Gerichtsentscheid:Staatliches Arbeitsrecht? Nicht für Kirchenmitarbeiter!

Pfarrern bleibt Klage verwehrt: Kirchenmitarbeiter können sich nicht vor staatlichen Gerichten gegen ihre Entlassung oder Versetzung in einen Wartezustand wehren. Nur in Extremfällen gesteht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Ausnahmen zu.

Wolfgang Janisch

Pfarrer müssen sich bei Rechtsstreitigkeiten über ihren Job auch in Zukunft auf innerkirchliches Sonderrecht verweisen lassen. Gegen ihre Entlassung oder ihre Versetzung in den mit Gehaltsabschlägen verbundenen "Wartestand" können sie sich nur in Ausnahmefällen vor staatlichen Gerichten erfolgreich zur Wehr setzen. Das folgt aus einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg.

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Was ihre Beschäftigungsverhältnisse angeht, unterliegen protestantische Pfarrer kirchlichem Sonderrecht. Der Staat kann nur in Ausnahmefällen eingreifen.

(Foto: dpa/dpaweb)

Nach den Worten des Gerichts sind die Beschäftigungsverhältnisse der vier betroffenen Geistlichen ausschließlich durch kirchliches Recht geregelt. Zwar könnten sie durchaus vor staatlichen Gerichten Klage erheben. Dort sei allerdings nur eine sehr eingeschränkte Überprüfung kirchlicher Maßnahmen möglich, argumentierte das Gericht und verwies auf die Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe: Nur wenn eine Versetzung oder Entlassung willkürlich sei, gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung verstoße, könnten staatliche Zivilgerichte einschreiten. (Az: 38254/04 u.a.)

Geklagt hatten ein Böblinger Pfarrer und ein Pfarrer aus Moers sowie zwei Offiziere der Heilsarmee. Die Geistlichen waren 1994 nach Unstimmigkeiten mit ihren Gemeinden in den Wartestand versetzt, die Heilsarmisten aus dem Offiziersdienst entlassen worden.

Zur Versetzung in den Wartestand greift die evangelische Kirche in Konfliktfällen, wenn, wie es im Pfarrerdienstgesetz heißt, "ein gedeihliches Wirken in ihrer Pfarrstelle nicht mehr gewährleistet erscheint". Auf ein Verschulden des Pfarrers kommt es dabei nicht an. "Das ist für die Betroffenen schon ein Stigma", sagte der Karlsruher Rechtsanwalt Christian Kirchberg, der den Böblinger Pfarrer vertreten hatte, der Süddeutschen Zeitung.

Daran kann sich entweder eine andere Beschäftigung anschließen - der Böblinger Pfarrer wurde 1999 Religionslehrer - oder es folgt die Versetzung in den Ruhestand. Vor allem die evangelischen Kirche im Rheinland hatte in großem Umfang davon Gebrauch gemacht, über die Jahre waren dort 120 Pfarrer im Wartestand geparkt worden; die Zahl hat sich inzwischen nach Kirchbergs Auskunft allerdings deutlich reduziert. Wegen der beträchtlichen Gehaltsabschläge hatten sich Betroffene an staatliche Gerichte gewandt.

Für die beiden Pfarrer war dies der Beginn eines langen Grundsatzstreits über den Zugang zu staatlichen Gerichten. 1999 scheiterten sie ein erstes Mal vor dem Bundesverfassungsgericht - sie wurden zunächst auf den Weg durch die Instanzen der Verwaltungsgerichte verwiesen. Anlass zur Hoffnung gab 2003 der BGH: "Die staatliche Gerichtsbarkeit kann einer Entscheidung nicht deswegen ausweichen, weil die Rechtsfrage den kirchlich autonomen Bereich, wie etwa den der Organisations- und Ämterhoheit, betrifft."

Gleichwohl wies das Verfassungsgericht 2004 auch eine zweite Beschwerde des Böblinger Pfarrers ab. Die Entscheidung war im Gericht selbst umstritten: Verfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff kritisierte damals in einem Sondervotum, das Gericht verweigere sich einer grundsätzlichen Klärung der Frage, wann staatlicher Rechtsschutz bei innerkirchlichen Angelegenheiten zu gewähren sei.

"Mit der Straßburger Entscheidung ist das Kapitel abgeschlossen", sagte Kirchberg. Allerdings seien die innerkirchlichen Gerichte - wenngleich sie oft im Zweifel zugunsten der Kirche entschieden - durchaus unabhängig besetzt und umfassten immerhin zwei Instanzen.

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