Geld:Zu Besuch bei den Geldscheinmalern

Geld: Stück aus der Geldschein-Ausstellung "Frauenbilder" im firmeneigenen Banknotenmuseum von Giesecke+Devrient.

Stück aus der Geldschein-Ausstellung "Frauenbilder" im firmeneigenen Banknotenmuseum von Giesecke+Devrient.

(Foto: Stephan Rumpf)

Das Wissen der Banknotendesigner ist so geheim, dass es nicht mal eine standardisierte Ausbildung dafür gibt. Wer lernt, wie man Geld macht, lernt auch, wie man es fälschen kann.

Von Peter Fahrenholz

Der Weg in die Abteilung von Marc Mittelstaedt gleicht auf den letzten Metern einem Hochsicherheitstrakt. Handys sind hier nicht erlaubt, sie müssen vorher abgegeben werden. Jeder Mitarbeiter muss erst eine Sicherheitsschleuse passieren, ehe er an seinen Arbeitsplatz gelangt. Für Besucher ist dieser Bereich von G+D Currency Technology, der Banknotentochter des Technologiekonzerns Giesecke+Devrient in München, tabu. Weder die Mitarbeiter anderer Bereiche des Unternehmens noch Kunden dürfen ihn normalerweise betreten. Marc Mittelstaedt und seine Leute arbeiten an einem streng vertraulichen Produkt: Sie sind Banknotendesigner und entwerfen die Geldscheine, die dann für Länder aus aller Welt gedruckt werden.

Dabei deutet auf den ersten Blick nichts darauf hin, dass sich hier kreative Köpfe in anregender Arbeitsumgebung austoben. Keine coolen Regale aus irgendwelchen zusammengeschraubten Kisten, keine Papierkörbe voller zerknüllter Entwürfe. Es herrscht nüchterne Büroatmosphäre. Was allerdings auch mit dem ausnahmsweise zugelassenen Besucher der SZ zusammenhängt, wie Chefdesigner Mittelstaedt freimütig einräumt.

Wegen der Vertraulichkeit habe man manches abgehängt. Die Vorstellung, dass hier wild auf Zeichenblöcken herumgekritzelt wird, bis irgendwann der fertige Geldschein herauskommt, ist aber ohnehin ziemlich laienhaft. "Die ersten Entwürfe entstehen schon auf Papier, aber dann geht man sehr schnell in die digitale Technik", sagt Mittelstaedt. Die Hauptarbeit der Designer findet am Computer statt.

Dass kaum jemand weiß, was ein Banknotendesigner genau macht, geschweige denn, wie man einer wird, hat mehrere Gründe. Zum einen ist die Welt der Produktion von Geldscheinen eine sehr kleine Welt. Außer G+D produziert in Deutschland nur noch die Bundesdruckerei in Berlin Bargeld. Anders als G+D deckt sie allerdings nicht das gesamte Spektrum ab, sondern muss bestimmte Komponenten hinzukaufen.

G+D ist dagegen ein sogenannter Vollsortimenter, der weltweit etwa 5000 Leute beschäftigt. Das bedeutet, dass von der Papierherstellung über das Design und die Sicherheitstechnik bis zu den Maschinen für Druck, Banknotenbearbeitung und -vernichtung das gesamte Paket angeboten wird. Auf dem Weltmarkt gibt es nur drei oder vier Konkurrenten, die ähnlich breit aufgestellt sind.

Es gibt also nur sehr wenige Arbeitsplätze für die Designer von Banknoten. Und man kann diesen Beruf auch nicht so ohne Weiteres ergreifen. Denn es existiert im Bereich des Grafikdesigns kein spezieller Ausbildungsgang "Banknotendesign". Was irgendwie auf der Hand liegt, denn wer lernt, wie man Geld macht, weiß danach auch, was man beachten muss, um es zu fälschen.

Ein technisch immens aufwendiges Produkt

Natürlich braucht man eine solide grafische Ausbildung, aber den gesamten, äußerst komplexen Prozess des Entwerfens und Produzierens von Banknoten lernt man erst am Arbeitsplatz selbst. Mittelstaedt und sein Team sind ein gutes Beispiel dafür, dass dabei oft der Zufall eine Rolle spielt. Chefdesigner Mittelstaedt ist erst seit 2009 im Unternehmen. Der 50-Jährige hat Grafikdesign in Augsburg und Barcelona studiert und danach 20 Jahre lang in der Werbebranche gearbeitet. Dann hat er eine Stellenanzeige von G+D gelesen, gesucht wurde der Teamleiter für die Designabteilung. "Ich war neugierig und habe mich gefragt: Was machen die da eigentlich, ich konnte mir so gar nichts drunter vorstellen." Also hat er sich beworben und wurde nach "mehr Gesprächen, als ich jemals geführt habe" eingestellt.

Auch Mittelstaedts Stellvertreter Theo Rebele, der schon seit 1981 dabei ist, hat sich seinerzeit auf eine Stellenanzeige beworben. "Bis ich die erste Banknote gemacht habe, hat es sechs oder sieben Jahre gedauert", erzählt Rebele. Corinne Veith, mit 38 Jahren die Jüngste im Team, kam zu ihrem Job "wie die Jungfrau zum Kinde". Die gelernte Mediendesignerin hat einfach eine Blindbewerbung eingereicht. Zuvor hatte sie bei einem Anbieter von Pferdewetten gearbeitet. Da kenne sie sich mit Falschgeld ja schon gut aus, habe ihr damaliger Chef zu ihr gesagt.

Banknoten sind ein technisch immens aufwendiges Produkt. Das hat zum einen mit dem mehrstufigen Druckverfahren zu tun. Einer Kombination aus Offsetdruck, Siebdruck und Tiefdruck. "Diesen Druckprozess gibt es draußen so nicht", sagt Rebele. Für einen Banknotendesigner reicht es deshalb nicht, nur eine kreative Ader zu haben. "Es muss die Affinität zum Druckprozess da sein", sagt Mittelstaedt, es nütze nichts, wenn jemand topfit im Internet sei, Banknoten seien nun mal ein sehr handwerkliches Produkt.

Zum Handwerk kommt die Sicherheit hinzu. Um Fälschungen zu verhindern, haben Banknoten heute immer aufwendigere Sicherheitselemente, und es kommen ständig neue hinzu. Aufgabe der Designer ist es, diese Sicherheitsmerkmale in ein schlüssiges Design zu übersetzen, am Ende soll die Banknote eine Geschichte erzählen. "Das Design ist das Herz der Banknote. Gutes Design bedeutet, Ästhetik und Technologie optimal miteinander in Einklang zu bringen", sagt Wolfram Seidemann, der Chef von G+D Currency Technology. "Wir müssen den Fälschern die Hürde so hoch wie möglich legen", sagt Chefdesigner Mittelstaedt. "Und ihnen immer einen Schritt voraus sein." Wenn jemand für eine Fälschung mehr investieren müsse, als die Banknote wert sei, "dann haben wir gewonnen".

Mittelstaedt und sein Team ärgert es deshalb, dass in der Diskussion um die Abschaffung des Bargeldes, die gegenwärtig eher auf kleiner Flamme läuft, immer wieder auch Sicherheitsaspekte ins Feld geführt werden. Die Möglichkeiten, den Zahlungsverkehr im Internet zu manipulieren seien "um ein Vielfaches höher und leichter" als beim Bargeld, sagt Mittelstaedt.

Die letzte Fälschungsmitteilung der Europäischen Zentralbank bestätigt das. Danach liegt der Anteil falscher Euros nur bei 0,0017 Prozent aller Noten, die im Umlauf sind. Und die Bank of England hat für das Jahr 2016 den Wert gefälschter britischer Pfundnoten auf siebeneinhalb Millionen Pfund summiert. Im gleichen Zeitraum belief sich der Schaden durch Internetkriminalität auf etwa das Hundertfache.

Der US-Dollar ist anfälliger für Fälschungen

Natürlich ist nicht jede Währung gleich fälschungssicher. Der US-Dollar etwa ist anfälliger für Fälschungen. Nicht nur, weil er eine Weltwährung ist, die überall akzeptiert wird und damit in großen Mengen kursiert. Sondern auch, weil er "gewisse Schwächen" habe, wie Mittelstaedt diplomatisch sagt.

Der Aufwand bei Technik und Sicherheit kostet Zeit - und Geld. Die erste Visualisierung einer neuen Banknote dauert etwa zwei Wochen, aber bis zur fertigen Serie vergehen noch mal ein bis zwei Jahre. Und je mehr Sicherheitselemente ein Kunde wünscht, desto teurer wird logischerweise das Endprodukt. Auch die Größe der Geldscheine und die Staffelung des Notenwertes spielen beim Preis eine Rolle. Er schwankt, grob geschätzt, zwischen 40 und 100 Euro pro 1000 Banknoten. Am teuersten sind derzeit die neuen Schweizer Banknoten mit 400 Franken pro 1000 Stück.

Auf die Qualität des Designs hat der Umfang der Sicherheitsmerkmale keinen Einfluss. "Wir arbeiten für jeden Kunden mit der gleichen Leidenschaft", sagt Designerin Annette Wüst, und ihr Chef ergänzt: "Wir machen auch für weniger zahlungskräftigere Kunden ein hochwertiges Design." Neben der Integration von Sicherheitselementen müssen die Designer auch auf andere Aspekte achten. In Ländern mit einem hohen Anteil von Analphabeten ist es zum Beispiel wichtig, dass sich die einzelnen Banknoten durch Größe und Farbe so deutlich voneinander unterscheiden, damit ihr Wert von jedem erkannt werden kann. Und in tropischen Ländern muss mit anderen Materialien gearbeitet werden, um die Verschmutzung zu reduzieren.

Und dann sind da ja auch noch die Kunden mit ihren Wünschen. Als Theo Rebele 1981 anfing, hat G+D neben der D-Mark hauptsächlich Wertpapiere gedruckt und hatte eine Handvoll internationaler Kunden. Heute sind es weltweit 70 bis 80, und es gehört nicht viel Fantasie dazu, dass darunter auch Länder sind, die, vorsichtig ausgedrückt, etwas schwieriger sind als andere. Nicht immer können die Designer dann mit einem leeren Blatt Papier anfangen, oft werden Entwürfe von Landeskünstlern vorgelegt, und die Erwartung ist dann: Macht daraus mal eine Banknote. "Das muss dann funktional gemacht werden", umschreibt Mittelstaedt höflich den Umstand, dass das eben manchmal etwas dauern kann.

Für die Designer ist jedes Projekt immer wieder aufs Neue spannend. "Wir stellen etwas her, das die Menschen jeden Tag in der Hand halten", sagt Corinne Veith. Und ihr Kollege Theo Rebele kann sich auch nach mehr als 35 Jahren "nichts Tolleres vorstellen als das, was ich mache".

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