ob es ins Ausland geht oder an den Rhein - die Freizeitplanung nach dem Geschäftstermin überlässt Yvonne de Andrés nicht dem Zufall. Über Newsletter und persönliche Empfehlungen hält sie sich auf dem Laufenden und belohnt sich nach langen Arbeitstagen mit besonderen Erlebnissen. Besonders gerne bucht die 50-jährige Geschäftsfrau für freie Abende ein Kochevent: Beim gemeinsamen Schnippeln in der Enoteca oder beim Sushikurs lernt sie neue Gerichte kennen und kommt locker mit anderen Menschen ins Gespräch. "Das macht Spaß - und essen müsste ich schließlich sowieso."

Mehr als elf Millionen Geschäftsreisende aus Deutschland sind mindestens ein Mal im Jahr unterwegs, der durchschnittliche deutsche Geschäftsreisende verbringt im Jahr 43 Nächte fern von zu Hause. Die Aussicht auf einsame Abende an der Hotelbar behagt offenbar nur wenigen, diesen Schluss legt eine Umfrage der Hotelbuchungsplattform Laterooms nahe: Sechs von zehn britischen Geschäftsleuten packt demnach das Heimweh, wenn sie in der Ferne arbeiten. Jeder zehnte der Befragten dachte deshalb sogar schon über einen Jobwechsel nach.

"Ganz hart sind die Wochenenden", sagt Peter Nortmann, Vertriebsleiter des Technologieanbieters Loewe in Kronach. "Wenn die Kollegen bei ihren Familien zu Hause sind, kann die Zeit lang werden." Der Manager hat viele Jahre im Ausland verbracht und ist geschäftlich auf der ganzen Welt unterwegs, oft auch mehrere Wochen am Stück. Er hat keine Lust, sich während der freien Zeit im Hotel zu langweilen, sondern will etwas von Land und Leuten mitbekommen. "Deshalb ist es toll, wenn ich Leute kennenlerne, die mir die Stadt zeigen und mich an Orte bringen, die ich sonst niemals kennengelernt hätte."

Kontakte knüpft der 41-Jährige über die Plattform Internations. Die Angebote des Netzwerks richten sich zwar in erster Linie an Expats, also an Menschen, die für ihr Unternehmen an internationalen Standorten arbeiten. Interessenten sind bei den regionalen Veranstaltungen und Treffen jedoch immer willkommen. "Die Atmosphäre ist offen, alle suchen Anschluss und den Austausch mit anderen", sagt Vertriebsleiter Nortmann. "Da fällt es leicht, sich auch mal fürs Wochenende zu verabreden und gemeinsam etwas zu unternehmen."

Nicht nur in exotischen Destinationen lockt nach einem Tag voller Besprechungen der Reiz des Neuen. Bei einem Geschäftstermin in Berlin kann beispielsweise ein Besuch in der Philharmonie oder in einer angesagten Weinbar in Charlottenburg seinen Reiz haben. Über soziale Medien wie Facebook lassen sich Verabredungen im eigenen Netzwerk oft locker und ungezwungen arrangieren. "Als reine Statusmeldung geht so etwas allerdings meistens unter", sagt Bente Matthes. Die Social-Media-Expertin rät eher dazu, gezielt in Gruppen nachzufragen, in denen man besonders aktiv ist.

Für den Job zu reisen, muss nicht immer belastend sein

Vor allem bei berufsorientierten Netzwerken wie Xing oder Linked-In funktioniere eine persönliche Anfrage deutlich besser, wenn man sich auch sonst engagiert und präsent ist. "Das ist auch eine Frage der Sicherheit", sagt Matthes. "Wer eine Person gut kennt und vertraut beziehungsweise online einschätzen kann, geht eher mit ihr Verabredungen ein oder spricht Empfehlungen aus."

Den Wunsch nach Abwechslung teilen viele Geschäftsreisende, auch das zeigt die Laterooms-Umfrage: 57 Prozent der Befragten machen unterwegs mehr aus ihrer freien Zeit als zu Hause. "Ich gehe gerne ins Kino und schaue mir Filme im Original an", sagt die Wirtschaftsprüferin Petra Göckel. "Im Alltag daheim komme ich nicht dazu." Als Expertin für internationales Steuerrecht ist die Münchnerin 30 bis 40 Tage im Jahr im In- und Ausland unterwegs. Nach einem langen Tag mit Mandanten alleine essen zu gehen, daran kann sich die 52-Jährige nicht gewöhnen. "Ich finde das einfach ätzend."

Eine Erfahrung, die sie mit vielen anderen Frauen teilt. Nach einigen besonders öden Abenden auf einer Geschäftsreise in Los Angeles war die Engländerin Carolyn Pearson so genervt, dass sie vor zehn Jahren ein Netzwerk für allein reisende Geschäftsfrauen gründete. Auf der Internetplattform Maiden Voyage finden Frauen, die zur selben Zeit am selben Ort sind, einen sicheren Rahmen für ihre Verabredungen.

Petra Göckel bevorzugt berufsnahe Netzwerke und trifft auf Dienstreisen gerne Kollegen aus einem internationalen Verband für Wirtschaftsprüfer oder besucht Veranstaltungen des Bundes deutscher Unternehmerinnen (VdU). "Man hat einen gemeinsamen Bezugspunkt, das macht die Sache unkompliziert und für beide Seiten auch fachlich interessant", sagt sie.

Für den Job auf Reisen zu gehen, muss nicht immer belastend sein, es kann befreiend sein. In einer von der Businesshotelkette Crowne Plaza Hotel & Resorts in Auftrag gegebenen Studie gaben fast zwei Drittel der Befragten an, dass Businesstrips für sie eine willkommene Abwechslung zum Büroalltag sind, die sie beruflich ebenso wie persönlich weiterbringt. "Meine Geschäftsreisen in die Staaten sind für mich immer eine sehr kreative und inspirierende Zeit", sagt die Patentanwältin Michaela Elbel. "Ich komme mit vielen neuen Ideen zurück in die Kanzlei." Das Auszeitgefühl stellt sich bei der 48-Jährigen schon am Flughafen ein: Kleidung kauft sie stets auf Reisen. "Dafür habe ich sonst nie Zeit."

Auch unterwegs hat Michaela Elbel immer volles Programm, aus Rücksicht auf ihre Familie beschränkt sie die Reisetage auf ein Minimum. Freie Abende sind selten, den frühen Morgen reserviert die Anwältin deshalb ganz für sich. In T-Shirt und Sportschuhen joggt sie durch die langsam erwachende Stadt, lässt ihren Gedanken freien Lauf und genießt es, "inkognito" unterwegs zu sein, wie sie sagt. "Ich erlebe Orte wie Washington oder Chicago in diesen Momenten aus einer ganz anderen Perspektive als tagsüber im Businesskostüm, immer in Eile, auf dem Weg zum nächsten Meeting." Überlegungen, die ihr beim Laufen durch den Kopf gehen, hält die Patentanwältin in einem Notizbuch fest. Manchmal sind auch Geistesblitze dabei. "Das ist ja für mich das Tolle am Reisen", sagt sie. "Ich entspanne und bin zugleich sehr produktiv."

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