Generation D:Was Existenzgründer erfolgreich macht

Ein eigenes Geschäft aufzubauen, erfordert Mut. Doch der allein reicht nicht, sagt der Leiter der Bayerischen Eliteakademie. Gründer brauchen eine Handvoll Eigenschaften, die ihnen zum Erfolg verhelfen.

Silke Bigalke

Der Weg in die Selbständigkeit ist nicht immer leicht. Dieter Frey, der an der Ludwig-Maximilians-Universität Psychologie lehrt und die Bayerische Elite-Akademie leitet, erklärt, was erfolgreiche Existenzgründer ausmacht.

Süddeutsche.de: Welche Eigenschaften sollten Existenzgründer haben?

Dieter Frey: Sie müssen pragmatisch, ambitioniert, optimistisch und kreativ sein. Schon vor Jahren haben wir untersucht, wie sich erfolgreiche von weniger erfolgreichen Existenzgründern unterscheiden. Dabei zeigt sich ein interessantes Syndrom: Der Erfolgreiche ist optimistischer hinsichtlich der allgemeinen wirtschaftlichen Zukunft, aber auch hinsichtlich seiner eigenen Zukunft. Für ihn ist die Existenzgründung eine Herausforderung, er ist risikofreudiger und glaubt eher an sich selbst.

Süddeutsche.de: Was ist noch Optimismus - und was schon Selbstüberschätzung?

Frey: Tatsächlich gibt es viele Misserfolge bei Gründungen, die auf Selbstüberschätzung zurückgehen. Dann hat der Unternehmer die Marktlage, wie gut er die Kunden erreichen kann oder die eigene Qualität zu optimistisch eingeschätzt. Häufig passiert das gerade denjenigen, die bereits zu Beginn großen Erfolg hatten. Einige von ihnen werden sorglos und erfolgsarrogant. Der Normalfall ist das aber nicht. Grundsätzlich haben Gründer einen realistischen Optimismus. Vielleicht schätzen sie die Situation zwar etwas besser ein, als sie tatsächlich ist, aber genau das gibt ihnen Motivation und Power.

Süddeutsche.de: Reichen denn Optimismus und der Glaube an sich selbst, um erfolgreich zu sein?

Frey: Wenn jemand glaubt, dass er sein Leben selbst beeinflussen kann, bewirkt das natürlich schon etwas wie eine "self-fullfilling prophecy", eine selbsterfüllende Prophezeiung. Ein selbstbewusster Mensch packt Dinge eher an und lässt sich durch Misserfolge nicht sofort entmutigen. Im Gegensatz dazu gibt der Pessimist, der Zauderer und Zweifler bei der ersten Negativentwicklung auf.

Süddeutsche.de: Wie reagiert der erfolgreiche Gründer-Typ auf Rückschläge?

Frey: Erfolg ist immer auch abhängig vom richtigen Umgang mit Niederlagen und der damit verbundenen Motivation: Jetzt fange ich erst recht an. Der Gründer ist durchaus zu vergleichen mit einem guten "Geneser". Das ist jemand, der eine Krankheit oder einen Unfall möglichst schnell und unproblematisch überwindet, weil er darin eine Herausforderung sieht. Ähnlich ist es bei den Gründern. Sie fassen ein Problem als Herausforderung auf und werden alles versuchen, um es zu überwinden. Und sie sind aktiver darin, Netzwerke zu aktivieren.

Süddeutsche.de: Was heißt Netzwerke zu aktivieren?

Frey: Dahinter steht die Fähigkeit, Menschen zu suchen, zu finden und zu aktivieren, die einem irgendwie helfen können. Es sind Personen, die Informationen liefern, positive Mund-zu-Mund-Propaganda machen, Geld geben, Türen öffnen für Geschäfte oder auf Fehlentwicklungen hinweisen. Man ist dann nicht mehr allein, sondern weiß in fast jeder Situation, wen man fragen kann. Das ist für fast alle Lebenssituationen wichtig.

Süddeutsche.de: Nicht allein zu sein gibt dann die nötige Sicherheit?

Frey: Ja, das ist wichtig. Denn die Angst vor Rückschlägen verringert den Optimismus. Und wer weniger optimistisch ist, ist auch weniger risikobereit.

Sicherheitsdenken hemmt bei der Gründung

Süddeutsche.de: Wie risikobereit sind die Deutschen?

Frey: Nicht besonders, das Sicherheitsdenken ist hier sehr ausgeprägt. Und das hemmt natürlich Menschen eher dabei, sich selbständig zu machen. Viele Deutsche wollen lieber alles vorgegeben und geplant haben, sie flüchten sich in einen Konzern oder versuchen, beim Staat unterzukommen. In den USA beispielsweise ist das ganz anders. Wenn man dort Studenten fragt, ob sie sich die Selbständigkeit vorstellen könnten, sind im Schnitt etwa 50 Prozent dazu bereit. In Deutschland sind es eher zehn Prozent. Das heißt nicht, dass wir keine Gründerpersönlichkeiten haben, die initiativ und klug sind. Aber es fehlt ab und zu der Mut zum Risiko.

Süddeutsche.de: Woher rührt dieses Sicherheitsdenken?

Frey: Darüber gibt es viele Spekulationen. Wer zweimal innerhalb eines Jahrhunderts das gesamte Geldvermögen verloren hat, klebt an Sicherheit. Außerdem führt die deutsche Perfektion dazu, dass man intolerant gegenüber Abweichungen wird. Wenn nicht alles hundertprozentig ist, fängt man es erst gar nicht an. Viele Menschen sehen die Ursachen darin im 30-jährigen Krieg. Kleinstaaterei mit vielen angrenzenden Ländern ist immer mit Kriegen verbunden. Das Volk sehnt sich dann nach einem starken Fürsten, der Frieden schafft. Diese Kriegsängste und der damit verbundene Hang zur Untertänigkeit fördern Angepasstheit und Sicherheitsdenken.

Süddeutsche.de: Was könnte den Deutschen Mut machen?

Frey: Man müsste ihnen klarmachen, dass zu viel Sicherheitsdenken zu Stillstand führt. Helfen könnten Vorbilder, die risikobereit waren und erfolgreich etwas Neues aufgebaut haben. Außerdem müssten die Deutschen erkennen, dass eine gute Balance wichtig ist, um nicht zu risikoreich zu agieren, aber auch nicht zu ängstlich. Das gilt für fast alle Entscheidungen im Leben, ob man nun einer Operation zustimmt, Geldanlagen wählt oder sich für eine Sportart entscheidet. Nichts ist total risikolos.

Süddeutsche.de: Bringen wir unseren Kindern von Anfang an etwas Falsches bei, wenn wir ihnen eintrichtern, sie sollen vorsichtig sein?

Frey: Mit Sicherheit könnte die Risikobereitschaft erhöht werden, wenn man schon in Kindergärten, Schulen und Universitäten Experimentierfreude stärker fördern würde und Kinder, Schüler und Studenten im Kleinen unternehmerisch aktiv werden lässt. Die Fantasie hat hier keine Grenzen: Recycling-Hefte verkaufen, Kuchen, Theaterkarten, Nachhilfe anbieten. Man muss den Leuten spielerisch beibringen, wie wichtig es ist, sich auf die eigenen Beine zu stellen.

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