Geldinstitute als Arbeitgeber:Finanzartisten statt Draufgängertypen

Die Zeit des Macho-Bankers mit Testosteron-Überschuss ist vorbei. Stattdessen suchen Finanzinstitute heute Wirtschaftsphysiker und Rechnungsexperten. Obwohl die Geldhäuser weniger Absolventen einstellen als vor der Wirtschaftskrise, können Spezialisten mit Fremdsprachenkenntnissen noch immer auf eine steile Karriere hoffen.

Christine Demmer

Gerade erst war ein wenig Hoffnung aufgekommen, dass die Nachbeben der Finanzkrise endlich vorüber seien, da setzen die Banken erneut den Rotstift an. Ein Auszug aus den Abbaumeldungen der vergangenen zwölf Monate: Europas größte Bank HSBC - weltweit minus 30 000 Stellen. Commerzbank - weltweit minus 9000. HSH Nordbank - minus 1200. Postbank - bis zum Ende des Jahres minus 1500. Deutsche Bank - minus 500 im Investmentbanking. Hypo-Vereinsbank - minus 700. Und von einst etwa 1000 deutschen Sparkassen ist weit mehr als die Hälfte auf der Strecke geblieben, Arbeitsplätze inklusive.

Karriere

Karriere Mann und Frau vor Tafel mit Pfeilen

(Foto: iStockphoto)

Als Bank- oder Sparkassenkaufmann mit Ambitionen und als Wirtschaftsstudent mit Neigung zu Geldgeschäften macht man sich schon seine Gedanken. War's das mit "sichere Bank"? Oder kommen die Jobs zurück? "Über die gesamte Bankenbranche gesehen, wird die Anzahl der Beschäftigten in den nächsten Jahren deutlich zurückgehen, bis 2017 um etwa zehn Prozent", nennt Udo Bröskamp die schlechte Nachricht zuerst.

Eine gute Nachricht hat der Leiter des Kompetenzcenters Financial Services bei der Unternehmensberatung Roland Berger in München aber auch: "Im Einzelfall gibt es immer Bedarf." Weil Finanzinstitute laufend neue Talente benötigten, würden sie auch weiter junge Leute einstellen, "nur eben weniger als in den letzten Jahren".

In der Krise gesucht: Spezialisten

Die Entlassungswelle ausgelöst haben Einbrüche beim Gewinn. Dahinter stehe freilich ein grundlegender Wandel der Geschäftsmodelle, erklärt Christoph Pape, Bankenberater aus Frankfurt. "Die Bankenkultur in Deutschland hat sich fundamental geändert: weg vom traditionellen Firmengeschäft mit engen Verbindungen zwischen Banken und Unternehmen, hin zum kapitalmarktgetriebenen Finanzierungsgeschäft nach amerikanischen und britischen Denk- und Handlungsweisen." In der Zielpyramide angelsächsischer Geldinstitute steht die Rendite ihrer Aktionäre ganz oben. Entsprechend handeln sie. Die Kosten, insbesondere die Personalkosten, müssen runter.

Patrick Schild war fast ein Vierteljahrhundert lang als Banker im In- und Ausland tätig. Für ihn ist das ein ganz normaler Vorgang. "Ertragsprobleme werden klassisch gelöst durch Veränderungen der Belegschaft", sagt der Jurist, der heute als Personalberater bei Odgers Berndtson in Frankfurt arbeitet. "Wenn es den Banken wieder besser geht, wird auch mehr eingestellt."

Allerdings nicht in der Breite, sondern bevorzugt Risikoexperten, die jedes Haar in der Suppe finden, Kreditexperten, die streng auf die Bonität eines Schuldners achten, und AssetManager, die das Vermögen der Anleger vergrößern. "Außerdem Regulierungsexperten", sagt Schild. "Je größer die Probleme der Branche, desto höher ist der Regulierungsbedarf. Auch dort werden qualifizierte Spezialisten gesucht."

Steile Karrieren noch immer möglich

Seit die europäischen Regierungen die Risikobereitschaft der Banken zügeln wollen, wünschten sich die Institute "Mitarbeiter, die nicht nur an die stets mit Risiken behaftete Ertragsseite des Geschäftes denken, sondern die gleichermaßen Regulierung und Compliance, also die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften, im Blick haben", sagt Michael Grote, Professor an der Frankfurt School of Finance & Management, "im Risikomanagement, im Rechnungswesen, im Controlling und überall dort, wo es darum geht, die neuen Regulierungen umzusetzen." Dort herrsche ein Mangel an fachkundigen Mitarbeitern. Von anderen hat man genug. "Draufgängertypen sind nicht mehr gesucht", sagt Grote.

Nach einhelliger Meinung aller Experten seien steile Karrieren in der Bank nach wie vor möglich, nur eben eher für genaue, sorgsam abwägende Mitarbeiter, die virtuos mit Zahlen und mit Gesetzen umgehen können. "Als Einstieg genügt nach wie vor ein Wirtschaftsstudium", beruhigt Udo Bröskamp von Roland Berger. "Will er sich aber differenzieren, muss der Betriebswirt künftig Zusatzwissen mitbringen: spezifisches Know-how, Kundenverständnis und Fremdsprachenkenntnisse." Und der erfahrene Banker Schild ergänzt: "Wer sich herausheben will, sollte Mandarin lernen.

Nur ganz wenige Betriebswirte beherrschen die Fremdsprachen der aufstrebenden Länder: Portugiesisch, Russisch oder Arabisch. Unbedingt zu empfehlen ist ein Auslandsstudium - allein schon wegen der interkulturellen Kompetenzen, die man darin erwirbt." Gute Einstiegschancen haben laut Bröskamp "Absolventen mit einer quantitativen Ausrichtung, also beispielsweise Volkswirte mit ökonometrischem Hintergrund, Physiker, Mathematiker und Informatiker".

Banken keine Traum-Arbeitgeber mehr

Noch ist Wirtschaftsphysik ein Exotenfach, das man in Deutschland nur an der Universität Ulm studieren kann. Nur wenige Ökonophysiker sind in Kreditinstituten tätig. Das könnte sich nach Ansicht von Grote ändern: "Wer Wirtschaft mit Mathematik oder einem anderen quantitativen Studienfach kombiniert, wird von den Banken geradezu aufgesaugt." Ebenso gute Karten hätten Liebhaber von Ertragswerten und Rechnungsabgrenzungsposten: "Man braucht Leute, die das Ganze verbuchen und kontrollieren können und die wissen, wie man die Dinge in der Bilanz darstellt."

Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Rechnungswesen sei da eine gute Basis. Noch begehrter jedoch, so Grote, seien Mathematiker mit einem zusätzlichen Master of Business Administration oder einem Master of Finance. "Physiker sind noch etwas beliebter als Mathematiker, weil die eher gelernt haben, mit den Phänomenen der realen Welt umzugehen."

Eines dieser Phänomene ist jeden Tag an den internationalen Bankenplätzen zu bestaunen: Trotz der andauernden Unruhe in der Branche sind die Banken noch immer davon überzeugt, zu den attraktivsten Arbeitgebern für Hochschulabsolventen zu gehören.

Britta Kemna, Personalberaterin bei Mercuri Urval in Wiesbaden, rückt das in den Bereich der Märchen und Sagen. "Das Image der Banken ist angeschlagen", sagt sie. "Viele haben eine negative Presse, und das wirkt auf die Bewerber zurück." Die frühere Bankerin glaubt, dass junge Menschen gern bei erfolgreichen Unternehmen arbeiten wollen. "Sie orientieren sich an den Schlagzeilen und daran, ob eine schlüssige Strategie vorhanden ist. Und da gibt es heutzutage eben auch Banken, die als Arbeitgeber durchfallen."

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